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Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel

Der Apothekenmarkt hat sich gewandelt – und die Diskussionen darüber gehen weiter. Spätestens mit dem Inkrafttreten des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetzes (GMG) zum 1. Januar 2004 und dem Wegfall der Erstattungsfähigkeit für viele OTC-Präparate haben Apotheken und Pharmaindustrie einen nicht unbedeutenden Teil ihres früheren Umsatzes verloren. Der OTC-Markt konnte sich von diesem Einbruch nicht erholen; auch 2006 war er nach Wert (- 3%) und Packungen (- 4%) rückläufig. Demgegenüber gewinnen Gesundheitslebensmittel wie Nahrungsergänzungsmittel weiter an Gewicht. Auch wenn ihr Absatz nach Packungen 2006 um 3% sank, so hat ihr Umsatz im gleichen Zeitraum um 5% zugenommen, ein Indiz für eine zunehmende Bedeutung höherwertiger Produkte.

Der Trend des Apothekenmarktes zu Nicht-Arzneimitteln ist unverkennbar und wird nicht nur durch die gesundheitsökonomischen Rahmenbedingungen forciert. Die Kosten und die lange Zeit für die Zulassung neuer Arzneimittel haben Dimensionen erreicht, die immer mehr Unternehmen nach schnelleren, preiswerteren und vor allem auch flexibleren Wegen suchen lässt, um alternativ zu dieser Kategorie neue Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. Auf ein besonderes Interesse sind dabei neben Medizinprodukten die Erzeugnisse gestoßen, die rechtlich den Lebensmitteln zuzuordnen sind, in ihrer Erscheinung als Tablette, Kapsel oder ähnliche Darreichung aber noch eine "pharmatypische" Anmutung besitzen. In erster Linie sind dies Nahrungsergänzungsmittel (NEM), daneben aber auch zunehmend diätetische Lebensmittel (DL), vor allem in der besonderen Form der ergänzenden bilanzierten Diäten (EBD).

Auch wenn Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel wie die ergänzenden bilanzierten Diäten inzwischen zum unverzichtbaren Sortiment jeder Apotheke zählen, herrscht vielerorts Verunsicherung darüber, wie die Produkte einzuordnen sind, welchen rechtlichen Vorgaben sie genügen müssen und was sie in naturwissenschaftlicher Hinsicht leisten können. Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel müssen als Lebensmittel nicht die Anforderungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) erfüllen und bedürfen insbesondere keiner Zulassung. Denn während bei Arzneimitteln ein Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt gilt (der Vertrieb von Arzneimitteln ist generell verboten, sofern keine Zulassung vorliegt), werden Lebensmittel grundsätzlich nach dem Missbrauchsprinzip in Verkehr gebracht. Ein Lebensmittel kann im Grundsatz – so wie z. B. Brot, Rotwein oder Pilsbier – jederzeit und ohne vorherige behördliche Genehmigung hergestellt und vertrieben werden. Das darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei Arzneimitteln alles verboten und bei Lebensmitteln alles erlaubt ist! Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln sind zahlreiche Anforderungen und verschiedene Verbote zu beachten; sie sind in Deutschland vor allem in der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) [1] bzw. der Diätverordnung (DiätV) [2] niedergelegt. Darüber hinaus gelten die grundsätzlichen Vorgaben, wie sie sich für alle Arten von Lebensmittel ergeben [3]. Dabei ist eine Vielzahl von Rechtsnormen zu berücksichtigen, bei denen bereits die Akronyme Verwirrung stiften können (Tabelle 1). Nachfolgend sollen zunächst die wesentlichen rechtlichen Anforderungen allgemeiner Art sowie die speziellen Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel vorgestellt werden. Aus Gründen des Umfangs kann dies nur schlaglichtartig und in stark komprimierter Form erfolgen. Für eine detailliertere Darstellung sei auf die vertiefende Literatur verwiesen [4].

In der Apothekenpraxis besonders brisant ist zunächst die Frage, ob ein als Lebensmittel vermarktetes Produkt auch wirklich Lebensmittel ist. Nicht selten werden Erzeugnisse als Nahrungsergänzungsmittel oder auch als diätetische Lebensmittel angeboten, die tatsächlich gar keine Lebensmittel sind, sondern als (nicht zugelassene) Arzneimittel eingestuft werden müssen; ihre Abgabe an Kunden stellt einen objektiven Straftatbestand dar.

Was unter einem Lebensmittel zu verstehen ist, ergibt sich aus der europäischen Lebensmitteldefinition in Art. 2 der europäischen Lebensmittel-Basisverordnung (VO) EG/178/2002; dem "Grundgesetz" des europäischen Lebensmittelrechts [5]. Danach sind Lebensmittel sehr allgemein definiert als alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie … von Menschen aufgenommen werden. Bei einer so umfassenden Definition war es notwendig, bestimmte Produkte explizit vom Lebensmittelbegriff auszuschließen, u. a. Arzneimittel. Es ist deshalb systematisch zunächst zu prüfen, ob ein Produkt Arzneimittel ist. Nur wenn das nicht der Fall ist, kann es sich überhaupt um ein Lebensmittel handeln. Ob ein Arzneimittel vorliegt, wird nicht nur an § 2 AMG festgemacht, sondern auch am europäischen Arzneimittelbegriff aus Art. 1 der Arzneimittel-Richtlinie 2001/83/EG i.d.F. der RL 2004/27/EG [6]. Danach sind Arzneimittel: a) Alle Stoffe …, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder b) alle Stoffe …, die … die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung … beeinflussen … Die unter a) genannten Produkte sind auch als "Präsentations- oder Bezeichnungsarzneimittel" bekannt, die unter b) als Funktionsarzneimittel.

