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Apotheker sollen mehr auf Arzneimittelmissbrauch achten
Schätzungen zufolge gibt es bis zu 1,9 Millionen Medikamentenabhängige in Deutschland; allein rund 1,2 Millionen Menschen haben einen problematischen Benzodiazepinkonsum. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen zum Komplex der Medikamentenabhängigkeit hervorgeht, ist die Verordnungshäufigkeit von Benzodiazepinen zwar rückläufig – seit 1995 hat sie sich innerhalb der GKV auf ein Drittel reduziert – ein Teil hiervon wird jedoch durch die vermehrte Verordnung von Benzodiazepinrezeptoragonisten (so genannte Z-Drugs wie Zopiclon und Zolpidem) bzw. Privatrezepte kompensiert. Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass sich die Verordnungszahlen daher faktisch nur halbiert haben. Das Dunkelfeld ist allerdings groß, denn weder die privaten Verschreibungen noch der Bezug über dubiose Internetquellen können statistisch erfasst werden. Als weitere kritische Arzneimittel gelten Schmerzmittel – auch rezeptfreie. Das Gesundheitsministerium misst diesen allerdings nur ein "geringes Suchtpotenzial" zu. Unterschätzt werde allerdings das Missbrauchspotenzial – so könne der unkontrollierte Schmerzmittelkonsum gravierende Spätfolgen wie Nieren- oder Leberschäden verursachen.
Geringes Angebot an Ausstiegshilfen
Obwohl die Medikamentensucht etwa ebenso verbreitet ist wie die Alkoholabhängigkeit ist sie im öffentlichen Bewusstsein lange nicht so präsent. Betroffen sind vor allem ältere Menschen und Frauen, die nur selten auffällig werden und Hilfe nachfragen. Nicht zuletzt deshalb gibt es bislang nur wenige spezielle Therapieangebote; weniger als ein Prozent der bewilligten Suchttherapien beziehen sich auf die Medikamentenabhängigkeit. Von den Selbsthilfegruppen im Suchtbereich richten sich lediglich rund drei Prozent an diese spezielle Personengruppe. Ein von der Bundesregierung gefördertes Modellprojekt an der Universität Lübeck prüft derzeit die Wirksamkeit von Interventionen bei medikamentenabhängigen Patienten im Allgemeinkrankenhaus – Ende 2008 sollen die Ergebnisse vorliegen, so das Bundesgesundheitsministerium in seiner Antwort auf die Grünen-Anfrage. Im Übrigen sind Studien, die die Situation Medikamentenabhängiger betrachten, vergleichsweise rar. Das Bundesforschungsministerium fördert derzeit zwar vier Suchtforschungsverbünde mit insgesamt 26 Mio. Euro. Diese konzentrieren sich jedoch vor allem auf die Nicotin- und Alkoholabhängigkeit, räumt das Ministerium ein.
Ärzte und Apotheker sind gemeinsam gefragt
Bätzing hält daher weitere Studien über die Verbreitung des Medikamentenmissbrauchs für notwendig. Darüber hinaus appellierte sie an Ärzte und Apotheker "ihre Akzeptanz bei Patienten zu nutzen, diese direkt auf eine mögliche Medikamentenabhängigkeit anzusprechen und Hilfsangebote zum Ausstieg aus der Sucht anzubieten". Auch wenn die Drogenbeauftragte überzeugt ist, dass ein großer Teil der Ärzte und Apotheker beim Verschreiben und Aushändigen von Medikamenten mit Suchtpotenzial auf möglichen Missbrauch achte und den Patienten die Risiken dieser Medikamente erläutere, sind aus ihrer Sicht weitere Anstrengungen nötig. Ärzten steht für eine gezielte Beratung seit letztem Jahr ein Leitfaden der Bundesärztekammer zur Verfügung – allerdings ist dieser außerhalb der Praxen von Suchtmedizinern noch nicht sehr verbreitet. Bätzing betonte, dass die verstärkten Maßnahmen der Ärzte mit denen der Apothekerschaft korrespondieren müssten. "Daher freue ich mich über die Bemühungen der Apotheker, stärker über eine Optimierung ihrer Beratungspflicht nachzudenken", so die Drogenbeauftragte. "Die Entwicklung eines eigenen Leitfadens für Apotheker wäre eine konkrete Möglichkeit." Darüber hinaus sprach sie sich für eine stärkere Berücksichtigung des Themas Medikamentenabhängigkeit in Studium und Fortbildung aus.
Apotheker suchen Lösungen
Die Bundesapothekerkammer (BAK) begrüßte, dass die Bundesregierung der Medikamentenabhängigkeit und dem Missbrauch von Arzneimitteln offensiv begegnen will. Die BAK-Präsidentin kündigte an, den bereits bestehenden Dialog mit den Ärzten und dem Bundesgesundheitsministerium zu intensivieren. "Medikamentenabhängigkeit hat unterschiedlichste Ursprünge und Auswirkungen. Umso wichtiger ist es, alle Wege zu überprüfen, die dorthin führen", sagte Linz. Aus ihrer Sicht, ist es problematisch, dass nicht nur Arzt und Apotheker den Patienten begleiten, sondern sich viele Abhängige mit Medikamenten aus dubiosen Quellen eindecken. Illegale Strukturen müssten aktiv bekämpft werden, um das Angebot auf die sicheren Kanäle zu beschränken. Dann, so Linz, könnten Apotheker und Ärzte ihrer Rolle noch besser gerecht werden. Auch dürfe man nicht die Augen davor verschließen, dass ein aggressiver Preiskampf in der Selbstmedikation bei Medikamenten den Missbrauch und die Sucht fördere. Hier sei ein Umdenken nötig, so die BAK-Präsidentin.
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