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Börsen: Das Urvertrauen in den Anlagenotstand
Der EZB-Präsident sieht Risiken. Das ist nichts Neues. In seiner jüngsten Rede auf der Notenbank-Pressekonferenz legte EZB-Präsident Trichet aber seinen Schwerpunkt auf die Finanzmärkte, deren Risikoeinschätzung global "vielleicht auf einem Niveau sei, das nicht tragfähig ist." Mit anderen Worten: Die Kurse an den boomenden Finanzmärkten gehen an der gesamtwirtschaftlichen Realität vorbei. Seit Wochen bewegen sich die Märkte unter Hinweis auf die zahllosen Übernahmeaktivitäten und fehlenden Anlagealternativen nur noch in eine Richtung. Hier wünscht sich Trichet mehr Besonnenheit, damit die "notwendigen Anpassungen geordnet verlaufen". Ein frommer Wunsch. Aber "geordnete Anpassungen" sind nun mal der Börsen Sache nicht. In letzter Konsequenz wird der Notenbankpräsident wohl Recht behalten und die Börse wird es wieder auf die harte Tour lernen müssen.
Licht und Schatten im Börsenumfeld
Das globale Wirtschaftsbild sieht zur einen Hälfte strahlend aus. Insbesondere die asiatischen Absatzmärkte, die eher gebremst als gepusht werden müssen. Auf der anderen Seite sehen wir dagegen Unternehmen im Westen, die immer weniger von diesem Boom profitieren. Sie müssen in einem knallharten Wettbewerb bestehen, in dem man sich weitgehend nur noch gegenseitig Marktanteile wegnimmt. Das alles spiegelt sich wider in einem stark rückläufigen US-Bruttoinlandsprodukt und ersten Schwächesignalen am dortigen Arbeitsmarkt. Der Gang zur Zapfsäule fällt für den Durchschnittsamerikaner zunehmend schmerzlicher aus und von den Problemen am Immobilienmarkt hat man bis heute noch keinen Hinweis, wie tiefgreifend letztlich die volkswirtschaftlichen Konsequenzen sein werden. Alle warten und spekulieren auf eine Wiederbelebung, aber viele haben die Hoffnung auf die diesjährige Wende bereits aufgegeben. Kurzum eine Wirtschaft, die nicht schlecht genug ist, um in Trübsal zu verfallen, aber eigentlich auch nicht gut genug, um an der Börse Euphorie zu verbreiten. Währenddessen drängen die Liquiditätsströme weiter an die Börsen, als befänden sie sich in einer Einbahnstraße.
Beispiel Toyota
Phasenweise scheint sich am Markt der Glaube breit zu machen, dass die US-Volkswirtschaft zurückfällt, die Unternehmensergebnisse indes nicht davon betroffen seien. Dass dem nicht so ist, zeigt sich am Ergebnis des weltgrößten Automobilherstellers – Toyota. Im letzten Fiskaljahr konnten die Japaner ihren Gewinn noch um 20% steigern. In diesem Jahr waren es nur noch 0,4%, dem geringsten Gewinnanstieg seit über zehn Jahren. Grund: Der US-Absatzmarkt ist von plus 15% auf nunmehr 1,6% eingebrochen. Im Hause Toyota nennt man die Bedingungen in Amerika "ernst". Rund 60% des Unternehmensgewinns werden dort gemacht. Das sollte auch all jenen in Europa zu denken geben, die meinen, man könne die Verluste im Amerika mit Geschäften in Asien wieder wettmachen. Die Wahrheit ist: Ohne die Amerikaner geht nichts. Nirgendwo.
Der Ausblick: Erst Rückfall, dann Erholung
Die jüngsten Kursgewinne werden immer kleiner und deuten auf eine baldige Konsolidierung hin. Die Situation dürfte ähnlich wie im November letzten Jahres sein, als die Rückschläge zunahmen, der Aufwärtstrend aber in abgeflachter Form fortgesetzt wurde. Inzwischen hat sich der Bereich zwischen 7000 und 7100 Punkten als relativ fester Boden etabliert. Von dort aus sollten wieder Rückkäufe einsetzen, die Zuwächse dann aber moderater ausfallen und die Anfälligkeit für Korrekturen zunehmen. Am Ende würde es nicht überraschen, wenn der große Ausverkauf anstünde. Die aktuelle Hausse ernährt sich hauptsächlich von Übernahmeangeboten, deren Höhe sich wiederum nach den aktuellen Kursbewertungen richtet. Fallen die Kurse, platzt der Ballon. DAX vom 9. Mai (16.30 h): 7461 Punkte. .
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