Bei der Abgrenzung der Lebensmittel von den Arzneimitteln spielt die Verkehrsauffassung von der Zweckbestimmung die entscheidende Rolle. Entsteht beim Verbraucher, im Streitfall beim Richter, der Eindruck, dass es sich um ein Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten handelt, so folgt regelmäßig die Einstufung als Arzneimittel [7]. Dabei werden nicht nur Zusammensetzung und Verpackung des Produktes beurteilt, auch Werbematerialien und sonstige Informationen und Darstellungen finden Berücksichtigung, ebenso wie die Erkenntnisse der Wissenschaft zu dem Produkt [8, 9, 10]. Wie unterschiedlich dabei gleiche Sachverhalte beurteilt werden, zeigt die aktuelle juristische Entscheidungspraxis zur Frage, inwieweit zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus angebotene Kapselprodukte mit Zimt als (diätetische) Lebensmittel oder als Arzneimittel anzusehen sind. Während das LG Bielefeld ein entsprechendes Präparat als Lebensmittel eingeordnet hat [11], meinte das LG Hannover in einem Parallelfall, es handele sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Arzneimittel [12]. In beiden Streitigkeiten laufen die Berufungsverfahren. Inzwischen hat das OLG München in einem weiteren Fall einer Zimtkapsel ebenfalls auf "Lebensmittel" entschieden [13].

Selbst wenn die Zweckbestimmung keinen Hinweis auf die Heilung oder Verhütung von Krankheiten enthält, kann ein Produkt als Arzneimittel eingestuft werden, und zwar immer dann, wenn es pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch wirkt. Was unter diesen Begriffen zu verstehen ist, wird schon seit längerem kontrovers diskutiert [14, 15]. Die Abgrenzung soll dabei an objektive Kriterien anknüpfen, was aber schon deshalb nicht gelingen kann, weil in naturwissenschaftlicher Hinsicht gerade in den für die Praxis bedeutsamen Grenzfällen keine objektivierbaren Kriterien bestehen. Worin sich also eine für Arzneimittel typische pharmakologische Wirkung von der ernährungsphysiologischen Wirkung eines Lebensmittels unterscheidet, ist längst nicht klar. Der Wissensfortschritt der letzten Jahre hat nämlich gezeigt, dass auch Lebensmittel Wirkungen besitzen, die früher nur von Arzneimitteln bekannt waren (z. B. Enzyminduktion oder -hemmung, Rezeptorblockaden, Veränderungen der Genexpression) [16, 17]. Letztlich bleibt nur die allgemeine und in den meisten Einzelfällen wenig greifbare Feststellung, dass die pharmakologische Wirkung eines Arzneimittels sich von der ernährungsphysiologischen Wirkung eines Lebensmittels dadurch unterscheidet, dass sie über das hinausgeht, was auch mit Ernährung erreicht werden kann [18]. Bei so viel unklaren Begriffen ist leicht verständlich, dass Produkte im Grenzbereich von Behörden und Gerichten – je nach Standpunkt – sehr unterschiedlich beurteilt werden und eine klar erkennbare Rechtssicherheit im Gegensatz zu zugelassenen Arzneimitteln nur selten bestehen kann.

Sicherheit von Lebensmitteln

Dass Arzneimittel Risiken und Nebenwirkungen besitzen können, ist hinlänglich bekannt. Bereits bei der Erteilung einer Arzneimittelzulassung wird deshalb eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen. Bei Lebensmitteln – und damit auch bei Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln – ist das im Grundsatz anders, vor allem weil es kein Zulassungsverfahren gibt. Hier wird der erforderliche Gesundheitsschutz durch ein generelles Verbot gewährleistet. Das Herstellen und Inverkehrbringen nicht sicherer Lebensmittel ist nach Art. 14 Abs. 1 BasisV und § 5 LFGB untersagt; das betrifft sowohl gesundheitsschädliche als auch verzehrsungeeignete Produkte. Verstöße gegen diese Verbote sind strafrechtlich sanktioniert.

Eine Gesundheitsgefahr darf aus diesem Grund weder von Zutaten im Allgemeinen drohen, noch von der speziellen Kombination der Zutaten bzw. der jeweiligen Matrix, in der einzelne Substanzen vorliegen. Das betrifft sowohl den Einsatz bestimmter Stoffe als auch deren Dosierungen [3]. Wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel nicht sicher ist, dann können die zuständigen Behörden – auch wenn das Produkt den geltenden Bestimmungen entspricht – Maßnahmen treffen, um das Inverkehrbringen zu verhindern oder die Rücknahme vom Markt zu verlangen. Tatsächlich passiert es dabei in Einzelfällen auch immer wieder, dass besonders eifrige Lebensmittelkontrolleure die Regale einer Apotheke leer räumen.

Die Sicherheitsbewertung von Zutaten für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel ist dabei nicht immer ganz einfach. Relativ klar ist die Situation bei den Stoffen, die explizit für den jeweiligen Zweck zugelassen sind. So listet Anlage 2 NemV Vitamine und Mineralstoffe auf, die in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden dürfen. In Anlage 2 DiätV sind Stoffe aufgeführt, die bei der Herstellung von diätetischen Lebensmitteln erlaubt sind. Neben Vitaminen und Mineralstoffen umfasst diese Zulassung u. a. Aminosäuren, Nucleotide, Taurin, Carnitin- und Cholinverbindungen. Entgegen einer immer noch weit verbreiteten Auffassung gibt es für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln bislang keine verbindlichen Vorgaben für Höchstmengen, insbesondere gilt nicht die oft zitierte "Dreifachregel" [19]. Zu berücksichtigen sind allerdings die üblichen Kriterien – die enthaltenen Dosierungen dürfen nicht pharmakologisch wirken und sie dürfen die Gesundheit nicht gefährden.

Schwierig gestaltet sich die Sicherheitsbewertung von anderen Stoffen, die in Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln Verwendung finden. Insbesondere im Hinblick auf die inzwischen allgegenwärtigen pflanzlichen und auch tierischen Extrakte ist folgendes zu beachten: Aus der erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit eines komplexen Lebensmittels kann nicht automatisch geschlossen werden, dass auch jeder daraus gewonnene Extrakt unbedenklich ist. Da Lebensmittel normalerweise sehr komplex zusammengesetzt sind, ergeben sich zahlreiche Interaktionen zwischen den verschiedenen Inhaltsstoffen. Hierdurch kann ein – erwünschter wie auch unerwünschter – Stoff in seiner Freisetzung und auch in seiner Wirkung erheblich verändert werden. Wirkungen und auch Nebenwirkungen eines Stoffes im Lebensmittelverbund sind daher nicht zwangsweise mit den Effekten identisch, die derselbe Stoff in (weitgehend) isolierter Form aufweist [4, 20].

