Interpharm 2009

Gegen das Vergessen möglichst früh behandeln

Über neue Fortschritte in der Alzheimer-Forschung berichtete Prof. Dr. Harald Hampel von der University of Dublin, Ireland, und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Diese Forschung richtet sich heute schwerpunktmäßig auf eine frühzeitige Erkennung und Modifikation der Erkrankung.
Prof. Dr. Harald Hampel

Als chronisch progrediente Erkrankung entwickelt sich die Alzheimer-Demenz über einen sehr langen Zeitraum, der sich über 50 Jahre erstrecken kann. Lange Zeit konnten die Patienten erst post mortem identifiziert werden. Histologisch werden beim Morbus Alzheimer intrazelluläre Faserbündel (Neurofibrillenbündel) gefunden, die hyperphosphorylierte Neurofilamentproteine (Tau-Proteine) enthalten, und daneben extrazelluläre Plaques und Fibrillen, die aus dem neurotoxisch wirkenden β-Amyloid-Protein (Aβ) bestehen. Dieses wird durch β- und γ-Sekretase aus einem Vorläufer-Protein (Amyloid-precursor-Protein, APP) gebildet.

Früherkennung heute möglich

Bisherige Studien griffen meist erst in der klinisch diagnostizierten Phase an, in der es jedoch keine großen Eingriffsmöglichkeiten mehr gibt. Nachdem es nun gelingt, die Patienten über Biomarker, bildgebende Verfahren, Faserdarstellung, sowie eine Reihe funktioneller Untersuchungen bereits frühklinisch zu identifizieren, liegt das wesentliche Ziel in der Entwicklung und Zulassung krankheitsmodifizierender Pharmakotherapeutika, die möglichst schon im Anfangsstadium zum Einsatz kommen. Die drei Kernstrategien zielen auf die Beeinflussung des Amyloidstoffwechsels, sowie auf die neuroprotektive und neurorestaurative Wirkung im Gehirn der Patienten ab.

Behandlung bisher nur symptomatisch

Die erste therapeutische Klasse in der Therapie der Alzheimer-Demenz waren die Cholinesterasehemmstoffe (Tacrin, Donepezil, Rivastigmin und Galantamin), die in den 90er Jahren des letzten und zu Beginn des neuen Jahrtausends eingeführt wurden, gefolgt von dem N-methyl-D-aspartat-(NMDA)Rezeptor-Antagonisten Memantin, der das Spektrum als zweite therapeutische Klasse im Jahr 2002 erweiterte. Für die bisher verfügbaren antidementiven Substanzen konnte zwar eine symptomatische Wirksamkeit belegt werden, allerdings zeigen sie keine substanzielle Beeinflussung der Progression spezifischer neuropathologischer Gehirnveränderungen und der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen.

Fehlversuche

Aus den rasch voranschreitenden Erkenntnissen über die molekularen Mechanismen der Neurodegeneration im Rahmen der Alzheimer-Demenz hat sich in den letzten Jahren eine Reihe neuer Substanzgruppen herauskristallisiert.

Erste Studien im Bereich der Modifikation der Erkrankung (disease modification) mit

  • dem in vitro neurotrophen und neuroprotektiven 5HT1A Agonisten Xaliproden,
  • Vital (ASS plus B-Vitamine),
  • dem β-Amyloid-Antagonisten Tramiprosat,
  • DHA (Docosahexaensäure und
  • dem γ-Sekretase-Modulatoren Tarenflurbil

konnten allerdings die Erwartungen nicht erfüllen. Als Grund für die ausgebliebenen Wirksamkeitsnachweise nannte Hampel die Heterogenität des Patientengutes und die unzureichend durchdachten Studiendesigns.

Vielversprechendes

In den letzten Jahren werden auch direkte und indirekte immunologische Verfahren, darunter die monoklonalen Antikörper Bapineuzumab und Solanezumab als passive Impfung und aktive Immunisierungen mit Fragmenten der β-Amyloide untersucht. Immerhin konnte schon an Patienten gezeigt werden, dass die Plaque-Beladung durch aktive Immunisierung substanziell verringert werden kann.

Weiterhin richten sich die Strategien zudem auf die Hyperphosphorylierung des Tau-Proteins, die Bildung neurofibrillärer Veränderungen, sowie antioxidative und Neurotransmitter-modulierende Effekte. Vielversprechende klinische Ergebnisse hat hinsichtlich der Produktion neurofibrillärer Bündel RemberTM (Methylenblau) erbracht und sich diesbezüglich gegenüber den Cholinesterasehemmern überlegen gezeigt. Eine Memantin-analoge Blockade des NMDA-Rezeptors und zudem eine Hemmung der Acetylcholinesterase verursacht der H1 -Antagonist Dimebon, eine weitere große Hoffnung in der Alzheimer-Forschung

Suche nach geeigneten biologischen Markern

Zunehmend geht der Fokus der Alzheimer-Forschung in Richtung des mild cognitive impairment (MCI) und der asymptomatischen Progression des Morbus Alzheimer. Das besondere Problem der klinischen Studien hierzu besteht darin, dass Erfolge über eine Krankheitsmodifikation in der ersten Phase der Progression durch die symptomatische Therapie überlagert werden. Dies bedeutet, dass die Patienten trotz einer messbaren Besserung anhand von Laborbefunden häufig eine weitere Verschlechterung der kognitiven Symptomatik erleben. Aus diesem Grund sind optimierte und validierte neurobiologische Methoden zur Früh- und Differenzialdiagnostik erforderlich, zusammen mit der Identifikation geeigneter diagnostischer biologischer Marker, die im Idealfall als Surrogatmarker und als sekundäre bzw. primäre Endpunkte klinischer Studien herangezogen werden können. Hier wie auch hinsichtlich der Studiendesigns müssen laut Hampel im methodischen Bereich noch viele Hausaufgaben gemacht werden.

Mit der Einführung neuer Wirkansätze rechnet er allenfalls in den nächsten fünf bis sieben Jahren. Die heute geschätzte Anzahl von 37 Millionen Alzheimer-Patienten wird sich im Jahr 2050 verdreifacht haben, so die allgemeine Prognose. Deshalb wird fieberhaft geforscht. 123 klinische Studien laufen im Moment weltweit zu Morbus-Alzheimer-Wirkstoffen.

hb

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