Recht

Arbeitsschutzrecht: "Sauna im Büro"?

Über "35 Grad" kann es kriminell werden

(bü). Sommer – Sonne – Schweiß. Dieser Dreiklang macht nicht nur Bauarbeitern und anderen Freiluftwerklern zu schaffen. Auch in Büros kann es unerträglich warm werden, etwa wenn die Klimaanlage ausgefallen ist oder es gar nicht erst eine gibt (was ja durchaus auch Vorteile haben kann).

Es soll Unternehmer geben, denen das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter so sehr am Herzen liegt, dass sie ihnen – je nach Temperatur in den Arbeitsräumen – Vergünstigungen verschiedenster Art einräumen. Das fängt bei kostenlosen Getränken an und setzt sich fort über Salatbuffets, Aufstellung von Ventilatoren oder gar vorübergehende Aufenthalte in "Kühlräumen", der Erlaubnis, dass die Damen die Rocksäume kürzen und die Herren gleich in kurzen Hosen erscheinen dürfen, dass geleistete Arbeitsstunden höher bezahlt werden – bis zum "Hitzefrei" auf Firmenkosten, inklusive Freikarte fürs Schwimmbad. Na gut, eine nicht in allen Punkten realistische Auflistung

Fakt dürfte aber sein, dass Unternehmer sich an das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung halten (oder besser: halten sollten). Darin ist penibel geregelt, was zu tun ist, wenn die Temperaturen die Arbeitsfreude (und damit die Schaffenskraft) erlahmen lassen. Das sollte auch selbstverständlich sein. Ermüdungserscheinungen mit einhergehender Leistungsminderung erfreuen schließlich keinen Firmenboss. Und Konzentrationsmangel führt unweigerlich zu einer höheren Unfallgefahr.

Die Arbeitsstättenverordnung gibt ganz allgemein vor, dass für Bereiche von Arbeitsplätzen, die unter "starker Hitzeentwicklung" stehen, die Möglichkeit bestehen sollte, die Räume "im Rahmen des betrieblich Möglichen" auf eine erträgliche Temperatur zu kühlen, etwa dadurch, dass Außenjalousien angebracht worden sind. Ergänzend dazu heißt es in den Arbeitsstättenrichtlinien, dass die Raumtemperatur in Arbeitsräumen 26 Grad Celsius nicht überschreiten "soll" (von "Hitzearbeitsplätzen" abgesehen). Dabei ist Raumtemperatur "die in einer Höhe von 75 Zentimetern über dem Fußboden in der Mitte des geschlossenen Raumes mit einem Thermometer gemessene Temperatur". Das Landgericht Bielefeld gewährt allerdings Spielraum nach oben: Bei höheren Temperaturen muss die Innenraumtemperatur mindestens sechs Grad unter der Außentemperatur liegen. Bei 33 Grad Celsius Außentemperatur genügt an Arbeitsplätzen danach also eine Abkühlung auf 27 Grad Celsius. Gesichtspunkte von Energieeinsparung und Umweltschutz treten dahinter zurück. (Az.: 3 O 411/01)

Generell gilt die Arbeitsstättenregel, die ab einer Außentemperatur von 26 Grad Celsius ein Stufenmodell mit Schutzmaßnahmen vorsieht. Danach werden bei Lufttemperaturen in Arbeitsräumen in der Stufe "über 26 Grad" verschiedene Maßnahmen empfohlen. Bei 30 bis 35 Grad Celsius muss der Arbeitgeber ("zwingend"!) wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen. Bei mehr als 35 Grad wird die Tätigkeit in einem Arbeitsraum grundsätzlich als ungeeignet angesehen (von Ausnahmen – Stichwort "Hitzearbeit" – abgesehen). Trotz dieser Neuregelung gibt es keinen Rechtsanspruch auf Klimaanlage oder hitzefrei. Arbeitnehmer aber, die bei solchen Temperaturen beim besten Willen nicht mehr arbeiten können, dürfen das Recht haben, "die Weiterarbeit zu verweigern", so ein Rechtsanwalt.

Es versteht sich, dass das "Temperaturempfinden" individuell und von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig ist. Es kommt auf die physikalischen Bedingungen an (etwa: Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Luftzusammensetzung und optische Einflüsse), ferner auf "intermediäre Bedingungen" (etwa: Kleidung, Tätigkeitsgrad, Tageszeit, Raumbesetzung) und schließlich auf psychosoziale Faktoren (etwa: Konstitution, körperliche Verfassung, Geschlecht, Alter).

Fragt sich nur noch, was geschieht, wenn trotz "Bullenhitze" der Arbeitgeber "kühl" bleibt? Den Arbeitnehmern steht ein Beschwerderecht zu. Sie gehen damit allerdings nicht vor das Arbeitsgericht, sondern zur für Arbeitsschutz örtlich zuständigen Behörde. Dort gibt es Fachleute, die mit dem Unternehmer Abhilfemaßnahmen diskutieren und konkrete Vorschläge machen. Folgt darauf nichts in Richtung Arbeitsschutz, dann könnte dem Arbeitgeber auch schon mal mit einem Bußgeld gedroht werden

Andererseits: Natürlich haben Arbeitnehmer auch das Recht, ihr Mütchen vor dem Arbeitsgericht zu kühlen. Ob das immer empfehlenswert ist, ist eine andere Frage, die im Kollegenkreis sicher heiß diskutiert wird



AZ 2011, Nr. 34, S. 7

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