Im Gegensatz zu Arzneimitteln finden sich bei Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln keine Vorgaben über die Extraktbeschaffenheit oder Standardisierung [21]. Wenn also in einem Produkt als Zutat z. B. "catechinreicher Grünteeextrakt", "isoflavonhaltiger Sojaextrakt" oder "Zimtextrakt" deklariert ist, so kann es sich dabei jeweils um im Detail höchst unterschiedliche Zubereitungen handeln, die im Hinblick auf die erwünschten Wirkungen und möglichen Risiken untereinander in keiner Form vergleichbar sein müssen. Deutlich wird dieses Phänomen beispielsweise bei Sojaextrakten mit Isoflavonen. Schon beim Blick in oftmals dürftige Extraktspezifikationen der Hersteller wird deutlich, dass diese Substanzen sich nicht nur im absoluten Gehalt an Isoflavonen unterscheiden, sondern auch in deren Relation, etwa dem Verhältnis von Glycosiden und Aglyconen sowie dem verwendeten Extraktionsmittel. Das ist auch der Grund dafür, warum mit einem Extrakt gewonnene Daten zu bestimmten Wirkungen nicht notwendigerweise auf alle anderen Extrakte übertragbar sind (zum Beispiel Zimtextrakte siehe [22]). Und es ist somit verständlicherweise auch keinesfalls möglich, aus der Unbedenklichkeit eines Extraktes auf die aller Extrakte zu schließen. So können nämlich Untersuchungen über die Sicherheit von Sojaextrakt AB1 in einer Dosis von 20 mg/d letztlich nicht als Nachweis dafür gelten, dass Sojaextrakt BC2 in einer Dosis von 100 mg/d ebenfalls sicher sein muss. Wegen der inzwischen weiten Verbreitung von Extrakten in Lebensmitteln wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen Kriterien erstellt, die als Maßstab für die Bewertung von Extrakten herangezogen werden könnten [23, 24].

Zusatzstoffe

Nicht nur bei Extrakten, sondern im Grundsatz bei allen Stoffen und Stoffgemischen, die in Lebensmitteln eingesetzt werden, ist ein weiterer, besonders schwer verständlicher Aspekt zu berücksichtigen [3]. Denn es ist keineswegs so, dass jeder in Lebensmitteln oder sonst in der Natur oder im Labor vorkommende Stoff auch automatisch in Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln eingesetzt werden darf. Generell gilt zwar im deutschen wie auch im europäischen Lebensmittelrecht auch hier das bereits erwähnte Missbrauchsprinzip – national allerdings mit erheblichen praktischen Einschränkungen. Frei verwendbar sind andere Lebensmittel, z. B. Fischöl oder Tomatenpulver. Nicht ohne weiteres verwendet werden dürfen hingegen Zusatzstoffe. Sie unterliegen dem Zulassungsprinzip, d. h. ihr Einsatz als Lebensmittelzutat ist generell verboten, sofern er nicht ausdrücklich zugelassen ist.

An dieser Stelle liegt bei der Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln ein bedeutsames Problem. Während nämlich auf europäischer Ebene nur Stoffe als Zusatzstoffe gelten, die Lebensmitteln zu technologischen Zwecken zugesetzt werden, erfasst der im deutschen Recht verankerte Zulassungsvorbehalt zusätzlich auch zahlreiche andere Stoffe, die gemäß § 2 Abs. 3 LFGB den Zusatzstoffen gleichgestellt sind [25]. Das betrifft explizit sämtliche Mineralstoffverbindungen, alle Aminosäuren sowie die Vitamine A und D. Das heißt, dass diese Stoffe grundsätzlich nicht bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel gibt es aber Ausnahmen hiervon: So sind die in Anlage 2 NemV und Anlage 2 DiätV genannten Vitamine (einschließlich A und D) und Mineralstoffe für diese beiden Produktkategorien zugelassen, aber eben auch nur die dort aufgeführten Verbindungen. Aminosäuren dürfen demzufolge nur in diätetischen Lebensmitteln verwendet werden. In Nahrungsergänzungsmitteln ist ihre Verwendung grundsätzlich verboten, sofern nicht Ausnahmeregelungen greifen. Das nationale Verbot ist im Hinblick auf seine europarechtliche Konformität bereits seit längerem Gegenstand kontroverser Diskussionen. Bislang liegt allerdings noch keine Rechtsprechung vor, wonach dieser deutsche Alleingang unzulässig wäre. Dementsprechend sind die Vorschriften daher derzeit ohne Zweifel anzuwenden, wie dies z. B. für das Verbot von Aminosäuren in Nahrungsergänzungsmitteln jüngst vom OLG Köln bestätigt wurde [26].

§ 2 Abs. 3 LFGB stellt allerdings auch zahlreiche andere Stoffe den Zusatzstoffen gleich, sofern sie zu ernährungsphysiologischen oder diätetischen Zwecken Verwendung finden. Damit sind viele Substanzen, die heute in Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln als wertgebende Bestandteile eingesetzt werden, rechtlich problematisch. Hier seien beispielsweise pflanzliche sowie tierische Extrakte genannt [21], ebenso selektiv angereicherte oder isolierte Stoffe wie z. B. Lycopin, Lutein, Isoflavone, Chondroitinsulfat oder Glucosaminsulfat. Stets zulässig ist die Verwendung von Lebensmitteln als Zutat zur Herstellung eines Nahrungsergänzungsmittels oder eines diätetischen Lebensmittels. Stoffe wie Fischöl mit Omega-3-Fettsäuren oder Tomatenpulver mit Lycopin dürfen also immer eingesetzt werden, weil sie keine Zusatzstoffe sind. Isolierte Omega-3-Fettsäuren und Lycopin können hingegen als Zusatzstoffe gelten. Der Übergang von der erlaubten lebensmitteltypischen Zutat zum verbotenen Zusatzstoff ist insbesondere bei Extrakten fließend und muss im Einzelfall beurteilt werden. So ist ein wässriger Grünteeextrakt zulässig, der durch Trocknung des aufgebrühten Teegetränks hergestellt wird, weil er letztlich nichts anderes darstellt als den Tee selbst. Ein Grünteeextrakt mit 90% Polyphenolen ist hingegen faktisch als Reinstoff mit Restbeimengungen von anderen Grünteebestandteilen und daher als Zusatzstoff anzusehen – mit dem ursprüglichen Lebensmittel hat er praktisch keine Gemeinsamkeiten [21].

