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Gesundheitsreform: Trotz "Einigung" nimmt das Gezerre kein Ende
Die größten Probleme zwischen den Koalitionspartnern wurden bereits eine Woche zuvor im Kanzleramt ausgeräumt. Die danach noch bestehenden Differenzen - etwa über den Zusatzbeitrag - wurden nunmehr im Gesetzentwurf geklärt. So steht fest, dass Versicherte einen Zusatzbeitrag von bis zu acht Euro ohne Einkommensprüfung zahlen müssen. Sobald er mehr als acht Euro beträgt, greift die Überforderungsgrenze von einem Prozent des beitragspflichtigen Einkommens. Offen blieb hingegen, was geschieht, wenn ein ehemals Privatversicherter in den neuen Basistarif zurückkehrt, aber die Prämie nicht zahlen kann. Bislang heißt es im Gesetzentwurf lediglich, in solchen Fällen ,,stellen weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert werden". Im Koalitionsausschuss war die Einigung zu diesem Punkt bereits weiter gediehen.
Abstimmung mit den Ländern
Ob und in wie weit die von den Koalitionsspitzen ausgehandelten Kompromisse tragfähig in Gesetzestext umgesetzt wurden, wird nun geprüft. Am 17. und 18. Oktober soll der Referentenentwurf mit den Bundesländern und den beteiligten Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden. Am 24. Oktober geht er zur Beschlussfassung in die Koalitionsfraktionen und einen Tag später ins Kabinett. Sodann kann das eigentliche parlamentarische Gesetzgebungsverfahren beginnen.
Schon beginnt der Streit von neuem
Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) meldete bereits Änderungsbedarf an: "Das, was dort steht, widerspricht dem Sinn und Geist der Verhandlungen vom 4. Oktober", monierte sie in der "Financial Times Deutschland" (Ausgabe vom 13. Oktober). Gemeint ist die gesetzestechnische Ausgestaltung der so genannten Konvergenzklausel, die der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber in der letzten Verhandlungsnacht der Koalitionsspitzen durchgesetzt hatte.
Die Klausel soll die Belastungen der Bundesländer mit vielen gut verdienenden Krankenkassenmitgliedern durch den Gesundheitsfonds abmildern. Eine genaue Prüfung des Gesetzentwurfes kündigte auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger an. Sein hessischer Amtskollege Roland Koch zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Konflikte unter den Länderchefs ausgeräumt seien. Ähnlich äußerten sich der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus und der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust.
BMG fordert Verbände zur Mitarbeit auf
Während sich die Landesfürsten zusehends zuversichtlich geben, meutern die Verbände und Organisationen im Gesundheitswesen weiter gegen das Reformvorhaben der große Koalition. Am letzten Donnerstag hieß es, die GKV-Spitzenverbände, der PKV-Verband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die Ärzte und Zahnärzte lehnten es ab, der Einladung des Ministeriums zu folgen. Sie begründeten dies mit der kurzfristigen Einladung.
BMG-Sprecher Klaus Vater warb um Verständnis: Bei der Anhörung gehe es nicht um eine umfassende Bewertung des Referentenentwurfs. Vielmehr sollten Fachleute sachbezogene Hinweise zu den sie betreffenden Passagen geben. "Das ist auch innerhalb von vier Tagen möglich", sagte Vater. "Es gibt keinen Grund zu kneifen oder wegzubleiben." Tatsächlich ist von der Anhörung nicht allzu viel zu erwarten. So stehen beispielsweise für den Themenblock "Leistungserbringerrecht", der auch die im Arzneimittelbereich relevanten Regelungen umfasst, lediglich 1,5 Stunden Erörterungszeit zur Verfügung.
Das weitere Verfahren
Wann die Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages stattfinden wird, steht derzeit noch nicht fest. Voraussichtlich wird dies im Laufe des Novembers der Fall sein. Der erste Durchgang im Bundesrat könnte am 15. Dezember stattfinden, die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag wird noch im Jahr 2006 angestrebt. Als Termin für das Inkrafttreten des GKV-WSG ist der 1. April 2007 vorgesehen. Der Gesundheitsfonds mit dem neuen Finanzausgleich soll hingegen erst Anfang 2009 starten. Die Einsparungen durch das neue Gesetz werden auf jährlich 1,8 Mrd. Euro geschätzt. Im Jahr 2007 sollen 1,4 Mrd. eingespart werden. Darüber hinaus verspricht man sich von der Vielzahl der Strukturreformen "mittel- und langfristig ein zusätzliches Einsparpotenzial im erheblichen Umfang".
Was das GKV-WSG den Apothekern bringen soll
Höchst- statt Festpreise Die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel werden auf Höchstpreise umgestellt, die auf einem einheitlichen Herstellerabgabepreis aufsetzen: Ein Hersteller ist also verpflichtet, ein bestimmtes Arzneimittel stets zum gleichen Preis anzubieten. Die Rabatteinschränkungen des AVWG bleiben bestehen.
Rabattverträge Auch Apotheken sollen mit Herstellern Rabatte vereinbaren können. Die se sollen abzüglich eines Betrages in Höhe von 15 Prozent des Rabattbetrages (max. 15 Euro pro Packung) an die Kassen weitergeleitet werden (§ 130 Abs. 8 SGB V). Darüber hinaus steht es Apotheken frei, bei der Abrechnung von Arzneimitteln mit der Krankenkasse auf die Berechnung ihrer Handelszuschläge verzichten (130 Abs. 1 SGB V).
Erweitertes Aut-idem Apotheken müssen die Substitution wirkstoffgleicher Arzneimittel künftig durch Präparate vornehmen, für die oben erwähnte Rabattvereinbarungen bestehen. Wenn solche Rabattverträge nicht existieren, greift die alte Regelung. Weiter können Apotheken auf Landesebene vereinbarte Preise für Arzneimittel, die nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, sowie die auf Bundesebene vereinbarten Höchstpreise für Rezepturarzneimittel bei der Abrechnung mit der Krankenkasse unterschreiten (§ 129 Abs. 5 SGB V). Apotheken sollen auch auf die Erhebung der Versichertenzuzahlung verzichten können (§ 129 Abs. 5a SGB V). Die Abrechnung mit den Krankenkassen bleibt hiervon unberührt.
500 Mio. Euro zu sparen Insgesamt sollen Apotheken innerhalb eines Jahres 500 Mio. Euro zugunsten der GKV einsparen. Ob das Einsparziel tatsächlich erreicht wird, ist maßgeblich für die 2009 anstehende Anpassung des Apothekenrabattes. Sparen die Apotheken weniger, müssen sie damit rechnen, dass sich der derzeitige Rabatt von zwei Euro für verschreibungspflichtige Arzneimittel erhöht (§ 130 Abs. 1 SGB V).
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