Gesundheitspolitik

Bundesverfassungsgericht weist PKV-Klage ab

PKV-Basistarif mit dem Grundgesetz vereinbar

BERLIN (ks). Die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz beschlossenen Neujustierungen in der Privaten Krankenversicherung (PKV) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Den Gesetzgeber treffe lediglich eine Beobachtungspflicht, urteilte am 10. Juni das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sieht sich vollauf bestätigt. Der PKV-Verband bemüht sich, der Entscheidung ebenfalls Gutes abzugewinnen – immerhin hätten die Richter keine Zweifel am Existenzrecht der PKV.

Seit dem 1. Januar 2009 gelten für die PKV neue gesetzliche Rahmenbedingungen. Zwar besteht das zweigliedrige Krankenversicherungssystem von GKV und PKV fort, doch die privaten Kassen sind nun – ebenso wie die gesetzlichen – verpflichtet Nichtversicherte aufzunehmen. Bei der Aufnahme in den neuen Basistarif, dessen Leistungen am GKV-Leistungskatalog orientiert sind, darf keine Risikoprüfung stattfinden. Zudem wurde eine teilweise Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen eingeführt.

Funktionstüchtigkeit der PKV nicht unmöglich

Fünf PKV-Unternehmen und drei privat krankenversicherte Einzelpersonen hatten gegen diese Regelungen Verfassungsbeschwerden eingelegt – das Bundesverfassungsgericht wies diese nun zurück. Die Beschwerdeführer seien nicht in ihren Grundrechten, insbesondere nicht der Berufs- und Vereinigungsfreiheit verletzt, so die Richter. Zwar beschränkten die Vorschriften über den PKV-Basistarif die Berufsausübung der PKV-Unternehmen. Sie seien aber im Hinblick auf die von ihnen verfolgten Ziele gerechtfertigt und derzeit nach der nicht zu beanstandenden Prognose des Gesetzgebers nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass sie die künftige Funktionsfähigkeit der PKV ausschließen. Eine sinnvolle Ausübung des Berufs eines privaten Krankenversicherers werde durch den Basistarif weder unmöglich gemacht noch nachhaltig erschwert. Soweit die Prämien im Basistarif im Einzelfall nicht risikogerecht seien, hätten nicht die Versicherungsunternehmen, sondern die PKV-Versicherten dies im Wege einer Umlage zu tragen. Der Gesetzgeber sei auch in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass der neue Tarif auf absehbare Zeit keine bedeutsamen Auswirkungen auf das Geschäft der PKV haben wird. Jedenfalls derzeit könne ausgeschlossen werden, dass viele Versicherte in den Basistarif, der rund 570 Euro monatlich kostet, wechseln werden. Sollte sich diese Prognose in Zukunft dennoch als Irrtum darstellen, wäre der Gesetzgeber gegebenenfalls zur Korrektur verpflichtet, so das Gericht.

Drei-Jahresfrist zumutbar

Auch mit den weiteren Vorschriften zum Basistarif habe der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten; insbesondere sei er nicht verpflichtet gewesen, den neuen Tarif auf eine minimale Grundsicherung zu beschränken. Ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken haben die Karlsruher Richter gegen die Einführung einer Portabilität der Alterungsrückstellungen im Umfang der dem Basistarif entsprechenden Leistungen für PKV-Neukunden. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Unternehmen sei durch legitime Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt. Ebenso ließ das Gericht die Vorschrift durchgehen, wonach ein gesetzlich Versicherter vor einem Wechsel in die PKV über drei Jahre hinweg – statt zuvor nur einem Jahr – ein Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufweisen muss. Auch dies sei mit dem Grundgesetz vereinbar und für den betroffenen Versicherten zumutbar. Die Entscheidung zur Dreijahresfrist ist allerdings im Stimmenverhältnis 5:3 ergangen, während sich der entscheidende Senat im Übrigen einig war.

Zufriedenheit in der Großen Koalition

Ministerin Schmidt begrüßte das Urteil. Für sie ist vor allem "die abschließende Klärung von Bedeutung, dass auch die PKV soziale Verantwortung übernehmen muss, damit jeder und jede in Deutschland über einen Krankenversicherungsschutz verfügen kann". In der Union gab es ebenfalls Zuspruch. Mit dem GKV-WSG sei es gelungen, den Bestand und die Zukunftsfähigkeit der PKV als Vollversicherung mit Kapitaldeckung zu sichern und unter sich verändernden Bedingungen und Erwartungen für ein ausgewogenes Verhältnis innerhalb der PKV und mit der GKV zu sorgen, erklärten Wolfgang Zöller (CSU) und Annette Widmann-Mauz (CDU).

PKV sieht sich dennoch gestärkt

Selbst PKV-Chef Reinhold Schulte sieht die Entscheidung positiv: Immerhin habe das Gericht dem Gesetzgeber Grenzen aufgezeigt. Es bestätige die private Krankheitskostenvollversicherung als grundrechtlich abgesicherten Teil des dualen Gesundheitssystems und lege dem Gesetzgeber zudem eine Beobachtungspflicht auf. "Sollte es zu einem deutlichen Anstieg der Versicherten im Basistarif kommen, müsste das Thema neu entschieden werden. Unser Einwand bleibt somit bis auf Weiteres auf Wiedervorlage", sagte Schulte gegenüber der "Wirtschaftswoche". Und dass nun massenweise Versicherte in den neuen Tarif einsteigen werden, glaubt er nicht "Von den 300.000 bis 500.000 Nichtversicherten, die nach Schätzung der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in den Basistarif sollten, ist jedenfalls nichts zu spüren", so Schulte. Der PKV-Chef sieht in dem Urteil zudem eine "klare verfassungsrechtliche Absage an eine Bürgerversicherung", da das Gericht ausdrücklich das Nebeneinander von GKV und PKV und damit das Existenzrecht der privaten Krankenversicherung bestätige. Etwas mehr zu knabbern hat Schulte offenbar lediglich an der vom Gericht bestätigten dreijährigen Wartezeit für freiwillig gesetzlich Versicherte, die in die PKV wechseln wollen.

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