Gesundheitspolitik

Solisten treiben Kosten in die Höhe

Barmer GEK: Ja zur Preisregulierung, Nein zur Mehrkostenregelung

Berlin (ks). Vor allem neue Arzneimittel gegen rheumatische Arthritis und Multiple Sklerose treiben die Medikamentenkosten der Krankenkassen nach oben. Bei der Barmer GEK führen sie die Top 20 der ausgabenstärksten Arzneimittel an. Die Steigerungsraten für alle dieser 20 Präparate bewegten sich 2009 bei der Barmer GEK fast durchweg zwischen 12 und 25 Prozent. Der durchschnittliche Ausgabenzuwachs für Arzneimittel lag dagegen bei 6 Prozent. Dies geht aus dem aktuellen Barmer GEK Arzneimittel-Report 2010 hervor.

Barmer GEK Vize-Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker (links) und Prof. Gerd Glaeske (rechts).

Foto: AZ/Sket

Was in den vergangenen neun Jahren als GEK-Arzneimittelreport erschien, ist nun der Report der beiden zu Jahresbeginn fusionierten Kassen. Prof. Gerd Glaeske und sein Team vom Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen haben diesmal die Arzneimittelverordnungsdaten von 8,8 Millionen Versicherten ausgewertet. Ein besonderes Augenmerk wird diesmal auf Zytostatika gelegt – ein für die Kassen "zunehmend belastender Bereich", wie der Report konstatiert.

Ausgaben-Spitzenreiter

Eines der wesentlichen Ergebnisse der aktuellen Studie dürfte kaum überraschen: Abermals sind es die Spezialpräparate im Hochpreissegment, die für Ausgabendynamik sorgen. Von den rund 3,7 Mrd. Euro Arzneimittelkosten der Barmer GEK für 2009 entfallen rund 20 Prozent bzw. 700 Mio. Euro auf die Top 20-Präparate. Auf Platz 1 und 2 finden sich zwei innovative Rheumamittel (Humira, Enbrel) mit Ausgabensprüngen um 20 bis 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Jahrestherapiekosten: 16.000 bis 24.000 Euro). Auf Platz 3 bis 5 liegen Präparate gegen Multiple Sklerose (Rebif, Copaxone, Avonex) mit einem Ausgabenanstieg um 12 bis 24 Prozent (Jahrestherapiekosten: im Schnitt 40.000 Euro). Für das führende Krebsmittel Glivec, Platz 8 bei Barmer GEK, Platz 3 bei den Industrieumsätzen in Deutschland, wurde ein Ausgabenzuwachs von 17 Prozent verzeichnet (Jahrestherapiekosten zwischen 38.000 und 50.000 Euro).

Barmer GEK Vize-Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker betonte, dass die Therapiefortschritte – etwa bei der rheumatoiden Arthritis – durchaus zu begrüßen seien. Dennoch sei eine Preisregulierung notwendig. Den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg zur Senkung der Arzneimittelausgaben hält Schlenker daher für "gut und richtig". Insbesondere sei es richtig, dass der GKV-Spitzenverband zuförderst in Rabattverhandlungen mit den Herstellern tritt. "Ausgesprochen posititv" sei es auch, dass der Entwurf für das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) vorsieht, dass in einem Schiedsverfahren – nach gescheiterten Verhandlungen – die Höhe des Abgabepreises in anderen europäischen Ländern zu berücksichtigen ist.

Glaeske: Regierungspläne für Solisten unzureichend

Glaeske hält die Pläne des Bundesgesundheitsministers zur Regulierung der Preise patentgeschützter Arzneimittel dagegen für nicht ausreichend – vor allem, wenn es um Solisten geht. Aus seiner Sicht muss eine "vierte Hürde" eingeführt werden. Auch mit ihr bliebe der unmittelbare Marktzutritt neuer Arzneimittel zum vom Hersteller bestimmten Preis gewährleistet. Allerdings müsste sofort mit einer Kosten-Nutzenbewertung gestartet und nicht erst auf gescheiterte Verhandlungen gewartet werden. "Es kann nicht sein, dass man sich mit Rabattverträgen die Kosten-Nutzenbewertung wegkauft", ärgert sich Glaeske. Darüber hinaus hält er die Grundlage, auf der Kassen und Hersteller patentgeschützter Arzneimittel über Rabatte verhandeln sollen – das von den Herstellern einzureichende Dossier – für "keine rationale Verhandlungsbasis".

Schlenker: Mehrkostenregelung ist "Gift"

Wenngleich Schlenker viel Lob für das Sparpaket des Bundesgesundheitsministers übrig hat – ganz ohne Wermutstropfen ist es auch für ihn nicht: Insbesondere die Mehrkostenregelung behagt dem Kassen-Vize ganz und gar nicht. Sie sei nicht nur "überflüssig", sondern auch "schlecht und ungerecht" – geradezu "Gift" für Versicherte wie auch für die Kassen und das Rabattvertragssystem generell. Offenbar hat Schlenker Befürchtungen, Apotheken könnten Versicherte schlecht beraten und eher auf ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen achten – schließlich gebe es keinen medizinischen Grund auf einem anderen Medikament zu beharren. Dafür müsse der Patient aber erst einmal den vollen Preis in der Apotheke bezahlen. Die Abwicklung der Kostenerstattung bedeute für die Kassen eine enorme Bürokratie. Zudem könnten sie beim Abschluss von Rabattverträgen keine Umsatzgarantien mehr geben, was den Herstellern missfallen könnte.

Angesichts des 2011 drohenden GKV-Defizits von 11 Mrd. Euro forderte Schlenker von der Bundesregierung weitere Sparbemühungen. So vermisst er im AMNOG-Entwurf noch eine Regelung zur Umstellung der Großhandelsvergütung. Hier sieht er ein Sparpotenzial von 400 Mio. Euro. Zudem müssten die Apotheken ihren Beitrag leisten. Dazu sollte aus Sicht der Barmer GEK mindestens der bisher geltende Apothekenabschlag von 2,30 Euro beibehalten werden. "Da sollte der Gesetzgeber unbedingt was tun", so Schlenker – 300 Mio. Euro könnte die GKV hierdurch sparen.

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