Kommentar

Murks

Wieder einmal war es eine lange Nacht, in der die Koalitionäre zu einem Ergebnis in der Gesundheitsreform gefunden haben. Nach einem harten Politikerarbeitstag traf man sich am Abend des 4. Oktobers um 19 Uhr, um dann - nach sieben Stunden - nachts um zwei einen Kompromiss zu präsentieren. Ohne ironisch zu werden: Was soll bei solchen Marathonsitzungen, die zur Übermüdung führen müssen, schon herauskommen? Ulla Schmidt spricht von einer "wirklich großen Reform", die Meinung der Oppositionsparteien lässt sich auf das Wort "Murks" verdichten. Betrachtet man nüchtern und mit Sach- und Fachverstand das Ergebnis, wird man nichts von einer großen Reform an dem Kompromisswerk finden können.

Das Herzstück der Reform, der Gesundheitsfonds, ist erst mal auf 2009 verschoben - bis dahin sind es noch mehr als zwei Jahre. (Was kann da in der Zwischenzeit alles passieren!) . Schon bald soll es dagegen mehr Wahlmöglichkeiten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geben. Die gemeinsame Presseerklärung von Merkel, Beck und Stoiber nennt hier beispielsweise die integrierte Versorgung, Hausarzttarife, Selbstbehalte und Kostenerstattung. Ist das wirklich etwas Neues?

Weniger Bürokratie für Leistungserbringer und Krankenkassen soll es geben: vereinfachte Abrechnungsverfahren, Abbau überflüssiger Kontrollen, Vereinfachung von Prüfverfahren. Glauben Sie daran? Vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, welche Instrumente gleichzeitig im Bereich der Leistungserbringer eingeführt werden sollen wie beispielsweise das Einholen einer Zweitmeinung, wenn ein Arzt hochinnovative und teure Arzneimittel verordnen will. Oder der Ausbau der Nutzenbewertung zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln, wobei dies nicht nach internationalen Standards geschehen soll.

Da alle in den vergangenen Wochen in erster Linie auf den Gesundheitsfonds und den Zusatzbeitrag von 1 Prozent gestarrt haben, waren die Neuregelungen bei den Leistungserbringern, so auch für die Apotheker kein Diskussionsthema. Mit anderen Worten: Alle Proteste (Ärzte) und Protestchen (Apotheker) haben bisher nichts genutzt, die Regierung scheint ihr Projekt hier durchziehen zu wollen, ohne mit den Leistungserbringern zu diskutieren. Das bedeutet, dass wir mit all den Instrumenten wie Verhandlungszwang mit Krankenkassen, um 500 Millionen Euro einzusparen, oder möglicher Verzicht auf Erhebung der Zuzahlungen rechnen müssen. Noch im Oktober sollen diese Teile der Reform verabschiedet werden. Gibt es da überhaupt noch eine Chance, ein Nachdenken, ein Nachbessern oder einen Stopp zu bewirken? Oder müssen wir uns eingestehen: So richtig Widerstand hat unsere Politik nicht gezeigt...

Peter Ditzel

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