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Interpharm 2010
DIE Reiseapotheke gibt es nicht
Seit Fernflüge so billig wie eine Zugfahrt innerhalb Deutschlands zu bekommen sind, hat die Zahl der Reisenden in exotische Länder deutlich zugenommen. Parallel dazu ist der Bedarf an einer guten reisemedizinischen Beratung gestiegen. Hier kann sich die Apotheke profilieren, meinte Wicht. Er erklärte, dass eine Reiseapotheke stets an den Reisestil angepasst sein muss und nur durch genaues Nachfragen optimal zusammengestellt werden kann. So benötigt z. B. jemand, der einen Wanderurlaub plant, in erster Linie Verbandmaterial. Mit der Aushändigung dieses Materials ist es allerdings nicht getan. "Soll in einem heißen Land gewandert werden oder in einer gemäßigten Klimazone?", "Sind nur kurze Etappen zwischen Orten mit einer guten Infrastruktur geplant oder können Tage vergehen, bis der Wanderer wieder die "Zivilisation" erreicht?" sind z. B. Fragen, die man dem Urlauber stellen muss und die einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Reiseapotheke haben.
Eine Frage des Klimas
Das Klima im Reiseland spielt insgesamt eine wichtige Rolle bei der reisemedizinischen Beratung, erklärte Wicht. Nicht nur muss bei älteren Reisenden oder bei Reisenden mit einer Vorerkrankung bei Reisen in warme Länder an die Belastung des Kreislaufs und möglicherweise damit verbundene Komplikationen gedacht werden.
Die Wärme kann auch einen Einfluss auf die mitgeführten Arzneimittel haben. Viele Wirkstoffe haben unter warmen Bedingungen eine verkürzte Haltbarkeitsdauer, empfindliche Medikamente sollten Wicht zufolge daher spätestens nach dem Urlaub entsorgt und der Reisende darauf hingewiesen werden. Asthmasprays können platzen, wenn sie zu warm werden, Zäpfchen im Blister schmelzen, die Wirkung von Insulin, Blutzuckermessgeräten und Teststreifen kann verändert werden. Im Zusammenhang mit Asthmasprays gab Wicht den Tipp, wenn möglich Pulverinhalatoren zu verwenden, da diese gegenüber klimatischen Veränderungen unempfindlicher sind.
In Bezug auf die Problematik bei Zäpfchen wies er darauf hin, dass es spezielle tropenfeste Zäpfchen gibt, die mit Macrogol hergestellt werden. Fertigprodukte seien in Deutschland derzeit allerdings nicht erhältlich, sie müssten in der Apotheke selbst hergestellt werden.
Zum Sonnenschutz, der bei Reisen in warme Länder ein absolutes Muss ist, nannte Wicht den Bezug im Ausland als für Allergiker möglicherweise problematisch. Während in Deutschland Sonnenschutzmittel Paraben-frei sind, ist dies in anderen Ländern teilweise nicht der Fall. Wer entsprechend empfindlich auf Parabene reagiert, sollte seine Sonnenschutzmittel daher vor Reiseantritt einkaufen.
Rechtliche Fragen vorab klären
Für Patienten mit einer chronischen Erkrankung, die eine Dauermedikation erfordert, ist vor Reisebeginn zudem die Abklärung der rechtlichen Situation im Reiseland wichtig. Wicht empfahl, sich für mitgeführte Spritzen und Arzneimittel eine Bescheinigung ausstellen zu lassen, dass es sich dabei um den persönlichen Bedarf handelt. Vor allem bei Reisen in arabische Länder, die hier strenge Auflagen haben, sei dies notwendig. Bei Ländern außerhalb des Schengener Abkommens sollte Wicht zufolge zudem das Konsulat vor der Reise kontaktiert werden, um Konflikten an der Grenze vorzubeugen. Weiterhin empfahl er, sich zur Sicherheit die Namen der verwendeten Präparate in der Sprache des Ziellandes aufzuschreiben, um bei einem eventuellen Verlust einem Arzt im Zielland verständlich machen zu können, was benötigt wird.
Reiseimpfung bleibt wichtig
Um länderspezifische Problematiken ging es auch bei Priv.-Doz. Dr. Thomas Küpper, der über die aktuelle Situation bei der Reiseimpfung berichtete. Küpper bedauerte, dass über die Boulevardpresse immer wieder falsche Vorstellungen bei Reisenden zum Risiko bestimmter Infektionskrankheiten provoziert würden. So sei aufgrund der in den vergangenen Jahren gesunkenen Gelbfieber-Zahlen teilweise der Eindruck entstanden, dass von dieser Krankheit keine Gefahr mehr ausgehe. Das sei falsch, denn Gelbfieber könne aufgrund des Tierreservoirs nicht ausgerottet werden. Auch müsse man darauf achten, stets aktuelle Zahlen aus den Zielländern abzurufen, denn hier gebe es immer mal wieder Veränderungen. So sei derzeit Westafrika stark von Gelbfieber betroffen und eine Impfung daher wichtig. Beachten müsse man im Zusammenhang mit Gelbfieber unbedingt auch die Bestimmungen der Nachbarländer des Zielorts. Eine Grenzüberschreitung im Rahmen eines Ausflugs könnte sonst zum Problem werden.
Ein Typhusproblem hat Küpper zufolge derzeit Nepal. Von offizieller Seite gebe es dazu zwar keine Angaben, er sei aber von dort tätigen Ärzten auf die Problematik aufmerksam gemacht worden und könne jedem Nepal-Reisenden nur raten, sich vorab impfen zu lassen. Die Empfehlung gilt Küpper zufolge auch für Tollwut. Neben Indien, China und Pakistan sei die Tollwut auch in Nepal ein Problem. Am wichtigsten ist die Tollwutimpfung aber für Indienreisende. Wie Küpper erzählte, hat jeder fünfte Indienreisende Kontakt mit tollwutverdächtigen Tieren. Nur jeder 60. sei jedoch auch geimpft. Hier sei noch viel Beratungsarbeit nötig.
So wird Wasser trinkbar
Ein weiteres Thema von Küpper war die Trinkwasseraufbereitung. Küpper zufolge wird hier immer wieder der Punkt "Wasser sauber bekommen" und "Wasser sauber halten" verwechselt. Um Wasser trinkbar zu machen, gibt es laut Küpper drei Möglichkeiten:
- Möglichkeit 1 ist das Erhitzen des Wassers. Es sollte etwa eine Minute lang mit Blasenbildung kochen, dann sei es "sauber". Da die Methode allerdings das Vorhandensein von Brennmaterial erfordert, ist sie in vielen Fällen nicht und nur schlecht geeignet.
- Möglichkeit 2 der Wasserentkeimung ist der Einsatz von Hypochlorit. Ein Zeichen für eine erfolgreiche Durchführung der Methode sei ein leichter Chlorgeschmack des Wassers. Um diesen Geschmack zu überdecken, empfahl Küpper den Zusatz von etwas Vitamin C.
- Ein Manko der chemischen Desinfektion ist der teilweise Verbleib großer Keime. Sie lassen sich mit Methode 3 der Filtration entfernen. Da die Filtration wiederum keine Viren aus dem Wasser entfernt, ist laut Küpper die Kombination von chemischer Desinfektion und Filtration die beste Methode, um Trinkwasser zu schaffen.
Zur Vermeidung einer Wiederverkeimung des Wassers eignen sich Präparate mit Silberionen (z. B. Micropur).
ral
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