Prisma

Multiple Sklerose

Bei MS herrscht Nachwuchsmangel an Abwehrzellen

Milch, Nüsse, Meeresfrüchte – gegen diese und andere Lebensmittel reagieren viele Menschen allergisch und müssen notgedrungen darauf verzichten. Vielleicht kann ihnen künftig mit Interleukin 12 geholfen werden.

Wie eine Gruppe der Universität von Siena gemeinsam mit Forschern des norwegischen Instituts für Lebensmittelforschung zeigen konnten, spielt Interleukin 12 im Zusammenhang mit Lebensmittelallergien eine wichtige Rolle. "Unsere Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass das Immunsystem nach Eliminierung von Interleukin 12 eine allergische Reaktion auf Lebensmittel, insbesondere auf Erdnüsse, auslöst", so Studienleiter Claudio Nicoletti. Durch künstliche Gabe des Interleukins will Nicoletti diesen Prozess in den Griff bekommen. Ob dies gelingt, bleibt derzeit allerdings abzuwarten. ral

Quelle: Nicoletti, C. et al.: J. Allergy Clin. Immunol., Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1016/j.jaci.2007.04.044

Bei Lungenleiden, bei denen nicht das gesamte Organ betroffen ist, wäre die gezielte Behandlung nur der erkrankten Areale wünschenswert. Einen Schritt in diese Richtung haben Münchner Wissenschaftler nun unternommen.

Die Forscher um Carsten Rudolph haben eine neue Aerosolapplikationsmethode für Eisenoxidnanopartikel entwickelt. Mithilfe eines magnetischen Feldes sollen sie nach dem Einatmen an den gewünschten Ort in der Lunge dirigiert werden können. Inhalierte Partikel lagern sich in der Lunge ab. Vor einiger Zeit wurde gezeigt, dass dieser Vorgang durch ein magnetisches Feld beeinflusst werden kann. Seine Kräfte reichen allerdings nicht aus, um einzelne Nanopartikel aus Eisenoxid, kurz SPIONs "superparamagnetic iron oxide nanoparticles" genannt, zu steuern. Erfolgreich waren die Forscher um Rudolph, als sie eine Vielzahl der Teilchen je in einem Aerosoltröpfchen zusammenführten. In ersten Tierversuchen hat sich die Galenik bereits als vielversprechend erwiesen. Hilfreich könnte sie z. B. bei Lungentumoren sein. ral

Quelle: Rudolph, C. et al.: Nature Nanotechnol., Online-Vorabpublikation, DOI:10.1038/nnano.2007.217

Die tägliche Einnahme von Vitamin C zur Vorbeugung von Erkältungen kann man sich finnischen Forschern zufolge sparen. Wie sie bei der Auswertung von 30 Studien mit insgesamt mehr als 11.000 Probanden feststellten, hat Vitamin C nur bei Personen mit erhöhtem Stress eine gewisse protektive Wirkung gegen Schnupfenviren.

Insgesamt, schreiben H. Hemilä und P. Louhiala in der "Cochrane Library", sei der Vorteil einer täglichen prophylaktischen Vitamin-C-Einnahme so geringfügig, dass er sich nicht auszahlen würde. "Es macht keinen Sinn, 365 Tage Vitamin C einzunehmen, um das Risiko einer Erkältung zu vermindern", so Hemilä. Auch von einer therapeutischen Vitamin-C-Gabe raten die Studienautoren eher ab. Sie fanden in ihrer Auswertung unter Vitamin C bei Erwachsenen eine "nur" um acht Prozent und bei Kindern um 13,6 Prozent verkürzte Erkältungsdauer. Allerdings weisen Hemilä und Louhiala darauf hin, dass weitere Untersuchungen zum prophylaktischen und therapeutischen Effekt von Vitamin C bei Erkältungen notwendig seien, da die von ihnen gefundenen Studien zum größten Teil starke methodische Mängel gehabt hätten. ral

Quelle: Hemilä, H., Louhiala, P.: Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI: 10.1002/14651858.CD005532.pub2

Wer krank ist, fühlt sich in der Regel schlapp und müde. Schweizer Wissenschaftler haben untersucht, warum das so ist. Ihre Erklärung: Eine der Waffen, die das Immunsystem bei der Bekämpfung von Krankheitserregern einsetzt, dämpft die Funktion der inneren Uhr.