Aber auch (weitgehend) isolierte Substanzen sind nicht immer zulassungspflichtig. Zulassungsfrei bleiben sie aufgrund von § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB als sog. Nichtzusatzstoffe nämlich dann, wenn sie sowohl natürlicher Herkunft sind (oder chemisch gleich), als auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nährwerts verwendet werden [3]. Diese Bestimmung sei an zwei Beispielen kurz erläutert. Das inzwischen weit verbreitete Carotinoid Lutein ist, auch wenn es üblicherweise aus Tagetes erecta (kein Lebensmittel!) gewonnen wird, ein natürlicher Stoff, der in Lebensmitteln so eingesetzt wird, wie er in der Natur – und auch Lebensmitteln – vorkommt. Die erste Bedingung für die Ausnahme ist damit erfüllt. Ob Lutein eingesetzt werden darf, hängt nun also davon ab, welche Verkehrsauffassung zu diesem Stoff besteht, denn nicht jeder Stoff, der in einem Lebensmittel vorkommt, ist automatisch auch Nährstoff. Hier kann im Fall von Lutein inzwischen durchaus der Standpunkt vertreten werden, dass dieser Stoff auch wegen seines Nährwertes bekannt ist und verwendet wird. Jedenfalls finden sich heute in vielen gängigen Lehrbüchern von Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin Ausführungen zur ernährungsphysiologischen Bedeutung von Lutein, was als ein Indiz für eine derartige Verkehrsauffassung herangezogen werden kann. Unter dieser Annahme ist auch die zweite Bedingung für die Ausnahme erfüllt: Lutein ist dann kein Zusatzstoff und kann ohne Zulassung zu ernährungsphysiologischen Zwecken verwendet werden. Anders verhält es sich hingegen im Fall von Glucosaminsulfat, das meist aus Krabbenschalen oder ähnlichen Rohstoffen gewonnen wird. Dort findet es sich üblicherweise als Polyglucosamin des Chitinpanzers. Erst bei der aufwändigen Herstellung über verschiedene Verfahren unter Verwendung von organischen Lösungsmitteln und Schwefelsäure entsteht schließlich Glucosaminsulfat (bzw. Glucosaminhydochlorid bei Verwendung von Salzsäure). Glucosaminsulfat fehlt damit bereits die erste Voraussetzung um von den Zusatzstoffen ausgenommen zu werden; der Stoff ist in dieser Form nicht natürlicher Herkunft, denn er kommt so gar nicht vor. Auch eine Verkehrsauffassung, wonach Glucosaminsulfat einen Nährwert besitzt, besteht gegenwärtig nicht. Die anerkannte ernährungswissenschaftliche Literatur oder Fachgremien wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung erwähnen Glucosaminsulfat in keiner Form als Nährstoff bzw. überhaupt. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass das LG Hamburg, das sich als erstes Gericht vertieft mit dieser Frage beschäftigt hat, inzwischen mehrere, allerdings noch nicht rechtskräftige Entscheidungen gegen Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosaminsulfat wegen Verstoßes gegen das Zusatzstoffverbot erlassen hat.

Werbung

Wie jedes Produkt bedürfen auch Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel einer Bewerbung, die ihre Eigenschaften und Vorteile herausstellt. Nicht immer ist aber das möglich, was aus Herstellersicht wünschenswert erscheint. Bisher gilt auch bei der Werbung für Lebensmittel das Missbrauchsprinzip: Im Grundsatz sind alle Aussagen möglich, sofern sie nicht gegen bestimmte allgemeine Vorgaben verstoßen. Dabei sind vor allem zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen gilt das Irreführungsverbot in seiner besonderen Form des Verbots der Werbung mit wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Wirkaussagen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB), zum anderen besteht bei Lebensmitteln ein generelles Verbot der krankheitsbezogenen Werbung (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB).

Dieses Rechtsprinzip ändert sich in naher Zukunft grundlegend. Mit der ab 1. Juli 2007 geltenden europäischen Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (EG) Nr. 1924/2006 (Health Claims VO) wird die gesamte Lebensmittelwerbung – weltweit einmalig – unter ein Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt gestellt [27]. Nach Ablauf verschiedener Übergangsfristen dürften dann ab 1. Juli 2009 nur noch solche Werbeaussagen getätigt werden, die zuvor von der Europäischen Kommission zugelassen wurden. Wie sich dieses gigantische und überaus bürokratische Gesetzgebungsvorhaben im Detail auswirkt, welche wissenschaftlichen Anforderungen an solche Werbeaussagen zu stellen sind und welche Aussagen zunächst in Form einer europäischen Gemeinschaftsliste zugelassen werden, kann derzeit kaum abgeschätzt werden. Ausgenommen von der Health Claim VO sind nur deklaratorische Pflichtangaben auf Produktverpackungen, wie sie sich z. B. aus § 4 NemV für Nahrungsergänzungsmittel ergeben. Weiterhin erlaubt bleiben auch die Krankheitsangaben für diätetische Lebensmittel nach § 3 DiätV und § 21 DiätV. Hierdurch ist es bereits jetzt und abweichend vom generellen Krankheitswerbeverbot möglich bzw. sogar notwendig, Lebensmittel eben doch mit Angabe einer Krankheit in Verkehr zu bringen. Die sich aus Marketingsicht ergebenden Vorteile liegen auf der Hand und erklären das zunehmende Interesse der Hersteller an diätetischen Lebensmitteln.

Anforderungen anNahrungsergänzungsmittel

Obwohl Nahrungsergänzungsmittel oder in ähnlicher Weise bezeichnete Produkte (z. B. "Nährstoffsupplemente") seit vielen Jahren in Deutschland und anderen Ländern der EU erhältlich sind, existierte für sie lange keine rechtsverbindliche Definition. Erst im Jahr 2002 wurde auf europäischer Ebene eine Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel erlassen [28], im Jahr 2004 erfolgte deren Umsetzung in nationales Recht durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV, 1). Nach § 1 Abs. 1 NemV sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel, die drei spezifische Voraussetzungen erfüllen müssen. Zunächst ist ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt, "die allgemeine Ernährung zu ergänzen". Außerdem ist es erforderlich, dass das Erzeugnis "ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung" ist. Und schließlich muss ein Nahrungsergänzungsmittel "in dosierter Form ... in den Verkehr gebracht" werden [29].

