Arzneimittel und Therapie

Tapentadol kombiniert zwei Wirkmechanismen

Tapentadol ist ein neues, zentral wirksames Analgetikum, das zur Behandlung von starken Schmerzen eingesetzt wird. Tapentadol wirkt als μ-Opioid- Rezeptor-Agonist und auch als Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. In den USA ist das neue Analgetikum bereits auf dem Markt, die Zulassung für Deutschland wird für 2010 erwartet.

In Deutschland soll Tapentadol im nächsten Jahr als schnell freisetzende Tablette zur Behandlung akuter Schmerzen sowie als retardierte Form zur Behandlung chronischer Schmerzen eingeführt werden. Tapentadol ist vergleichbar wirksam wie klassische starke Opioide. Im Vergleich zu ihnen besitzt die neue Substanz ein verbessertes Verträglichkeitsprofil, besonders in Bezug auf gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Obstipation.

Kombinierte Wirkung

Tapentadol kombiniert zwei Wirkmechanismen in einem Molekül: den μ-Opioid-Rezeptor-Agonismus und die Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung. Durch die Bindung an die μ-Opioid-Rezeptoren im zentralen Nervensystem werden die sensorischen und emotionalen Aspekte des Schmerzes verändert, die Übertragung von Schmerzen zum Rückenmark gehemmt und Aktivitäten in Teilen des Gehirns beeinflusst, die für die Schmerzwahrnehmung verantwortlich sind. Die Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung steigert den Anteil an Noradrenalin im synergistischen Spalt, womit der zusätzliche schmerzlindernde Effekt erklärt werden kann. Für den Opioidrezeptor hat Tapentadol eine 50-fach niedrigere Affinität als Morphin. Dennoch wirkt die neue Substanz im Tierexperiment beim Akutschmerz nur zwei- bis viermal schwächer als Morphin, wahrscheinlich aufgrund des kombinierten Wirkmechanismus.

Der Beitrag der opioiden und der noradrenergen Komponente von Tapentadol zur analgetischen Wirksamkeit wurde mithilfe entsprechender spezifischer Antagonisten in einem akuten und einem chronischen Schmerzmodell untersucht. Dabei zeigte sich, dass beide Wirkkomponenten bei beiden Schmerzformen zur Analgesie beitragen.

Wenig Wechselwirkungen

Tapentadol wird nach oraler Einnahme fast vollständig absorbiert, die maximale Serumkonzentration wird nach 1,25 Stunden erreicht, die durchschnittliche Bioverfügbarkeit liegt bei 32%. Nach 72 Stunden sind 95% über den Urin ausgeschieden.

Da der Wirkstoff hauptsächlich über Glukoronidierung abgebaut wird, sind Interaktionen mit anderen Arzneimitteln unwahrscheinlich. Somit ist das neue Schmerzmittel auch eine Therapieoption für multimorbide Patienten, die in der Regel mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen müssen.

Chronische Schmerzen: nozizeptiv und neuropathisch

Viele chronische Schmerzsyndrome sind durch eine Kombination von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzanteilen gekennzeichnet. Der chronische Rückenschmerz ist ein häufiges Beispiel für solche Mixed-Pain-Syndrome.

In klinischen Studien wurde die Wirksamkeit von Tapentadol in einer retardierten Darreichungsform bei nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen anhand von zwei Schmerzmodellen, der diabetischen Polyneuropathie und dem chronischen lumbalen Rückenschmerz, gezeigt.

Im Vergleich zu Opioiden wie Oxycodon und Morphin zeigte Tapentadol im äquianalgetischen Dosisbereich eine mindestens gleichwertige Schmerzlinderung (visuelle Analogskala, numerische Bewertungsskala). Dabei war Tapentadol besser verträglich als andere Opioide, zum Beispiel Oxycodon.

Die wichtigsten Gründe für den Abbruch einer Schmerztherapie sind gastrointestinale Nebenwirkungen: in den ersten Tagen meist Übelkeit und Erbrechen, im weiteren Verlauf der Behandlung treten oft Beeinträchtigungen durch Obstipation auf. Durch die verbesserte Verträglichkeit gab es in den Studien unter der Behandlung mit Tapentadol deutlich weniger nebenwirkungsbedingte Therapieabbrüche.

