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Interpharm Hamburg
Rationale Einnahmemodalitäten
Ob ein Arzneimittel wirkt, hängt entscheidend von der Applikationsweise ab. Ein wichtiger Parameter ist dabei der Einnahmezeitpunkt. Beipackzettel, Fachinformation und Datenbanken liefern hierzu Informationen. Doch entsprechen sie dem aktuellen Erkenntnisstand? Dieser Frage ging Prof. Dr. Werner Weitschies, Greifswald, in seinem Vortrag nach.
Was ist der richtige Einnahmezeitpunkt? Dies ist eine der wichtigsten Fragen in der Apotheke. Immerhin hängt davon entscheidend die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs und damit seine Wirksamkeit ab.
Generell sind Einflüsse des Einnahmezeitpunkts, insbesondere Food-Effekte, umso ausgeprägter, je geringer die absolute Bioverfügbarkeit des jeweiligen Arzneistoffs ist. Außerdem gilt: Arzneistoffe mit starker Dünndarmresorption sollten in der Regel mit dem Essen eingenommen werden. Ist ein schneller Wirkeintritt erwünscht, was eine rasche Magenpassage erfordert, sollte die Einnahme nicht nach dem Essen erfolgen. Arzneistoffe mit Wirkung auf das Verdauungssystem oder den Glucosestoffwechsel werden in der Regel mit dem ersten Bissen eingenommen.
Allerdings hängt der richtige Einnahmezeitpunkt auch erheblich von der Arzneiform ab, was jedoch laut Weitschies häufig ignoriert wird. Die Arzneiform beeinflusst in der Regel die gastrointestinale Transitzeit. Es kann zu Modifizierungen der Wirkstofffreisetzung bis hin zur unkontrollierten schlagartigen Freisetzungen (Dose-dumping) kommen. Für Food-Effekte besonders anfällig sind alle Arzneiformen mit einer modifizierten Wirkstofffreisetzung. Das gilt besonders für Monolithe. Prinzipiell sollten nichtzerfallende magensaftresistente Arzneiformen nur nüchtern eingenommen werden, denn aufgrund ihrer Größe können sie postprandial nicht aus dem Magen entleert werden.
Vor, zum oder nach?
Allerdings werden solche Grundsätze nicht durchgängig umgesetzt, wie Weitschies feststellte. Ein Beispiel ist die teilweise noch anzutreffende Empfehlung, monolithische magensaftresistente NSAR-Präparate nicht auf nüchternen Magen einzunehmen, was dem Behandlungsziel einer schnellen Schmerzlinderung zuwiderläuft.
Am Beispiel von Amoxicillin zeigte Weitschies auf, dass die galenische Formulierung eine präzise Angabe des Einnahmezeitpunkts erfordert. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Schnell freisetzende Amoxicillin/Clavulansäure muss zu Beginn einer Mahlzeit eingenommen werden, um eine rasche Entleerung in den oberen Dünndarm und damit eine gute Bioverfügbarkeit zu gewährleisten. Eine Einnahme nach dem Essen hätte eine zu lange Verweildauer im Magen zur Folge. Die Clavulansäure wird zersetzt. Untersuchungen mit einer im Zulassungsverfahren befindlichen Zweischicht-Retardformulierung von Amoxicillin/Clavulansäure haben gezeigt, dass die nüchterne Einnahme die Bioverfügbarkeit von Amoxicillin einschränkt und durch den Weitertransport in den Dickdarm Verträglichkeitsprobleme bereiten kann.
Eine Untersuchung zu Nifedipin-Retardtabletten ergab, dass bei älteren Präparaten immer noch eine Einnahme nach dem Essen empfohlen wird, was überschießende Plasmaspitzen provozieren kann. Empfehlenswert sei – auch bei einer zweimal täglichen Gabe – die Nüchterneinnahme.
Chronopharmakologische Aspekte
Weitschies kritisierte auch eine unzureichende Berücksichtigung circadianer physiologischer Rhythmen auf die Arzneimittelwirksamkeit. Eine tageszeitadaptierte Arzneimittelgabe ist z. B. bei den Statinen wichtig. Ihr Anflutverhalten sollte an das nächtliche Maximum der Cholesterinsynthese angepasst sein. Grundsätzlich verspricht eine abendliche Gabe eine hohe Effektivität. Wird eine morgendliche Einnahme gewünscht, sollte man zu Retardformen greifen. we
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