Bei dem müde machenden Botenstoff des Immunsystems handelt es sich um TNF alpha. Das Protein steht schon seit längerem im Verdacht, für krankheitsbedingte Erschöpfungszustände verantwortlich zu zeichnen. So ist z. B. bekannt, dass bei Rheumapatienten, die über ständige Müdigkeit klagen, die TNF-alpha-Blutspiegel deutlich erhöht sind. Auch konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass künstlich erhöhte TNF-alpha-Konzentrationen mit einer verminderten Aktivität einhergehen. Der Mechanismus, der hinter der TNF-alpha-bedingten Erschöpfung steckt, war bislang allerdings unklar. Ein Team um Gionata Cavadini hat ihn nun entschlüsselt. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Science" schreiben, beruht er auf einer Wechselwirkung zwischen TNF alpha und dem Taktgeber der inneren Uhr. TNF alpha dämpft die Aktivität verschiedener Gene im Gehirn, die den Schlaf- und Wachrhythmus steuern. Zwar werden die Gene weiterhin in ihrem gewohnten Rhythmus an- und abgeschaltet, sie laufen im aktiven Zustand jedoch mit verminderter "Kraft". Die Erkenntnisse der Schweizer Forscher beruhen bislang zwar nur auf Versuchen mit Mäusen, Cavadini geht jedoch davon aus, dass sie auf den Menschen übertragbar sind. Gestützt wird diese Annahme durch die Beobachtung, dass Krebspatienten während einer Behandlung mit TNF alpha oft über schwere Erschöpfungszustände klagen. ral

Quelle: Cavadini, G. et al.: PNAS, Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1073/pnas.0701466104

Heidelberger Forscher haben einen neuen Mechanismus in der Pathogenese der multiplen Sklerose entdeckt. Bei MS-Patienten ist demnach die Thymusdrüse nicht in der Lage, regulatorische T-Zellen in ausreichender Zahl neu zu bilden. Der "Nachwuchsmangel" an Abwehrzellen begünstigt die Selbstzerstörung des Nervensystems, da ältere Abwehrzellen ihr nicht ausreichend entgegenwirken können.

Bereits 2003 stellten die Wissenschaftler fest, dass die Thymusdrüse eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielt. Vor zwei Jahren entdeckten sie die Bedeutung der regulatorischen T-Zellen bei MS-Patienten. Nun konnten sie zeigen, dass MS-Patienten vergleichsweise wenige junge regulatorische T-Zellen besitzen. Der Mangel wird durch Teilung der alten Memory-Zellen kompensiert. So sind zwar mengenmäßig genügend regulatorische T-Zellen vorhanden, allerdings ist die Fähigkeit der älteren Zellen eingeschränkt. Das Ungleichgewicht von jungen zu alten Zellen führt zu einer Überreaktion des Immunsystems. In der Folge wird bei MS-Patienten das Nervensystem angegriffen und zerstört sich selbst. "Die aktuelle Arbeit führt die früheren Erkenntnisse zusammen", so Jürgen Haas, Erstautor der im "Journal of Immunology" veröffentlichten Arbeit. Die neuen Forschungsergebnisse könnten auch eine Erklärung dafür liefern, warum bestimmte Arzneimittel bei MS wirken und warum sich MS-Patientinnen während der Schwangerschaft oft besonders gut fühlen: Hormone und bestimmte Wirkstoffe beeinflussen möglicherweise die Thymusfunktion und damit die Neubildung von Abwehrzellen. Die Wissenschaftler versprechen sich von ihren Erkenntnissen auch neue Behandlungsansätze. "Wenn es gelingt, junge, voll funktionsfähige regulatorische T-Zellen eines Patienten zu entnehmen, in einer Zellkultur zu vermehren und dann zu injizieren, könnte das die Erkrankung positiv beeinflussen", so Haas. Die Methode sei aber bis jetzt nur eine Theorie. ral

Quelle: Haas, J. et al.: J. Immunol. 179 (2), 1322 – 1330 (2007).
Foto: SPL / Agentur Focus
T-Zellen in der Thymusdrüse Bei gesunden Menschen werden regulatorische T-Zellen immer wieder neu gebildet. Bei MS-Patienten fehlt dagegen der Nachschub – ein Grund für das entgleiste Immunsystem.
Foto: pdb.org
Foto: Imago
Schlaf ist die beste Medizin Das weiß unser Organismus und sorgt mit TNF alpha für ein gesteigertes Schlafbedürfnis bei Krankheiten.
Foto: Imago

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