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DAZ aktuell
Trümper: Großhandelserträge sind drastisch gesunken
DAZ: Noch im vergangenen Jahr setzten Sie sich dafür ein, die Großhandelsspanne umzustellen auf einen Fixzuschlag von 93 Cent und einen prozentualen Zuschlag von 3%. Hintergrund ist das nicht mehr kostendeckende Handling von geringpreisigen Arzneimitteln und der Direktvertrieb hochpreisiger Arzneimittel. Dieser Vorschlag ist jedoch gescheitert. Jetzt sieht der Gegenvorschlag der Regierung anders aus: nur 60 Cent fix und 1,7% – weit weg von Ihrer Forderung. So hatten Sie es sich nicht vorgestellt. Wie stellt sich diese Situation für den Großhandel dar? Können Sie damit leben?
Trümper: Da Sie die Frage direkt stellen: Nein, damit können wir nicht leben. Der Vorschlag der Regierung liegt weitab von dem, was wir vorgeschlagen haben. Deshalb besteht hier noch Diskussionsbedarf. Aber lassen Sie mich dazu sagen: Es macht derzeit noch keinen Sinn, auf Basis dieses Gesetzentwurfes schon die Zukunft zu planen. Die Verabschiedung des Gesetzes wird sich bis Oktober hinziehen. Ende September ist die Anhörung der Verbände terminiert und danach wird erst feststehen, wie das Gesetz aussieht. Ich gehe davon aus, dass man in der Politik bereit sein wird, die Argumente derjenigen, die in der Handelskette für Arzneimittel stehen, noch zu hören. Und dass man auch bereit ist, Änderungen einzubringen.
DAZ: Der Phagro hat ein Ersatzmodell vorgestellt mit gestaffelten Handelsspannen entsprechend des Aufwands für das Arzneimittelhandling. Der Minister hat dieses Modell nicht befürwortet. Sehen Sie noch Chancen, hier etwas zu ändern?
Trümper: Soweit mir bekannt ist, hat Bundesgesundheitsminister Rösler vor wenigen Tagen in einem Interview gesagt, dass er sich eine Staffelung der Handelsspanne durchaus vorstellen könnte. Diese muss nicht unbedingt so aussehen, wie wir sie vorgeschlagen haben. Der Phagro hat ein Gespräch mit dem Gesundheitsminister geführt. Darin hat er uns zugesichert, dass er auf Grundlage unseres Vorschlages die Diskussion beginnen wird. Leider ist dies, wahrscheinlich aus Zeitgründen, nicht geschehen. Ich gehe aber davon aus, dass der Minister zu seinem Wort steht und dass die Beamten des Gesundheitsministeriums mit uns auf jeden Fall noch einmal über diese Fragen diskutieren werden. Wir sind guten Mutes.
DAZ: Der Großhandel kann mit dem jetzigen Passus im Gesetzentwurf nicht gut leben. Die Apotheken aber auch nicht, denn es ist davon auszugehen, dass diese Veränderungen massive Auswirkungen auf die Apotheken haben: Der Großhandel soll, so die Vorstellung der Bundesregierung, 350 Millionen zum Sparpaket beitragen. Das bedeutet, dass er kaum noch Rabatte an Apotheken gewähren kann. Wird Ihnen damit eines der wichtigsten Wettbewerbsinstrumente genommen?
Trümper: Das ist sicherlich richtig, dass die Rabatte ein Wettbewerbsinstrument sind. Darauf haben wir als Phagro schon immer hingewiesen. Auf der anderen Seite: Wir haben im vergangenen Jahr mit der 15. AMG-Novelle einen gesetzlichen Versorgungsauftrag bekommen, den wir erfüllen müssen. Das heißt, die Kosten, die im pharmazeutischen Großhandel entstehen, müssen gedeckt werden, das ist nicht verhandlungsfähig. Um die Kosten abzudecken, haben wir den Fixbetrag ins Modell geschrieben, der für den Großhandel auch eine Gefahr bedeutet, weil er an den Kostensteigerungen nicht teilnimmt. Diesen Fixbetrag brauchen wir. Und es ist sinnvoll, darauf umzustellen, damit die Public service obligation gedeckt ist. Der Rest ist freier Markt. Das haben wir im Übrigen sehr deutlich auch mit dem Deutschen Apothekerverband abgestimmt. Der DAV hat immer gesagt, dass er dies auch vernünftig findet.
