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Gesundheitsreform: Warnung vor Vertragschaos
Einer der Kernpunkte der Reform im Rahmen des GKV-WSG ist die Betonung der Vertragswelt in der Arzneimittelversorgung. So sollen an zahlreichen Angriffspunkten neue Anreize zu mehr Wirtschaftlichkeit geschaffen werden.
Birger Rostalski, Arzneimittelreferent im Verband der Angestellten-Krankenkassen, der sich selbst als "Vertreter einer aussterbenden Tierart" bezeichnete, umschrieb die zukünftige Situation wie folgt: "Man kann das mehr Wettbewerb nennen, man kann aber auch von einer Chaotisierung des Systems sprechen." Er wie auch Vertreter der Industrie, die sich wiederholt zu Wort meldeten, befürchten aufgrund der teilweisen Überlagerung und Konkurrenz der vielfältigen Regelungen ein regelrechtes Vertragschaos, wenn die Beteiligten das System tatsächlich umsetzen. Rostalski: "Da kann es einem schon schwindelig werden."
So kann zum Beispiel die Aut-idem-Regelung durch etwaig bestehende Rabattvereinbarungen stark eingeschränkt werden. Auch die Arzneilieferverträge würden demnächst erheblich mehr Verhandlungsspielraum beinhalten, bis hin zu einem völligen Außerkraftsetzen des bisher bestehenden Systems durch neue Einzelvereinbarungen. Als ein Beispiel führte Rostalski die Vergütung des Sprechstundenbedarfs an, die bis dato gemeinsam und einheitlich ausgehandelt wird. Hier könnte dann jede Apotheke selbst ihre Konditionen aushandeln.
Noch größere Intransparenz Seine Prognose im Hinblick auf die zukünftig noch größere Intransparenz stützt sich unter anderem auf die Erfahrungen, die mit den derzeit bereits möglichen Rabattoptionen gemacht würden. So wissen die Kassen nach seinem Bekunden zwar, wer Rabattvereinbarungen nach § 130 SGB V geschlossen hat, aber nicht, mit wem, geschweige denn, wie diese ausgestaltet sind.
Wackeln einheitliche Hersteller-Abgabepreise? Dr. Ulrich Reese von der Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer, Düsseldorf, sieht durch die größere Flexibilität auf der Ebene der Spannen und die weitere Lockerung des einheitlichen Apotheken-Abgabepreises über kurz oder lang auch den einheitlichen Hersteller-Abgabepreis zur Disposition gestellt. BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Mark Seidscheck zieht dies daneben längerfristig auch für die Festbeträge in Betracht.
BMG: 500 Mio.-Einsparung steht nicht zur Disposition Allem Gegenwind, mit dem sich das Gesundheitsministerium in den letzten Monaten konfrontiert sah, zum Trotz, glaubt der zuständige Referatsleiter "Arzneimittel in der GKV" im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Ulrich Dietz nicht, dass sich an den Grundzügen der Reform noch etwas ändert, und was sich ändern könnte, wird sich seiner Einschätzung nach erst im Februar des nächsten Jahres herauskristallisieren.
Dietz hält im Übrigen die anvisierte 500 Millionen-Euro-Einsparung über Rabattverträge der Apotheker – seiner Aussage zufolge keine bloßen "Einkaufskonditionen", sondern "Kassenauftrag" – durchaus für realistisch erreichbar und bekräftigte, dass die Regelung im weiteren Verfahren auch nicht zur Disposition steht.
Rechtliche Unwägbarkeiten Zu dem befürchteten Chaos haben sich schon jetzt rechtliche Unwägbarkeiten bezüglich der Praktiken einiger Kassen zur Erteilung von Rabattvereinbarungen eingestellt. So hatte der BAH kürzlich kartellrechtliche Bedenken gegen die Ausschreibung der AOKs geltend gemacht, wonach die Arzneimittel-Hersteller für 89 Wirkstoffe Angebote für Rabattverträge abgeben sollten. Wie Seidscheck berichtete, wurde die Beschwerde seines Verbandes mit der Begründung, die Kassen missbrauchten auf diese Weise ihre marktbeherrschende Stellung, vom Bundeskartellamt abgewiesen. Aufgeben wird der Verband hiernach allerdings noch lange nicht. Seidscheck kündigte vielmehr an, nach Klärung der Klagebefugnis des BAH weitere rechtliche Schritte einzuleiten.
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