Bis zu 600 Euro für überbuchte Flüge

(bü). Ein Theaterbesitzer, der weiß, dass von bestellten Eintrittskarten etwa 10 Prozent nicht genutzt werden, käme nicht auf die Idee, "vorsichtshalber" 10 Prozent mehr Karten zu verkaufen, als Plätze vorhanden sind. Offenbar anders handeln Luftfahrtunternehmen.
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Nur so ist es zu erklären, dass eine EU-Verordnung für diese Sanktionen vorgesehen hat. Die (vom Europäischen Gerichtshof abgesegnete) Verordnung verspricht Kunden, die wegen "Überbuchung" – aber auch wegen Annullierung oder Verspätung von Flügen – aus dem terminlichen Gleichgewicht kommen, eine finanzielle Entschädigung. Das gilt für die etablierten Gesellschaften wie für die sogenannten Billigflieger (wobei ihnen Strafzahlungen drohen, die den Flugpreis um ein Mehrfaches übersteigen können).

Wenn eine Maschine überbucht oder der Termin gestrichen worden ist, so richtet sich der Ausgleich, der neben der Erstattung des Tickets gezahlt wird, nach der Entfernung zum Zielflughafen:

  • 250 Euro werden fällig bei Flügen bis 1500 Kilometer.
  • Bei Strecken ab 1500 Kilometern innerhalb der EU und zwischen 1500 und 3500 Kilometern außerhalb der EU gibt es 400 Euro Ersatz.
  • Der Maximalbetrag von 600 Euro ist bei allen übrigen Flügen auszuschütten.

Ausnahmen bei der Annullierung:

Die Beträge stehen nicht zu, wenn der Flug mindestens zwei Wochen vor dem Starttermin abgesagt wurde, oder

der Fluggast über die Annullierung zwischen 14 und sieben Tagen vor der Abflugzeit unterrichtet wurde und ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten hat. (Es muss ihm dabei möglich sein, nicht mehr als zwei Stunden vor der Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens vier Stunden nach der geplanten Ankunftszeit zu erreichen.)

Die Kasse der Fluggesellschaft bleibt ebenfalls geschlossen, wenn über die Annullierung weniger als sieben Tage vor dem Abflug informiert und ein Angebot gemacht wird, das dem Fluggast zusichert, nicht mehr als eine Stunde vor der geplanten Abflugzeit abzufliegen und den Zielflughafen höchstens zwei Stunden nach Plan zu erreichen.

Was die Kosten für das verfallene Ticket angeht, hat der Kunde mehrere Wahlmöglichkeiten:

  • Der Preis für den Flugschein wird innerhalb von sieben Tagen erstattet.
  • Die Reise wird zum frühest möglichen Zeitpunkt mit einem anderen Flieger durchgeführt.
  • Der Flug wird zu einem späteren Zeitpunkt wahrgenommen.

Zusätzlich hat die Fluggesellschaft die Hotelkosten zu übernehmen, falls eine Übernachtung erforderlich werden sollte. Daneben muss der Kunde die Möglichkeit haben, kostenlos zwei Telefongespräche, Faxe oder E-Mails abzusetzen. Für Erfrischungen und Mahlzeiten muss ebenfalls gesorgt werden.

Verspätungen

Entschädigungsleistungen muss die Fluggesellschaft ihren Passagieren auch dann zukommen lassen, wenn der Flug nur mit Verspätung angetreten werden kann.

Ist abzusehen, dass sich der Abflug

  • bei Flügen über eine Entfernung von bis zu 1500 Kilometern um mindestens zwei Stunden – oder
  • bei allen Flügen innerhalb der EU über eine Entfernung von mehr als 1500 Kilometern – und bei anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 und 3500 Kilometern – um mindestens drei Stunden – oder
  • bei allen anderen Flügen um mindestens vier Stunden

gegenüber der geplanten Abflugzeit verzögert, so muss die Fluggesellschaft für das "leibliche Wohl" ihrer Gäste sorgen (Erfrischungen, Mahlzeiten etc.). Beträgt die Verspätung mindestens fünf Stunden, so kann der Kunde kostenlos vom Flug zurücktreten.

