Arzneimittel und Therapie

Früherkennung von Prostatakrebs

Prostatakrebs einfach im Urin erkennen?

Zur nicht-invasiven Früherkennung von Prostata- und Blasenkarzinomen wurde eine Proteomuntersuchung von Urin entwickelt, die mittels Kapillarelektrophorese gekoppelter Massenspektrometrie krankheitsspezifische Veränderungen von Polypeptiden im Urin detektiert. Diese Untersuchungsmethode könnte zu einer Verbesserung der bislang verfügbaren diagnostischen Methoden beitragen.

Nach dem Bronchialkarzinom ist das Prostatakarzinom die zweithäufigste Krebserkrankung des Mannes. Daraus resultiert das große Interesse an diagnostischen Mitteln zur Früherkennung. Bisher war das prostataspezifische Antigen (PSA), eine chymotrypsinartige Serinprotease, der wichtigste Tumormarker für die Früherkennung. PSA ist allerdings nicht tumorspezifisch, da es sowohl von benignen als auch von malignen Zellen produziert wird, was dazu führt, dass in einem bestimmten PSA-Bereich, dem sogenannten "Graubereich", nicht zwischen einer benignen Prostatavergrößerung, einer unerkannten chronischen Prostatitis und einem lokal begrenzten Prostatakarzinom unterschieden werden kann. Durch diese mangelnde diagnostische Spezifität wird oft unnötigerweise eine Prostatabiopsie durchgeführt.

Ein neuer diagnostischer Ansatz besteht darin, durch Messung einer großen Zahl von Polypeptiden – statt Messung eines einzelnen Biomarkers – eine höhere Spezifität, das heißt eine geringere Anzahl falsch-positiver Ergebnisse, zu erzielen.

Voraussetzung für diese Proteomdiagnostik ist eine leistungsfähige Analytik und die Validierung von krankheitsspezifischen Referenz-Polypeptidmustern, mit denen das detektierte Polypeptidmuster der Probe verglichen werden kann. Mit Kapillarelektrophorese gekoppelter Massenspektrometrie (CE-MS-Technologie) und daran anschließender automatisierter Auswertung wurde eine Methode zur Proteomanalyse aus Urin entwickelt. Urin hat dabei im Vergleich zu Blutplasma den Vorteil, dass er einfach gewonnen werden kann und eine hohe roteolytische Stabilität aufweist.

In einer klinischen Studie wurde diese Form der Proteomanalyse an 180 Proben, die von Patienten mit Urothelkarzinom, verschiedenen Nierenerkrankungen und gesunden Individuen stammten, getestet. Sämtliche Patienten mit Urothelkarzinom (n = 31) sowie die gesunden Individuen (n = 11) wurden dabei korrekt klassifiziert, acht Patienten (6%) mit anderen Nierenerkrankungen wurden allerdings falsch positiv (als an Urothelkarzinom erkrankt) getestet.

Neben der Diagnose des Blasenkrebses kann diese Form der Proteomanalyse auch zur Erkennung von Prostatakrebs eingesetzt werden. Im Unterschied zum Urothelkarzinom ist im Falle des Prostatakarzinoms allerdings nicht der Urin, sondern das Prostatasekret die informationsführende Körperflüssigkeit, weshalb in einem ersten Schritt ein "Informativ-Polypeptidmuster" zur Identifikation von Erststrahlurinproben mit ausreichend Prostatasekret etabliert werden muss. In einer ersten Pilotstudie konnten auf diese Weise 88% der Prostatakarzinome korrekt klassifiziert werden.

Auch wenn der auf dieser Technologie beruhende Test (DiaPat®) bereits als "sinnvolle Ergänzung für Männer, bei denen ein erhöhter PSA-Wert gemessen wurde, die aber noch keine Prostata-Biopsie machen möchten" beworben wird, ist es sicher noch zu früh, das mögliche Potenzial dieser diagnostischen Methode zur Früherkennung von Prostatakrebs beurteilen zu können. Da die Untersuchung von Urin als nicht-invasive Maßnahme allerdings keine Komplikationen mit sich bringt, wäre es sicher erfreulich, wenn sich dieser Test in der klinischen Praxis bewähren könnte.

Quelle

Fornara K.; Fischer K.: Labordiagnostik. In: Praxis der Urologie, Georg Thieme Verlag Stuttgart 2003, 2. Auflage, S. 17-56.

Wittke S.; et al.: Kapillarelektrophorese gekoppelte Massenspektrometrie zur Proteomanalyse. Eine innovative diagnostische Methode bei Prostata- und Blasenkrebs. Der Urologe; online publiziert: 21. Februar 2007.