Im Gegensatz zu diätetischen Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, steht damit bei Nahrungsergänzungsmitteln die allgemeine Ernährung im Vordergrund, also die aller Verbraucher. Eine Ergänzung der Ernährung ist dann gegeben, wenn das jeweilige Produkt qualitativ und quantitativ Stoffe liefert, die einen Beitrag zur Ernährung leisten können. Im Sinne der Verordnung sind solche Stoffe entweder "Nährstoffe" oder "sonstige Stoffe". Abweichend von der sonst üblichen Terminologie wird der Begriff Nährstoffe in der NemV nur auf Vitamine und Mineralstoffe beschränkt benutzt. Für ihre Verwendung finden sich, wie bereits erwähnt, in den Anlagen 1 und 2 NemV Listen mit den zulässigen Stoffen und Verbindungen. Alle anderen Substanzen gelten als "sonstige Stoffe". Ihre Zulässigkeit orientiert sich an den vorab dargestellten Kriterien, wobei vor allem das Zusatzstoffverbot zu beachten ist [30]. Aminosäuren, Fettsäuren, sekundäre Pflanzenstoffe wie Lutein, Polyphenole oder Isoflavone dürfen also in Nahrungsergänzungsmitteln als "sonstige Stoffe" enthalten sein, solange sie in Form erlaubter (d. h. zulassungsfreier oder zugelassener) Zutaten eingesetzt werden.

Nahrungsergänzungsmittel müssen anders als diätetische Lebensmittel von Gesetzes wegen keinerlei besonderen Nutzen besitzen. Es spielt also keine Rolle, ob die jeweiligen Zielgruppen von der Zufuhr der Stoffe profitieren oder nicht; die Produkte brauchen auch gar nicht für einen speziellen Personenkreis bestimmt zu sein. Erst recht ist es ohne Bedeutung, ob Verbraucher einen Bedarf an den enthaltenen Stoffen haben. Es ist auch keineswegs so, dass alle Stoffe in einem Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich die Ernährung ergänzen müssen. So können durchaus auch Stoffe enthalten sein, die gar nicht zur Ernährung beitragen, deren ernährungsphysiologische Wirkung umstritten oder noch nicht hinreichend erforscht ist, oder die nur in sehr geringer Menge vorkommen. Werden solche Substanzen allerdings werblich – insbesondere hinsichtlich bestimmter nutritiver Effekte – ausgelobt, so kann das eine verbotene Irreführung darstellen.

Die gesetzliche Vorgabe, wonach Nahrungsergänzungsmittel "Konzentrate" sein müssen, bedeutet lediglich, dass die betreffenden Produkte die wertgebenden Nährstoffe und sonstigen Stoffe in konzentrierter Form liefern sollen, also auf sie selbst reduziert und weitgehend frei von anderen Substanzen sein sollen, z. B. zusätzlichen Makronährstoffen. So enthält ein Nahrungsergänzungsmittel mit 50 mg Vitamin C "konzentriert" etwa die Menge des Vitamins, die sonst beispielsweise in Form einer Orange aufgenommen würde. Nahrungsergänzungsmittel können auch energieliefernde Bestandteile wie Aminosäuren oder Fettsäuren enthalten; die Energiezufuhr steht allerdings nicht im Vordergrund. Das ergibt sich auch aus der "dosierten Form". Hierunter versteht der Gesetzgeber die einstmals für Arzneimittel typischen abgeteilten und abteilbaren Formen. Tabletten und Kapseln sind somit gleichermaßen erfasst wie z. B. Trinkampullen oder Flaschen mit Tropfeinsätzen. Erstmals ist damit für eine Gruppe von Lebensmitteln eine "arzneitypische" Darreichung sogar vorgeschrieben. Die Darreichungsform kann deshalb heute auch kein Kriterium mehr für die Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln sein.

Die NemV macht nicht nur Vorgaben zur Zweckbestimmung und Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln, sondern vor allem auch zur Deklaration. Zusätzlich zu den allgemeinen Vorgaben, wie sie für alle Lebensmittel gelten (z. B. Zutatenliste, Mindesthaltbarkeitsdatum) finden sich spezielle deklaratorische Anforderungen, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind.

Anforderungen an diätetische Lebensmittel

Während Nahrungsergänzungsmittel lediglich zur Ergänzung der allgemeinen Ernährung gedacht sind, dienen diätetische Lebensmittel nach § 1 Abs. 1 DiätV einem besonderen Ernährungszweck; sie richten sich also nicht an alle Konsumenten. Entsprechend heißt die Produktkategorie im Gesetz auch "Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke". Aus § 1 Abs. 2 DiätV ergeben sich verschiedene Kriterien, die von diätetischen Lebensmitteln zu erfüllen sind: Sie müssen zunächst den besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Verbrauchergruppen entsprechen, zu denen vor allem bestimmte Gruppen von Personen gehören, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter Nährstoffe ziehen können. Darüber hinaus haben sie sich für diesen Ernährungszweck zu eignen und schließlich ist vorgeschrieben, dass sie sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder ihres besonderen Herstellungsverfahrens deutlich von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden. Das bedeutet allerdings nicht, dass diätetische Lebensmittel als Tabletten oder Kapseln angeboten werden müssen. Im Gegenteil: In dieser Form sind die Produkte in größerer Menge erst seit einigen Jahren auf dem Markt. "Klassische" diätetische Lebensmittel sind hingegen Säuglingsanfangs- und -folgennahrungen oder Trinknahrungen für Patienten mit Kau- und Schluckstörungen oder aber auch Diabetiker-Lebensmittel, in denen Saccharose durch z. B. Fruktose ersetzt wurde.

