Aus Kammern und Verbänden

Apotheken garantieren Arzneimitteltherapiesicherheit

Am 3. Dezember 2009 tagte in Neuss die Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein. Kammerpräsident Lutz Engelen trug einen standespolitischen Bericht vor, und Prof. Dr. Martin Schulz referierte zum Thema Arzneimitteltherapiesicherheit als einer zentralen Leistung der deutschen Apotheken.
Kammerpräsident Lutz Engelen (re.) und Vizepräsident Heinz-Peter Barleben
Fotos: Alois Müller

Schulz gab zunächst einen Überblick, was die Apotheken zur Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen. Er betonte ihre besondere Verantwortung in der Selbstmedikation, die durch eine Studie belegt werden konnte. Dabei hatten 100 Apotheken je 100 aufeinander folgende Kunden mit einem Selbstmedikationswunsch erfasst. Fast bei jedem fünften Selbstmedikationswunsch wurde ein arzneimittelbezogenes Problem (ABP) erkannt. Das häufigste Problem war, dass die Symptome nicht im Rahmen der Selbstmedikation als behandelbar eingestuft wurden. 80 Prozent der ABP wurden bei einem konkreten Präparatewunsch festgestellt. Vor allem bei Schmerzen, Beschwerden des Respirationstrakts und des Magen-Darm-Trakts und Symptomen der Haut wurden ABP entdeckt. Die häufigsten Interventionen der Apotheken waren

  • Verweis an einen Arzt (39,5%) und
  • Empfehlung eines anderen Arzneimittels (28%).

Diese Ergebnisse, so Schulz, belegen die Notwendigkeit und den Nutzen der Beratung in der Apotheke für die Arzneimitteltherapiesicherheit.

Rezept kein Schutz vor ABP

Bei verordneten Arzneimitteln ist die Beratung in der Apotheke nicht minder wichtig. Hier konnte eine Studie in 130 Apotheken, die rund 14.000 Patienten berücksichtigte, zeigen, dass das Apothekenpersonal bei fast jedem fünften Patienten und jedem neunten Arzneimittel ABP erkannte und intervenierte. In jeder Apotheke bundesweit, so hob Schulz hervor, seien 18-mal täglich Arzneimittelfachleute gefragt. Vier Probleme machen 70 Prozent aller ABP aus:

  • Arzneimittelinteraktionen,
  • unklare Dosierung,
  • Patientenverunsicherung durch Generikawechsel oder
  • unbekannte Anwendung.

Innerhalb der Studie konnten knapp 96 Prozent der aufgetretenen Probleme gelöst werden.

Software löst das Problem nicht, dafür bedarf es der Interaktion mit dem Menschen! "

Prof. Schulz

Aufgaben der AMK

Im zweiten Teil des Vortrags stellte Schulz die Arbeit und die Funktion der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) vor. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Erfassung von Arzneimittelrisiken mit nachfolgender Dokumentation und Informationsweitergabe über das AMK-Phagro-System sowie Online-Umfragen in Referenzapotheken bis hin zur Mitarbeit in zahlreichen Ausschüssen und Gremien des BfArM; so sind im 21-köpfigen Sachverständigenausschuss für Apothekenpflicht zwei Apotheker tätig. Darüber hinaus ist die AMK auch im Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit des Bundesministeriums für Gesundheit und der nationalen Versorgungsleitlinie Asthma eingebunden. Für die Gremienarbeit im BfArM haben, so Schulz, die Umfragen in den Referenzapotheken eine wichtige Funktion.

Mehr Verbraucherschutz

In Zukunft möchte die AMK sich noch stärker als bisher als "Anwalt" der Verbraucher etablieren. Um die Mitarbeit der Apotheken zu fördern, sei ein neuer Berichtsbogen speziell zur Erfassung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen erstellt worden, der ab Januar online zur Verfügung steht. Nur wenn noch mehr UAW als bisher gemeldet werden – Schulz nannte als mittelfristiges Ziel 10.000 Meldungen im Jahr –, könne die AMK als unabhängiges Sprachorgan der Apothekerschaft und Anwalt der Verbraucher in der Gesellschaft agieren.

"Ohne uns wär’ nix gelaufen."

Lutz Engelen zur Grippeimpfung

Gesundheitspolitische Lage

Seit der vergangenen Kammerversammlung sei nicht viel passiert, sagte Kammerpräsident Engelen in seinem standespolitischen Bericht. Nach der Bundestagswahl war zwar viel über Ungereimtheiten zur Kinderversorgung oder über die Bundeswehr in den Medien zu lesen, aber wenig zur Gesundheitspolitik. Das Thema Zuzahlung sorgt – das zeigten auch Gespräche mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann – innerhalb der Koalition für Dissens.

Leider betrachte der Sachverständigenrat die Ausweitung liberaler Strukturen, die Aufweichung von Fremd- und Mehrbesitzverbot und die weitere Etablierung des Versandhandels als Möglichkeiten für Einsparungen im Gesundheitswesen.