DAZ: Sind vielleicht nicht doch noch Einsparungen an anderer Stelle drin?
Trümper: Der pharmazeutische Großhandel ist ein Vorzeigemodell in Deutschland. Es gibt kaum eine Branche, die so effektiv arbeitet wie der pharmazeutische Großhandel. Das Argument, der Großhandel könne noch Kosten sparen, ist nicht richtig. Kritisiert wird u. a. die Mehrfachbelieferung einer Apotheke. Diese Kritik wird nur von denen vorgebracht, die von der Sache nichts verstehen. Eine dreimalige Belieferung ist beispielsweise deshalb notwendig, weil die Apotheken ihre Lagerbestände in den letzten Jahren drastisch nach unten gefahren haben. Es ist volkswirtschaftlich gesehen wesentlich günstiger, durchschnittlich dreimal pro Tag in die Apotheke zu fahren als in 21.500 Apotheken die Lagerbestände nach oben zu fahren. Außerdem, wenn wir weniger fahren, transportieren wir deswegen nicht weniger. Der Großhandel müsste dann mit größeren Fahrzeugen fahren – das wirft andere Probleme auf bis hin zu dem Problem Nachtschleuse in der Apotheke, die nur eine bestimmte Größe haben und nicht beliebig erweiterbar sind. Weiterhin würden Opiate und Kühlkettenartikel, die nur direkt abgegeben werden können, wesentlich längere Lieferzeiten haben. Also, es gibt viele Aspekte bei diesem Thema, die dazu führen, dass man im Großhandelsbereich bei den Kosten nicht sparen kann, ohne damit große Probleme in der Arzneimittelversorgung zu erzeugen.
DAZ: Aber die Umsätze beim Großhandel gehen nach oben. Und die Erträge auch?
Trümper: Es ist schlichtweg falsch, wenn behauptet wird, dass die Erträge bei den Großhandlungen in den vergangenen Jahren gestiegen sind. In Deutschland werden Umsatzrenditen von 0,3% im Großhandel erwirtschaftet – das waren vor fünf Jahren noch 2 Prozent. Unsere Renditen sind drastisch nach unten gegangen, drastischer als bei den Herstellern und den Apotheken. Wir sind diejenigen in der Handelskette, die am meisten Verluste in ihrer Umsatzrendite hatten. Dazu muss man verstehen, dass eine wesentliche Funktion des pharmazeutischen Großhandels die Zwischenfinanzierung ist. Wir kaufen die Ware von den Herstellern, wir zahlen an sie relativ schnell, wir lagern die Ware ein, wir liefern sie auf Abruf an die Apotheken. Nach der Lieferung stellen wir erst eine Rechnung an den Apotheker, wenn er sein Geld vom Apothekenrechenzentrum bekommen hat. Das heißt: Das komplette Warenrisiko liegt allein beim Großhandel. Wir finanzieren auf diese Weise etwa sechs bis zehn Wochen den gesamten Arzneimittelbedarf Deutschlands, d. h. unsere Lager, teilweise die der Apotheken und den Abverkauf an Patienten. Wir finanzieren dies in letzterem Falle für die Krankenkassen, denn die zahlen erst im Folgemonat, wenn die Rezepte abgerechnet wurden. Der Großhandel erfüllt somit auch für die Kassen eine wichtige Finanzierungsfunktion. In Zahlen: Wir finanzieren ständig Arzneimittel im Wert von mindestens drei Milliarden Euro. Das bezahlen wir nicht aus der Portokasse. Wir müssen dafür Warenkredite bei Banken aufnehmen. Bei einer Umsatzrendite von 0,3% rutscht man im Rating der Banken soweit ab, dass diese Kredite sehr teuer werden – wenn man überhaupt welche bekommt. Deshalb: Wenn wir heute eine Umsatzrendite von nur 0,3% haben, dann kann man dem Großhandel nicht mehr viel wegnehmen. Deshalb haben wir unser Vorschlagsmodell so berechnet, dass unsere Marge bestehen bleibt. Und dass wir daraus auch noch Konditionen gewähren können im Rahmen unseres Handelsgeschäfts.
