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Interpharm 2010
Wie Störungen der Gerinnung zu erkennen sind
Die laboranalytische Testverfahren werden entsprechend ihrer biologischen Messgröße in plasmatische, thrombozytäre und fibrinolytische Hämostasetests unterteilt. Alle verwenden Vollblut als Ausgangsmaterial. Während der Blutabnahme wird das Blut mit Natriumcitrat antikoaguliert, um eine vorzeitige und unerwünschte Gerinnungsaktivierung durch die Punktionsverletzung und den Kontakt mit den Materialien des Abnahmesystems und der Blutmonovette zu verhindern. Mit Ausnahme einiger Vollbluttests wird das mit Citrat-antikoagulierte Vollblut für die Gerinnungsanalytik durch Zentrifugation in die plasmatischen und zellulären Bestandteile getrennt.
In der plasmatischen Hämostasediagnostik werden die Aktivierbarkeit der im Plasma vorliegenden Gerinnungsfaktoren und die Fähigkeit zur Fibrinbildung gemessen. Zwei wichtige Tests, mit denen mehrere Gerinnungsfaktoren erfasst werden, sind die, mit denen die Thromboplastinzeit (Quick-Wert) und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) bestimmt werden. Sie werden auch als Global- oder Gruppentests bezeichnet.
Bei der Bestimmung des Quick-Wertes wird der Plasmaprobe gereinigtes Thromboplastin zugegeben und die Zeit bis zur Fibrinbildung gemessen. Zu den von der Thromboplastinzeit erfassten Gerinnungsfaktoren gehören die Vitamin K-abhängig synthetisierten Gerinnungsfaktoren II, VII und X. Deswegen kann mit der Thromboplastinzeit die Wirkung einer oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten, wie zum Beispiel von Phenprocoumon (Marcumar®), gemessen werden.
Um ein möglichst großes Maß an Unabhängigkeit von dem eingesetzten Reagens und der Methodik zu erreichen, wird die gemessene Thromboplastinzeit zu dem Referenzwert eines gesunden Normalkollektivs ins Verhältnis gesetzt und zusätzlich mit einem Reagenzien-abhängigen Korrekturfaktor potenziert. Das Ergebnis ist die International normalized ratio (INR) (Tab. 1).
Tab. 1: Formel für die Berechnung der International normalized ratio (INR). |
Prothrombin-Ratio = Patientenwert ÷ Normalwert
INR = Prothrombin-RatioISI-Wert
ISI = International Sensitivity Index
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Dementsprechend bedeutet ein INR-Wert von 2 eine Verdoppelung der Gerinnungszeit beim Patienten. Die INR ist eine wichtige Zielgröße für den Zuschnitt einer antikoagulativen Therapie bei verschiedenen Grunderkrankungen (siehe Tab. 2).
Tab. 2: INR-Zielbereiche für antikoagulative Therapien |
INR 1,5 bis 2: "low-dose" Antikoagulation
→ Antikoagulation bei Patienten mit sehr hohem Blutungsrisiko
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INR 2 bis 3: therapeutische Antikoagulation
→ Vorhofflimmern
→ Thromboseprophylaxe
→ Herzklappenprothesen
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INR 2,5 bis 3,5: "high-dose" Antikoagulation
→ ausgewählte Mitralklappenprothesen
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Der Haupt-Anteil dieser Patienten wird heute mit einer therapeutischen Antikoagulation (INR 2-3) geführt.
Im Unterschied zum Quick-Wert wird bei der Bestimmung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) der Gerinnungsprozess nicht durch Zugabe von Thromboplastin sondern durch Zugabe eines Kontaktfaktorenaktivators erfasst.
Da die aPTT- und die Thromboplastinzeit zum Teil unterschiedliche Gerinnungsfaktoren erfassen, kann durch die parallele Bestimmung beider Gerinnungsteste eine erste differenzialdiagnostische Abklärung bei Verdacht auf das Vorliegen eines Faktorenmangels erfolgen. So decken beide die Aktivitäten der Faktoren X, V, II und die Konzentration an gerinnbarem Fibrinogen ab, während die Aktivität von Faktor VII nur durch den Quick-Wert und die Aktivitäten der Faktoren XI, IX und VIII nur durch die aPTT erfasst werden (siehe Abb.).
Durch Bestimmung der Einzelfaktorenaktivität mithilfe definierter Mangelplasmen ist es in der weiteren diagnostischen Abklärung möglich, den betroffenen Gerinnungsfaktor zu identifizieren und eine erste Einschätzung des Schweregrads einer Gerinnungsstörung vorzunehmen. Beispielsweise kann der Schweregrad einer Hämophilie A, eines angeborenen Faktor-VIII-Mangels, anhand der Restaktivität einer schweren, mittelschweren oder milden Verlaufsform zugeordnet werden.
Die klinische Wertigkeit der erhobenen Befunde wird außerdem über definierte Referenzintervalle, die über induktive Methoden von gesunden Probanden ermittelt werden, beurteilt.
Des Weiteren kann eine Diagnose im Fall von hereditären Gerinnungsstörungen, wie der Hämophilie A, durch eine molekulargenetische Untersuchung bestätigt werden.
Anhand von Fallbeispielen machte Pötzsch deutlich, wie erhobene Werte interpretiert werden und wie mit einfachen Tests in Notfallsituationen bereits wichtige Therapieentscheidungen getroffen werden können.
hb
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