Arzneimittel und Therapie

Hepatitis B: Tenofovir als therapeutische Alternative

Der nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmstoff Tenofovir (Viread®) könnte eine therapeutische Alternative für Patienten mit Hepatitis B sein, die auf die herkömmliche Therapie nicht ansprechen. Bisher wurde Adefovir (Hepsera®) gegen Hepatitis B eingesetzt. Jedoch reichen schon minimale Mutationen aus, um das Hepatitis-B-Virus gegen Adefovir resistent zu machen.

Wissenschaftler der Universitäten Gießen und Bonn haben zusammen mit Kollegen vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg herausgefunden, warum: Bei manchen Hepatitis-B-Viren ist das Erbgut minimal verändert. Dadurch sind sie von Natur aus gegen das Nukleotidanalogon Adefovir resistent. Als Alternative bietet sich jetzt Tenofovir an, das bisher hauptsächlich zur Behandlung von Aids-Patienten eingesetzt wird: In einer Studie drückte es die Konzentration der Virus-DNA im Blut auch bei den Patienten unter die Nachweisgrenze, die auf Adefovir nicht ansprachen.

Punktmutation als Resistenzursache

Weltweit sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO rund 400 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-B-–Virus infiziert. Die Erkrankung wird häufig chronisch – bei Kindern in rund neun von zehn Fällen. Gerade der chronische Verlauf ist gefährlich: Da die Leber immer wieder neuen Entzündungsschüben ausgesetzt ist, entwickeln viele Patienten im Laufe der Zeit eine Leberzirrhose. Eine häufige Spätfolge ist Leberkrebs. Es ist nur schwer möglich, eine chronische Leberentzündung zu heilen, da sich das Virus gewissermaßen im Körper versteckt, so der Bonner Virologe Dr. Oliver Schildgen, Mitautor der Studie. Bei der Behandlung kommt es daher vor allem darauf an, den Erreger langfristig an seiner Vermehrung zu hindern. Hier greifen die reversen Transkriptase-Hemmstoffe an, die dazu führen, dass sich keine vollständige neue Virus-DNA mehr bilden kann. In der Behandlung der Hepatitis B wurden dafür bisher Lamivudin und – bei Ausbildung von Resistenzen – Adefovir eingesetzt. Es verhindert ebenfalls die Virusvermehrung und führt nur selten zu neuen Resistenzen. "Einige Hepatitis-B-Virusstämme scheinen aber von Natur aus nicht auf Adefovir anzusprechen", so Schildgen. Zusammen mit der Arbeitsgruppe von der Universität Gießen hat der Bonner Wissenschaftler drei Patienten genauer untersucht, bei denen die Therapie mit Adefovir ohne Erfolg verlaufen war. Allen Testpersonen hatte man bereits vor Beginn der Behandlung eine Blutprobe entnommen und die Hepatitis-B-Viren darin untersucht. Bei allen drei Patienten wies die Virus-DNA an ein und demselben Punkt eine Mutation auf. Diese Veränderung im Erbgut scheint den Erreger natürlicherweise gegen Adefovir resistent zu machen.

Aids-Medikament als Alternative

Auch das HI-Virus verfügt über eine reverse Transkriptase, an die beispielsweise nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmstoffe wie Tenofovir angreifen. Da sie der reversen Transkriptase aus dem Hepatitis-B-Virus ähnelt, wirkt Tenofovir auch gegen den Erreger der Leberentzündung. Bislang ist der Arzneistoff aber noch nicht zur Behandlung von Hepatitis-Patienten zugelassen. Wenn Adefovir versagt, so sollte auch theoretisch Tenofovir ebenfalls nicht helfen – so zumindest die Erwartung der Wissenschaftler, eine Kreuzresistenz liegt nahe. Bei den drei Patienten der Studie versuchten die behandelnden Ärzte dennoch die Therapie mit Tenofovir. Sie funktionierte hervorragend: Bis zu 500 Millionen Kopien Hepatitis-B-DNA pro Milliliter fanden die Forscher nach Ende der erfolglosen Adefovir-Therapie im Blut ihrer Probanden. Die Tenofovir-Therapie drückte diesen Wert innerhalb von ein bis zwei Jahren unter die Nachweisschwelle von 30 Kopien pro Milliliter. Das Virus wird wahrscheinlich nicht komplett eliminiert werden, nach Absetzen der Therapie wird sich der Erreger wahrscheinlich wieder vermehren.

Zum Weiterlesen

Chronische Hepatitis B. Limitierter Benefit durch Adefovir. DAZ 2005, Nr. 51, S. 43–45. www.deutsche-apotheker-zeitung.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.