Gesundheitspolitik

Mit ganzheitlichen Plänen gegen Ressourcenknappheit

Neue Studie des Kieler Fritz-Beske-Instituts vorgestellt

KIEL (tmb). "Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, zu dem es weder möglich ist, den bisherigen Leistungsumfang in Gesundheit und Pflege zu finanzieren noch die heutigen Leistungen durch Fachkräfte zu erbringen", meint Prof. Dr. Fritz Beske. Dann stünden alle Leistungen zueinander in Konkurrenz um begrenzte Finanzmittel und Fachkräfte. Dies erläuterte Beske am 24. Februar in Berlin bei der Präsentation der jüngsten Studie seines Instituts. Der neue Band 119 der Schriftenreihe des Kieler Fritz-Beske-Instituts für Gesundheitssystemforschung trägt den Titel "Sechs Entwicklungslinien in Gesundheit und Pflege".

Darin leitet Beske seine Folgerungen aus sechs Entwicklungslinien ab: demografischer Wandel, Morbidität, medizinischer Fortschritt, Fachkräftemangel, Versorgungsstruktur für Pflegebedürftige sowie Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Sozialen Pflegeversicherung. Bis zum Jahr 2050 werde der Altenquotient – das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den nicht mehr Erwerbstätigen – von heute 3:1 auf 1:1 sinken. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde sich bis dahin verdoppeln, außerdem würden die Krankheitsfälle bei vielen teuren Indikationen deutlich zunehmen.

Medizinischer Fortschritt muss allen zugute kommen

Grundlage jeder weiteren Verbesserung der Gesundheitsversorgung sei der medizinische Fortschritt, von dem niemand ausgeschlossen werden dürfe. Doch sei dies auch der teuerste Faktor. Angesichts des hohen Bedarfs und der geringen Zahl junger Menschen werden künftig im Gesundheitswesen viele Fachkräfte fehlen. Das Statistische Bundesamt rechnet für 2025 mit etwa 152.000 fehlenden Pflegekräften, andere Organisationen gehen von noch größen Lücken aus. Durch die zunehmende Professionalisierung der Pflege und die steigende Zahl von Ein-Personen-Haushalten steigt auch der Bedarf an Pflegeplätzen. Letztlich müssen alle diese Leistungen finanziert werden. Dies führt zu einer Hochrechnung des GKV-Beitragssatzes auf 52 Prozent für das Jahr 2060. Doch auch wenn keine dieser Prognosen genau zutrifft, zeigen sie die Größenordnungen und Entwicklungstendenzen, heißt es in der jüngsten Studie aus Beskes Institut.

Empfohlene Lösungsansätze

Als Konsequenz müsse jede Leistung in Art und Umfang daraufhin überprüft werden, welchen Stellenwert ihr in Konkurrenz zu allen anderen Leistungen zukommt. Zur Lösung der beschriebenen Probleme wird vorgeschlagen, der Bund solle sich auf eine Rahmengesetzgebung beschränken. Die Lösungen lägen in den Regionen, Kreisen und Kommunen. Erforderlich sei ein koordinierter Ansatz, der auf regionaler Ebene die vier Leistungsbereiche der ambulanten und stationären Versorgung sowie Pflege und Rehabilitation umfasst. Es seien leistungs- und sektorenübergreifende Verbünde nötig. Dazu müssten die Finanzströme so gelenkt werden, dass in den Regionen die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Außerdem müssten GKV, Soziale Pflegeversicherung und Rehabilitation wieder zusammengeführt werden. Gegen den Fachkräftemangel sollten die Aufgaben der Berufsgruppen jeweils genau bestimmt und die hoch qualifizierten Fachkräfte möglichst entlastet werden, auch durch den Ausbau der Pflegeassistenzberufe. Auch mit Innovationen seien Entlastungen möglich. Um die Ausgaben zu begrenzen, dürfe nur versprochen werden, was auch finanziert werden könne.

Leistungen der GKV neu definieren

Wie schon bei früheren Gelegenheiten fordert Beske in der jüngsten Studie eine Neubestimmung der GKV-Leistungen. Erste Aufgabe der GKV sei die Versorgung im Krankheitsfall, ergänzt um definierte Präventionsmaßnahmen. Zudem müsse über Rationierung und Priorisierung diskutiert werden, wie es Beske schon seit längerer Zeit fordert. Insgesamt konstatiert er, dass die Zeit drängt. So schließt die neue Arbeit mit dem Appell: "Gehandelt werden muss sofort."



AZ 2011, Nr. 11, S. 3

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.