Ein aus Industriesicht wesentlicher Vorteil diätetischer Lebensmittel* gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln besteht darin, dass eine spezielle Zielgruppe i. S. v. § 1 Abs. 2 DiätV benannt werden kann. Wer sich mit seinem Produkt beispielsweise an Sportler, Diabetiker, Zöliakiekranke, Übergewichtige oder Natriumempfindliche wenden will, der kann eine entsprechend "besonders" formulierte Rezeptur entwickeln und das entsprechende Produkt sogar abweichend vom Verbot der krankheitsbezogenen Werbung am Markt positionieren. So führt § 3 Abs. 2 Nr. 4 DiätV verschiedene Erkrankungen an, auf die mit der Aussage "zur besonderen Ernährung bei … im Rahmen eines Diätplanes" hingewiesen werden darf; genannt sind dort u. a. Maldigestion und Malabsorption, Gicht oder Diabetes mellitus. Gerade für die letztgenannte Zielgruppe werden in jüngerer Zeit verstärkt auch Produkte in Kapselform angeboten (z.B. "Zimtkapseln", "Diabetiker-Vitamine").

Die "Besonderheit" diätetischer Lebensmittel bedeutet gleichzeitig, dass eine engere und notwendigerweise abgegrenzte Zielgruppe benannt werden muss. Vor allem aber müssen diätetische Lebensmittel – anders als Nahrungsergänzungsmittel – einen spezifischen Nutzen für die Zielgruppe erbringen. Entsprechende wissenschaftliche Nachweise hierfür sind notwendig. Nach § 7b Abs. 1 DiätV muss der Hersteller oder Importeur eines diätetischen Lebensmittels der zuständigen Behörde auf Verlangen sogar die wissenschaftlichen Arbeiten und Daten vorlegen, welche die Eignung seines Produktes für den jeweiligen diätetischen Zweck belegen. Welcher Anspruch insoweit an die Wissenschaftlichkeit zu stellen ist, ergibt sich indirekt aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB; die Norm verbietet die Werbung mit Wirkungsaussagen, die "wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind". Außerdem dürfen einem diätetischen Lebensmittel Stoffe in Art und Menge nur so zugesetzt werden, wie es erforderlich ist. Mit anderen Worten: Mehr oder minder wilde Produktkonzeptionen ohne qualitative und quantitative wissenschaftliche Grundlage können keine diätetischen Lebensmittel sein.

Ergänzende bilanzierte Diäten

Bilanzierte Diäten sind eine spezielle Kategorie diätetischer Lebensmittel [31, 32, 4], die in dieser Form erst seit Anfang 2002 in der DiätV eine rechtliche Grundlage haben. Sie müssen zunächst alle bereits erwähnten Anforderungen des § 1 Abs. 2 DiätV erfüllen. Darüber hinaus verlangt § 1 Abs. 4a DiätV, dass sie auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sein müssen. Bilanzierte Diäten finden sich seit Langem als vollständige bilanzierte Diäten, z. B. Trinknahrungen, die als einzige Nährstoffquelle geeignet sind. Besonderes Interesse haben in jüngster Zeit allerdings die ergänzenden bilanzierten Diäten gefunden, die zusätzlich zu anderen Lebensmitteln verwendet werden. Sie werden in zunehmendem Maße auch als Kapseln, Tabletten, Granulate oder in ähnlichen Darreichungen angeboten.

Im Sinne der DiätV dienen diese ergänzenden bilanzierten Diäten vor allem der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung oder andere diätetische Lebensmittel nicht ausreichen. Obwohl sie definitionsgemäß Lebensmittel sind, besitzen ergänzende bilanzierte Diäten damit von Gesetzes wegen einen therapeutischen Anspruch bei einer definierten Krankheit, Störung oder Beschwerde. Nur muss die entsprechende Behandlung eben diätetisch erfolgen, also im Gegensatz zu Arzneimitteln auf nutritivem und nicht auf pharmakologischem Weg.

Das Angebot an ergänzenden bilanzierten Diäten hat in erster Linie aus folgendem Grund enorm zugenommen: Die Erzeugnisse müssen (!) nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 DiätV mit dem Hinweis in Verkehr gebracht werden "zur diätetischen Behandlung von ...", ergänzt durch die Krankheit, Störung oder Beschwerden, für die das jeweilige Produkt bestimmt ist. Hierin liegt eine faktische Durchbrechung des generellen Krankheitswerbungsverbots aus § 12 Abs. 1 LFGB. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt die Bestimmung allerdings nur für die Kennzeichnung ergänzender bilanzierter Diäten und nicht für ihre Bewerbung. Dementsprechend bleibt jede krankheitsbezogene Werbung für ergänzende bilanzierte Diäten grundsätzlich verboten [33, 34]. Zu berücksichtigen ist auch, dass ergänzende bilanzierte Diäten von Gesetzes wegen immer nur der Behandlung einer Erkrankung dienen können, nicht aber als Vorbeugemittel.

Grundsätzlich muss die auf den Produkten angegebene Krankheit, Störung oder Beschwerde eindeutig umrissen bzw. klar definiert und diätetisch zugänglich sein. Eine Voraussetzung aus § 1 Abs. 4a DiätV ist dabei das Vorliegen eines sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarfs. Die im Produkt enthaltenen Nährstoffe (!) müssen damit einen Beitrag zur diätetischen Behandlung der angesprochenen Patientengruppe leisten. Nicht zwingend ist aber, dass diese Nährstoffzufuhr unmittelbar dem Ausgleich eines nutritiven Defizits dient; im Sinne des heutigen Verständnissen von Diätetik [4, 17] ist nämlich eine Ernährung intendiert, die nicht nur Mangelerscheinungen vermeidet oder kompensiert, sondern insgesamt das Krankheits- und Beschwerdebild günstig beeinflussen kann (siehe auch Teil 2 dieses Beitrages in der nächsten Ausgabe). Nicht den Vorgaben der DiätV können vor diesem Hintergrund Zweckbestimmungen entsprechen wie etwa "zur diätetischen Behandlung von Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels, wie z. B. Diabetes mellitus". Solch ein diffuses Krankheitsbild, das eine Vielzahl unterschiedlicher Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels umfassen kann, ist – sofern überhaupt – nicht mit einem Erzeugnis in allen Fällen gleichermaßen zu behandeln. Eine Zweckbestimmung "zur ergänzenden diätetischen Behandlung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z. B. Arteriosklerose" ist ebenfalls uneindeutig. Nicht der DiätV entsprechen auch Angaben wie "zur diätetischen Behandlung von Histamin-Intoleranz"; eine Histamin-Unverträglichkeit erfordert nach allgemeiner Lehrmeinung nur eine diätetische Maßnahme, nämlich ein Meiden histaminhaltiger Lebensmittel. Im konkreten Beispielsfall wird zudem ein Enzym verabreicht, um den Histaminabbau zu beschleunigen – zweifelsohne keine Ernährung, sondern eine pharmakologische Wirkung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG (Ersatz eines körpereigenen Enzyms).