In einer doppelblinden placebo- und aktivkontrollierten Phase-III-Studie erhielten 981 Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen eingeschlossen entweder zweimal täglich 100 bis 250 mg retardiertes Tapentadol oder zweimal täglich 20 bis 50 mg retardiertes Oxycodon (controlled release) oder Placebo. Die Behandlung dauerte insgesamt 15 Wochen. Bei vergleichbarer analgetischer Wirksamkeit waren hier unter Tapentadol die Nebenwirkungen deutlich geringer als unter Oxycodon. Dies galt besonders für die gastrointestinalen Nebenwirkungen und Pruritus. Abbruchraten aufgrund von gastrointestinalen unerwünschten Ereignissen, die mit der Behandlung assoziiert waren, betrugen unter Tapentadol 5,3% und unter Oxycodon 18,3%. Darüber hinaus wurden Verträglichkeit und analgetische Wirkung von retardiertem Tapentadol in einer Langzeitstudie bei Patienten mit chronischen Schmerzen aufgrund von lumbalem Rückenschmerz über ein Jahr gemessen. Diese Studie zeigte, dass retardiertes Tapentadol auch in der Langzeitanwendung sicher, verträglich und anhaltend wirksam ist.

Bei akuten Schmerzen gut wirksam

Die analgetische Wirksamkeit von schnell freigesetztem Tapentadol wurde in verschiedenen Akutschmerzmodellen (somatisch, viszeral), aber auch in subakuten und chronischen Schmerzmodellen gezeigt.

Daten aus postoperativen Phase-III-Studien nach Bunionektomie (operative Korrektur des Hallux valgus) oder Hysterektomie zeigen eine mit anderen starken, zentral wirksamen Analgetika wie Oxycodon oder Morphin vergleichbare analgetische Wirksamkeit von Tapentadol, bei gleichzeitig deutlich verbessertem Verträglichkeitsprofil hinsichtlich Übelkeit, Erbrechen und Obstipation.

Neue Daten aus gepoolten Analysen von Phase-II/III-Studien mit Tapentadol belegen ebenfalls die Sicherheit und Verträglichkeit der neuen Substanz. Unter der Behandlung mit Tapentadol sind die für Opioide typischen Nebenwirkungen im Vergleich zu Oxycodon reduziert. Auch bei Behandlungen von bis zu drei Monaten zeigte Tapentadol weder einen klinisch relevanten Einfluss auf das QT-Intervall oder andere EKG-Parameter noch auf den Blutdruck. Renale und hepatobiliäre Laborparameter waren ebenfalls klinisch unauffällig. Die effektive Wirksamkeit und gute Verträglichkeit führten im Rahmen der klinischen Studien zu weniger Therapieabbrüchen als unter der Behandlung mit Oxycodon. hel

 

Quelle

Prof. Dr. med. Rolf-Detlef Treede, Mannheim; Dr. med. Ulrich Jahnel, Aachen; Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Berlin; Prof. Dr. med. Ralf Baron, Kiel: "Therapie starker Schmerzen; gut, besser, ...?" Symposium auf dem Deutschen Schmerzkongress, Berlin, 8. Oktober 2009, veranstaltet von der Grünenthal GmbH, Aachen.

 

Tapentadol kombiniert zwei Wirkmechanismen in einem Molekül. Durch die Bindung an die μ-Opioid-Rezeptoren im zentralen Nervensystem werden die sensorischen und emotionalen Aspekte des Schmerzes verändert, die Übertragung von Schmerzen zum Rückenmark gehemmt und Aktivitäten in Teilen des Gehirns beeinflusst, die für die Schmerzwahrnehmung verantwortlich sind. Die Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung steigert den Anteil an Noradrenalin im synergistischen Spalt, womit der zusätzliche schmerzlindernde Effekt erklärt werden kann.

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