DAZ: Das heißt im Klartext: Da ist kaum noch Luft drin.
Trümper: Ich würde sogar sagen, da ist überhaupt keine Luft mehr drin.
DAZ: Nun ist es aber Ziel der Regierung, die Rabatte des Großhandels an die Apotheken bis auf Funktionsrabatte abzuschöpfen
Trümper: Das geht auf eine Äußerung des Spitzenverbands der Krankenversicherungen zurück, die von 400 Millionen Euro an Rabatten sprachen, die an die Apotheken gegeben werden. Die Krankenkassen haben dabei übersehen, dass der Großhandel mit rezeptpflichtigen und nicht-rezeptpflichtigen Arzneimitteln handelt. 78% entfallen dabei auf die rezeptpflichtigen und 22% auf die nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel und Nicht-Arzneimittel. 60% seiner Marge bezieht der Großhandel aus dem Rx-Bereich und 40% aus dem Non-Rx-Bereich. Zieht man davon noch die Kosten ab, bleibt ein Zwischenergebnis des Großhandels – und nur davon können wir einen Rabatt geben. Da sieht man sehr deutlich, dass es weniger als 100 Millionen sind, die für die Branche im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimittel übrig bleiben und ein wesentlich höherer Betrag im Bereich der nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel. Das Ministerium kann aber keinen Anspruch auf die Rabatte aus dem Bereich der Non-Rx-Artikel erheben, hier würde sich die Regierung auf sehr dünnem Eis bewegen.
DAZ: In der Presse liest man mitunter, dass der Großhandel neben seiner Marge auch Gebühren verschiedenster Art von der Apotheke erhebt, beispielsweise eine Belieferungsgebühr und andere. Hier werden Beträge genannt, die sich auf 300 Millionen Euro summieren. So richtig?
Trümper: Das ist Humbug. Es gibt keine offizielle Erhebung über diese Zahl. Hört man sich im Markt um, dann kommt man allenfalls auf einen Betrag, der eine Zehnerpotenz niedriger liegt, also maximal bei 30 bis 50 Mio. Euro. Dieser Betrag ist aber durchaus zu rechtfertigen, weil er in aller Regel für Leistungen erhoben wird, die nicht mit der Arzneimittelpreisverordnung abgegolten werden.
DAZ: Können Sie hier ein paar Beispiele nennen?
Trümper: Das ist sehr schwierig, da jede Firma eigene Regeln aufgestellt hat. Da gibt es beispielsweise auch regionale Unterschiede.
DAZ: Zurück zu den Sparplänen. Die Regierung ist entschlossen zu sparen. Viele Apotheken hängen am Tropf des Großhandels. Sollten diese Rabatte nicht mehr gewährt werden können, werden diese Apotheken und der Großhandel mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Apotheken kämpfen um ihre Existenz. Wie sehen Sie dieses Szenario?
Trümper: Ich kann hier nur für den pharmazeutischen Großhandel sprechen. Und der kann mit den geplanten Einsparungen, wie gesagt, nicht leben. Im Übrigen: Mit dem GMG 2004 wurde dem Großhandel die Marge um die Hälfte gekürzt. So viel musste keiner, der in dieser Handelskette beteiligt ist, bluten. Deswegen gehen wir davon aus, dass jetzt der Großhandel derjenige sein muss, der den kleinsten Teil gibt.
DAZ: Herr Dr. Trümper, vielen Dank für das Gespräch.
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