Apothekerin Dr. Birgit Schindler
In Europa und USA werden zurzeit mehrere Harntests zur möglichen Früherkennung eines Prostatakarzinoms entwickelt und in klinischen Studien erprobt. Einige Tests sind bereits auf dem Markt erhältlich und werden zum Teil massiv beworben Das urologische Netzwerk Bonn, in dem fast alle Urologen aus Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und der Region Ahr zusammengeschlossen sind, mahnt an, diese Tests kritisch zu betrachten. Sie versprechen eine Diagnose Prostatakrebs im Frühstadium mit hoher Treffsicherheit sogar ohne operative Entnahme einer Gewebeprobe. Doch bei keinem Patienten können sie die zur Sicherung der Diagnose nötige Biopsie der Prostata ersetzen, betonen die Bonner Urologen.
Zur Früherkennung von Prostatakrebs wird Männern ab dem 45. Lebensjahr einmal im Jahr ein PSA-Test für rund 25 Euro empfohlen, mit dem das Eiweiß, das ausschließlich in der Prostata gebildet wird, bestimmt werden kann. Bei Erkrankungen der Vorsteherdrüse wird dieses Protein vermehrt an das Blut abgegeben. Ein erhöhter PSA-Spiegel im Blut ist somit auch ein Warnhinweis auf Prostatakrebs, erlaubt aber keine eindeutige Diagnose. Auch die neuen Tests setzen auf Biomarker, die ein Prostatakarzinom anzeigen, bevor es Beschwerden verursacht. So wird beispielsweise der Urin auf in typischer Weise veränderte Eiweiße untersucht. Ein solcher Urintest kostet mehrere Hundert Euro, die der Patient in der Regel selbst zahlen muss. Ein anderer Test misst die erhöhte Ausschüttung eines Gen-Abkömmlings, der von malignen Prostatakrebszellen verstärkt gebildet und in den Urin abgegeben wird. Obwohl es sich möglicherweise tatsächlich um brauchbare Testverfahren handeln könnte, sehen die Bonner Urologen aufgrund der dünnen Datenlage und eigener Erfahrungen diese Tests als sehr problematisch an. Allein die dafür nötige Konservierung von Eiweißstoffen im Urin sei ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Zudem werden diese Urintests dem Patienten zu hohen Preisen angeboten. Es gebe aber noch keine wissenschaftlich haltbaren Beweise, dass hier ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis bestehe und diese Tests ein Prostatakarzinom besser vorhersagen könnten als regelmäßige PSA-Bestimmungen, klinische Untersuchungen, transrektale Ultraschalldiagnostik und die nicht zu unterschätzende Erfahrung eines Urologen.
Quelle

Stellungnahme des Urologischen Netzwerkes Bonn (UNB) vom 9. Juli 2007.
ck
Der Weg von der Probe zum Befund
Nach den Angaben des Herstellers von DiaPat® -Test erhält der entsprechende Referenzarzt ein Probenahmepaket. Der Patient muss dann beim Arzt eine Urinprobe abgeben, die dann in eine Proben-Monovette aufgezogen wird. Diese Monovette wird tiefgekühlt (-18 C°, ca. zwei Stunden) und anschließend in einen speziellen Kühlakku eingeführt. Der Kühlakku wird wiederum in eine mitgelieferte Styroporbox verpackt und über einen 24-Stunden-Kurierdienst an den Testanbieter geschickt. Dort wird nach Abschluss der Laboranalyse innerhalb einiger Tage eine Auswertung erstellt und der Befundbericht dem behandelnden Arzt per Post inklusive einer Beschreibung und Interpretation der Ergebnisse mitgeteilt.
Proteomanalyse aus dem Urin
Für die Proteomdiagnostik ist eine leistungsfähige Analytik die Voraussetzung. Die Polypeptide werden mittels Kapillarelektrophorese im Hochspannungsfeld getrennt, ionisiert und im Time-of-flight-Massenspektrometer analysiert. Die Rohdaten (ca. 1 GB) werden mittels spezieller Software ausgewertet und normiert. Anschließend werden die detektierten Polypeptidmuster mit krankheitstypischen Referenz-Mustern einer Datenbank abgeglichen und auf dieser Basis ein Diagnosevorschlag erstellt.
PSA-Test als immuno-
logische Einzelmessung
Die meisten Methoden zur PSA-Bestimmung aus Blutserum beruhen auf folgendem Prinzip: Zwischen dem PSA der Probe (Antigen) und zwei PSA-Antikörpern (einer ist immobilisiert, der andere markiert) findet eine Immunreaktion statt. Es bildet sich ein Sandwich-Komplex. Durch die anschließend ablaufende Indikatorreaktion kann der entstandene Komplex und damit die PSA-Konzentration gemessen werden.
Nicht-invasive Untersuchung Aus dem Urin wird durch die Bestimmung der enthaltenen Polypeptide ein individuelles Proteinmuster erstellt, das Hinweise auf Tumoren geben soll. So soll es möglich sein, Prostatakrebs im Frühstadium zu erkennen.
Foto: SPL/Agentur Focus

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