Nicht zahlungspflichtig ist die Airline, wenn sie sich auf "höhere Gewalt" berufen kann, etwa wenn ein Hurricane den Start unmöglich macht.

Zu Zahlungen verurteilt wurden Luftfahrtunternehmen in folgenden Fällen:

Auch wenn ein Flugunternehmen den um einen Tag verspäteten Flug (hier von Stuttgart nach Mailand) mit "technischen Problemen" begründet, ist es den Passagieren zu einer Ausgleichszahlung ("Schmerzensgeld") von 250 Euro verpflichtet. Dies auch dann, wenn die Gesellschaft pauschal behauptet, dass das Flugzeug "regelmäßig gewartet" worden sei. Das reicht nicht, so das Gericht: Es müsste schon dargelegt werden, "wann die eingesetzte Maschine nach welchen Vorschriften und mit welchem Ergebnis durch wen gewartet worden ist und warum angesichts dieser Wartung gerade der konkrete Defekt unvermeidbar und unvorhersehbar" gewesen sei.

(Amtsgericht Köln, 118 C 595/05)

Fluggesellschaften, die ihre Passagiere wegen mangelhaft besetzter Abfertigungsschalter nicht rechtzeitig einchecken, so dass die gebuchte Maschine nicht mehr erreicht wird, müssen Schadenersatz leisten. (Hier hatte das Unternehmen wegen eines überbuchten Fluges 400 Euro an zwei Schüler zu zahlen, die ordnungsgemäß 90 Minuten vor dem Abflug am Flughafen erschienen waren, aber in einer endlos langen Schlange mit ansehen mussten, dass nur ein einziger Schalter geöffnet war. Als sie an der Reihe waren, war der Flug bereits geschlossen, weil die Maschine "voll besetzt" war. Das Amtsgericht Erding musste erst bemüht werden, um die Airline auf das seit Februar 2005 geltende neue Entschädigungsrecht aufmerksam zu machen.) (Az.: 4 C 309/06)

Hat ein Kunde mit einer Fluggesellschaft, die in Dubai zugelassen ist, einen Flug von Düsseldorf nach Dubai/Manila und zurück gebucht, wird aber der Rückflug einen Tag später als vorgesehen unter einer anderen Flugnummer durchgeführt, so steht ihm wegen "Annullierung" seines Fluges eine Entschädigung ("Ausgleichsanspruch") in Höhe von 600 Euro zu. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Rückflug außerhalb der EU angetreten wurde und das Luftfahrtunternehmen seinen Betriebssitz nicht in Deutschland hat. Denn die – "einheitliche" – Flugreise hatte in Düsseldorf "begonnen". (Amtsgericht Frankfurt am Main, 1565/06-25) (Entgegengesetzt urteilte eine andere Kammer desselben Gerichts in einem identischen Fall unter dem Aktenzeichen 32 C 1503/06-84.)

Das bisher Beschriebene gilt auch für Pauschalreisende – mit dem Unterschied, dass sich der Reiseveranstalter um den Ersatzanspruch kümmern muss und gegebenenfalls entsprechende Beträge an seine Kunden weiterzuleiten hat..

Wie kommen geprellte oder verhinderte Reisende zu ihrem Recht?

Der erste Weg führt zur Fluggesellschaft – am besten noch am Check-in. Hilft das nicht weiter, steht der Klageweg offen, besser aber vorher noch der Gang zur "Schlichtungsstelle Mobilität" in 10923 Berlin, Postfach 61 02 49, Tel. 030/4699700, E-Mail: schlichtungsstelle@vcd.orgwww.schlichtungsstelle-mobilitaet.org. Deren (kostenloser) Vorschlag ist weder für den Reisenden noch für die Fluggesellschaft verbindlich. Anschließend kann also immer noch "Richterrat" eingeholt werden ...

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