An (ergänzende) bilanzierte Diäten hat der Gesetzgeber nochmals höhere Anforderungen hinsichtlich ihrer Nützlichkeit und Wirksamkeit gestellt als an andere diätetische Lebensmittel. Aus § 14b Abs. 1 DiätV ergibt sich, dass die Produkte nutzbringend und wirksam sein müssen. Das ist auch nachvollziehbar, denn ergänzende bilanzierte Diäten richten sich an Erkrankte, die als empfindliche Personen in besonderem Maße vor Irreführungen und unzureichenden diätetischen Maßnahmen zu schützen sind. Aus Art. 3 der zugrundeliegenden Richtlinie 1999/21/EG lässt sich dabei entnehmen, dass die Wirksamkeit ebenso wie die sichere und nutzbringende Verwendung ergänzender bilanzierter Diäten durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist.

Die "Wirksamkeit" einer bilanzierten Diät beim jeweiligen Ernährungserfordernis bedingt, dass das Präparat sowohl qualitativ, d. h. von der Art der Zutaten, als auch quantitativ, also bezüglich ihrer Mengen, einen Nutzen für den Verwender haben muss. Hier besteht in der Praxis der ergänzenden bilanzierten Diäten sehr häufig ein Problem; vielfach werden in entsprechenden Produkten Stoffe eingesetzt, die zwar potenziell für die angesprochenen Patientenkreise von Nutzen sind, in der konkreten Dosierung aber keine nachgewiesene Wirksamkeit besitzen. Die Anforderungen des § 14b Abs. 1 DiätV sind in diesen Fällen nicht erfüllt [3, 31].

Dient ein Produkt dazu, einen in der anerkannten Literatur dokumentierten und objektiv bestehenden Mangel an bestimmten Stoffen diätetisch zu beseitigen und enthält die bilanzierte Diät diese Stoffe in ausreichender Menge, dann ist ein entsprechender Nutzen in jedem Fall gegeben. Das ist beispielsweise im Bereich "klassischer" bilanzierter Diäten vielfach gegeben, wie sie als Trink- und Sondennahrungen Verwendung finden: Patienten mit Kau- oder Schluckstörungen oder Tumorpatienten entwickeln häufig durch die dann unzureichende Nahrungsaufnahme bzw. einen erhöhten Stoffumsatz nutritive Mangelerscheinungen. Wird diesen Personen eine geeignete bilanzierte Diät verabreicht (z. B. eine energiereiche und nährstoffreiche Trinknahrung), so ist evident, dass diese Produkte für den Patienten von Nutzen sind.

Anders stellt sich die Situation im Allgemeinen dann dar, wenn die diätetische Maßnahme nicht darauf abzielt, ein Nährstoffdefizit zu beseitigen oder zu vermeiden, so z. B. bei altersbedingter Makuladegeneration oder bei rheumatoider Arthritis. Der angestrebte Behandlungserfolg beruht in diesen Fällen nämlich nicht auf der Beseitigung eines bekannten Nährstoffmangels, sondern meist auf der indirekten Beeinflussung bestimmter Stoffwechselvorgänge durch die Ernährung. Nachweise einer diätetisch-therapeutischen Wirkung können dann methodisch meist nur auf Basis indikationsbezogener, placebokontrollierter, doppelblinder und randomisierter Interventionsstudien erfolgen. Von Gesetzes wegen verlangen Nutzen und Wirkung einer ergänzenden bilanzierten Diät allerdings nicht zwangsweise, dass eine produktspezifische Interventionsstudie an der jeweiligen Patientengruppe vorliegt. Auch geeignete und den etablierten wissenschaftlichen Standards entsprechende Untersuchungen aus der Literatur genügen als Nachweis, sofern die vorhandenen Daten den Sachverhalt repräsentieren und untermauern. Epidemiologische Plausibilitätsbetrachtungen, In-vitro-Untersuchungen, tierexperimentelle Daten, aber auch Humanstudien ohne Placebokontrolle wie z. B. Anwendungsbeobachtungen sind damit jedoch als (alleiniger) Beleg für bilanzierte Diäten ungeeignet. Sie geben nämlich nur Hinweise auf bestimmte Wirkungen, belegen aber nicht in jedem Fall den beanspruchten diätetischen Nutzen für den Patienten [16, 31].

Auch für diätetische Lebensmittel finden sich spezielle gesetzliche Kennzeichnungsvorschriften. Neben den allgemeinen Vorgaben, die bei allen Lebensmitteln gelten, sind vor allem die in Tabelle 3 aufgeführten Punkte zu berücksichtigen.

Zusammenfassung und Fazit

Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel werden zu einem immer bedeutsameren Bestandteil des Apothekenangebotes und damit wichtig für die wirtschaftliche Existenz der Apotheke. Für beide Produktkategorien gibt es klar umrissene rechtliche Rahmenbedingungen, an denen sich der Apotheker orientieren kann. Tabelle 4 fasst diese Anforderungen noch einmal zusammen. Immer wieder tauchen am Markt einzelne Präparate auf, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Dann ist es nötig, die Spreu vom Weizen zu trennen, und das ist normalerweise auch möglich, vorausgesetzt man kennt die einschlägigen Rechtsnormen. Das erforderliche Basiswissen zu Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln sollte jeder Apotheker haben, der solche Produkte anbietet. Denn als letzter Inverkehrbringer steht er rechtlich neben dem Hersteller in der Verantwortung dafür, dass die Lebensmittel in seiner Apotheke allesamt verkehrsfähig sind. Je besser er sich auch auf dem Gebiet der apothekenüblichen Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierten Diäten auskennt, um so eher kann er nicht nur rechtliche Fallen vermeiden, sondern am Ende auch seinen Kunden vernünftig zu diesen Produkten beraten.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. Andreas Hahn

Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Lebensmittelwissenschaft und Ökotrophologie, Abteilung für Ernährungsphysiologie und Humanernährung, Wunstorfer Str. 14, 30453 Hannover, Tel. (05 11) 7 62-50 93, Fax (05 11) 7 62-57 29, E-Mail: andreas.hahn@lw.uni-hannover.de

Dr. Moritz Hagenmeyer, Krohn Rechtsanwälte

Esplanade 41, 20354 Hamburg, Tel. (0 40) 3 56 10-0, Fax (0 40) 3 56 10-1 80, E-Mail: hagenmeyer@krohnlegal.de

Literatur

[1] Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. 5. 2005, BGBl. I. S. 1011.