Dass der Versandhandel schon im Konsumgüterbereich nicht funktioniere, könne man, so Engelen, an den Problemen von Quelle sehen. Jeder Besteller frage sich, ob ihm das bestellte Stück auch passt. Gerade bei Arzneimitteln spielt die Passform eine entscheidende Rolle, schließlich – und hier bezog Engelen sich auf den Vortrag von Prof. Schulz – müssen die individuellen Gegebenheiten im Vier-Augen-Gespräch erfragt und bei der Auswahl des Arzneimittels berücksichtigt werden. Deshalb sei der Versandhandel keine Option für eine gute und sichere Arzneimittelversorgung.

"Unser Gesundheitssystem ist kein Markt – es gibt keine freie Nachfrage nach Krankheit."

Lutz Engelen

EuGH-Urteil keine Einladung zum Ausruhen

Arbeitsergebnisse des Gesundheitsausschusses seien, so die Einschätzung Engelens, wohl erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen zu erwarten. Doch laut Koalitionsvertrag wird der freie Heilberuf Apotheker weiterhin als ein unverzichtbarer Teil des Gesundheitswesens wahrgenommen.

Engelen forderte die Kollegen auf, die Depression über Pick-up und Versandhandel zu überwinden. Wichtiger sei es, um auch die Chance des Europäischen Gerichtshof-Urteils nicht zu vertun, mit Engagement dem täglichen Beruf nachzugehen. "Ohne die Dienstleistung aus der Apotheke funktioniert das Gesundheitswesen nicht", fasste Engelen zusammen. Die Grundlage stelle § 1 der Bundesapothekerordnung dar. Damit sei schon einmal der emotionale Rahmen geschaffen.

Ziele des Vorstands

Inhaltlich setzt der Vorstand der Apothekerkammer für die kommenden fünf Jahre drei Schwerpunkte.

Zum einen soll den ständigen Attacken gegen die Beratungsqualität der Apotheken entgegengewirkt werden. Das Ziel sei, so Engelen: "Jede Apotheke berät und informiert immer umfassend und entsprechend." Um dies flächendeckend zu sichern, sei das Pseudo-Customer-Modell das einzige nachhaltige Instrument. Hier zeige sich die Bedeutung kommunikativer Fähigkeiten, die auch für die Weiterentwicklung kognitiver und die Einführung neuer Dienstleistungen wichtig seien.

Hier setzt der zweite Schwerpunkt an: Bislang haben die Apotheker sich auf pharmazeutische Themen fokussiert. Jetzt stehe der Bedarf der Menschen, der Patienten im Vordergrund. Kranke und ältere Menschen wünschen Entlastung, wollen ihre Mobilität und Eigenverantwortlichkeit möglichst lange erhalten und wünschen, dass ihre Leiden ihren Alltag möglichst wenig beeinträchtigen. Die Apothekerschaft strebe deshalb eine Eingliederung der Apotheken in Netzwerke zur Versorgung älterer Menschen an. Das werde viel Überzeugungsarbeit vor Ort bedeuten.

Der dritte Schwerpunkt ist die Konzentration auf die heilberuflichen Kernkompetenzen; das bedeutet auch Stärkung der Arzneimittelkommission und Renaissance der Dienstleistungen, die vor zehn Jahren Standard in jeder Apotheke waren. Darauf müssen sowohl Fort- und Weiterbildung als auch die Vertragsgestaltungen der Verbände hinwirken.

Impfstoffversorgung im Pandemiefall

Zum Abschluss äußerte Engelen sich zur Versorgung mit Impfstoffen gegen die Neue Grippe und erläuterte die Vorgehensweise des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW. Da das Ministerium marktunübliche Originalpackungen mit jeweils 500 Impfeinheiten erworben hat und nicht alle Ärzte an der Impfaktion teilnehmen, konnten auch nicht alle Apotheken eingebunden werden. In Gesprächen mit dem Ministerium habe die Apothekerkammer Nordrhein zu erreichen versucht, möglichst viele Apotheken einzubinden. Für eine sichere Versorgung wurde durch das Ministerium jedoch die regionale Regelung in den Kreisen und kreisfreien Städten verfolgt.

Engelen betonte, dass Neiddebatten in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platz seien. Die Impfstoffversorgung lege die gesamte Apotheke lahm, und die anfallenden Kosten würden durch die finanzielle Regelung gerade gedeckt. Kollegen, die sich in der Versorgung mit Impfstoffen engagieren, haben sich, so Engelen, für den Berufsstand stark gemacht. In einer Situation, in der es um Mangelversorgung gehe, "haben wir hervorragende Arbeit geleistet".

Nach eingehender Diskussion dieses Punktes verabschiedete die Kammerversammlung eine Resolution zur Impfstoffversorgung im Pandemiefall (siehe Kasten).

Dr. Constanze Schäfer

Resolution der Kammerversammlung der AK Nordrhein

Nordrheinische Apotheker garantieren die sachgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Impfstoffen. Die 15. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein bietet daher an, alle Apotheken in die Versorgung mit Impfstoffen auch zur Pandemieversorgung einzubeziehen.

Prof. Dr. Martin Schulz
Bei der Versorgung der Arztpraxen mit Impfstoffen gegen die Neue Grippe haben die Apotheker "hervorragende Arbeit geleistet", so Kammerpräsident Engelen.
Foto: Novartis Behring

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