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Fortbildungskongress
Königsweg der Arzneimittelversorgung alter Menschen?
Befürworter versprechen sich durch die patientenindividuelle Neuverblisterung
- eine Vereinfachung der Arzneimittelversorgung multimorbider Patienten,
- eine Verbesserung der Compliance,
- eine höhere Arzneimittelsicherheit und
eine Kostensenkung für die Gesellschaft durch Verhinderung oder Verkürzung von Krankenhausaufenthalten oder Arztbesuchen sowie eine Verzögerung von Einweisungen in eine Pflegeinstitution.
Können diese Ziele erreicht werden? Die erste Hürde ist das Arzneimittel. Zur Verblisterung eignen sich nur feste, orale Arzneiformen, und diese auch nur bedingt. Licht- oder feuchtigkeitsempfindliche Arzneiformen sowie Brause- und Schmelztabletten können nicht verblistert werden. Dasselbe gilt für geteilte Tabletten und für Oralia, die unter das BTM-Gesetz fallen. Die vorausschauende Verblisterung eignet sich ebenfalls nicht für die Bedarfs- und Akutmedikation sowie für Therapiephasen, in denen die gewünschte Dosis austitriert werden muss.
Kann durch eine Verblisterung die Compliance gestärkt werden? Die Compliance wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, so unter anderem durch das Wissen des Patienten über seine Erkrankung und über seine Medikamente. Diese Informationen können bei verblisterten Arzneimitteln verloren gehen, da sich der Patient nur noch in verringertem Maße mit seinen Medikamenten beschäftigt. Für einen günstigen Einfluss der Verblisterung auf die Compliance spricht, dass komplexe Regime – die bei einer Verblisterung teilweise vereinfacht werden können – die Compliance negativ beeinflussen. Fazit: Eine Verblisterung kann die Compliance abschwächen, aber auch stärken. Letzteres vor allem bei bedingt vergesslichen Patienten, wenn die Gesamtmedikation aus verblisterbaren Oralia besteht und wenig Bedarf- und Akutmedikamente gegeben werden müssen.
Erhöht die Verblisterung die Arzneimittelsicherheit? Fehler, die beim Richten der Arzneimittel in Heimen auftreten können, werden durch die Verblisterung minimiert, zumal vor der Verblisterung mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen überprüft werden. Sind neben den verblisterten Arzneimitteln weitere Medikamente erforderlich, relativiert sich dieser Benefit wieder. Auch besteht die Gefahr, dass Arzneiformen, die nicht verblistert werden können, durch weniger geeignete Alternativen ersetzt werden.
Wie sieht es mit kosten- und nutzenrelevanten Faktoren aus? Der Zeitaufwand zum Richten der Arzneimittel in den Pflegeheimen kann durch die Bereitstellung von Wochenblistern reduziert werden, allerdings ist zur Bereitstellung der Blister von der ärztlichen Verordnung über die industrielle Verblisterung bis zur Abgabe durch die Apotheke ein hoher Interaktions- und Kommunikationsaufwand erforderlich.
Ergebnisse eines Pilotprojektes
Wie wirkt sich nun eine Verblisterung bei der Versorgung von Alten- und Pflegeheimen in der Praxis aus? Wolff erläuterte die Ergebnisse eines Modellprojektes: Nur rund 30% aller im Heim eingesetzten Medikamente waren verblisterbar, alle anderen Arzneimittel mussten weiterhin individuell gerichtet werden. Die direkte Einsparung betrug 4,2%. Dieser direkten Einsparung stand ein Mehraufwand bei der Kommunikation gegenüber. Positiv wirkte sich die Verblisterung beim Auffinden von Interaktionen und Verordnungsfehlern aus; die Meinung der Ärzteschaft zu Sinn und Nutzen einer Verblisterung war geteilt. Von Seiten der Pflege wurde eine bessere Einsatzplanung durch das Bereitstellen von Blistern hervorgehoben, wobei sich dieser Benefit in einem marginalen Bereich bewegen dürfte, da nur ein Drittel der Arzneimittel patientenindividuell verblistert werden konnte. Das Fazit von Wolff: Einzelne Pluspunkte für verblisterte Arzneimittel werden die direkt oder indirekt mit der Verblisterung assoziierten Probleme wohl kaum aufwiegen. In einzelnen Fällen ist die patientenindividuelle Neuverblisterung sinnvoll, ein Königsweg ist sie aber nicht.
pj
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