[2] Verordnung über diätetische Lebensmittel i. d. F. d. Bekanntmachung v. 28. 4. 2005, BGBl. I S. 1161.

[3] Hagenmeyer M, Hahn A: The Devil’s Alternative. Alternativen zu Nahrungsergänzungsmitteln in der Praxis: Bilanzierte Diäten und andere diätetische Lebensmittel, Funktionelle Lebensmittel und Lebensmittel eigener Art, Stoff R 2007, 2 – 14

[4] Hahn A: Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten, 2. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006.

[5] Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. 1. 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, ABl. Nr. L 31 S. 1.

[6] Richtlinie 2001/83/EG vom 6. 11. 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel, ABl. L 311, S. 67, zuletzt geändert duch Richtlinie 2004/27/EG vom 31. 3. 2004, ABl. L 136, S. 34

[7] EuGH "van Bennekom", Urt. v. 30. 11. 1983, Rs. 227/82, Rn. 18.

[8] BGH, GRUR 2000, 528, 529 – L-Carnitin.

[9] BGH, WRP 2006, 736, 740 – Arzneimittelwerbung im Internet

[10] Hagenmeyer M, Oelrichs, C: Lebensmittelrecht, in Müchener Kommentar Lauterkeitsrecht, hrsg. v. Heermann P, § 2 LFGB Rdnr. 8-10.

[11] LG Bielefeld, Urt. v. 6. 12. 2006, 16 O 181/04 (nicht rechtskräftig).

[12] LG Hannover, Urt. v. 19 .7. 2006, 23 O 140/05 (nicht rechtskräftig).

[13] OLG München, Beschl. vom 2. 2. 2007, 29 W 748/07.

[14] Hahn A, Hagenmeyer M: "Pharmakologische Wirkung": Ein untaugliches Abgrenzungskritierum – und seine irreführende Anwendung durch die Rechtsprechung, ZLR 2003, 707 – 728.

[15] Schulze J, Parzeller M, Roebel A: Arzneimittel oder Lebensmittel, StoffR 2005, 233, 238.

[16] Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Qualifizierte Ernährungsberatung in der Apotheke. Teil 1: Von den Grundlagen zur Anwendung, Dtsch.Apoth.Ztg. 144, 5111 – 5126 (2004).

[17] Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Ernährung – physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie, 2. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2006.

[18] BGH GRUR 2002, 910, 913 – Muskelaufbaupräparate.

[19] BGH ZLR 2001, 561, 563-564 – 3-fache Tagesdosis m. Anm. Horst M.

[20] Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): Natürliche Lebensmittelinhaltsstoffe: Beurteilung der Toxizität einer Substanz bei isolierter Verabreichung im Vergleich zur Aufnahme als Bestandteil der Nahrung, 13. 03. 2006, derzeit nicht online verfügbar.

[21] Hagenmeyer M, Hahn A, Teufer T: Das Gänseblümchen wird entblättert – Pflanzen und Kräuterextrakte in Nahrungsergänzungsmitteln, StoffR 1/2006, 2 – 17.

[22] Hahn A, Mang B: Zimt und Diabetes mellitus: Aktueller Stand der Diskussion, Dtsch.Apoth.Ztg. 146, 4552 – 4560 (2006).

[23] Arbeitsgruppe Fragen der Ernährung in der Lebensmittelchemischen Gesellschaft: Ein Leitfaden zur Beurteilung von Pflanzenextrakten in Lebensmitteln am Beispiel Sekundärer Pflanzenstoffe, Lebensmittelchemie 59, 2005, 107 – 109.

[24] Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): Stellungnahme zur Beurteilung von Nahrungsergänzungsmitteln mit anderen Stoffen als Vitaminen und Mineralstoffen, 26. 9. 2006, http://www.dfg.de/aktuelles_presse/reden_stellungnahmen/2006/download/sklm_stellungnahme_nem_26092006.pdf am 07. 03. 2007.

[25] Hagenmeyer M: Totgesagte leben länger,, StoffR 2004, 150.

[26] OLG Köln, Urt. v. 8. 12. 2006, 6 U 145/06.

[27] Loosen P: "Großer Bruder" statt "Schöne neue Welt", ZLR 2006, 521.

[28] Richtlinie 2002/46/EG vom 10. 6. 2002 über Nahrungsergänzungsmittel, ABl. L 183, S. 51, geändert durch Richtlinie 2006/37/EG vom 30. 3. 2006, ABl. L 94 S. 32.

[29] Hagenmeyer M, Hahn A: Im SumV der NemV – Trittbretter zur Zusammensetzung, Kennzeichnung und Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln, WRP 2004, 1445 – 1456.

[30] Hagenmeyer M, Hahn A: Die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV): neue Regelungen, alte Probleme – und Höchstmengenempfehlungen, ZLR 2003, 417 – 447.

[31] Hahn A: Bilanzierte Diäten, 2002, ZLR 2002, 543 – 567.

[32] Kügel JW: Die ergänzende bilanzierte Diät für medizinische Zwecke, 2003, ZLR 2003, 265 – 274.

[33] OLG München, ZLR 2006, 77, 85-86 – "Mobil-Plus-Kapseln" m. Anm. Hahn A, Ströhle M, Winters J.

[34] Zipfel W, Rathke KD, Lebensmittelrecht, C 140, § 3 DiätV Rdnr. 11a.
Abgrenzung Meist ist es nicht so eindeutig zu entscheiden, was Lebensmittel, was Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel ist.
Foto: DAK/Scholz

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