Gesundheitspolitik

Koalition will Testlauf für ABDA/KBV-Arzneimittelkonzept

Konzept soll ins Versorgungsstrukturgesetz – Westfalen-Lippe will Modellregion werden

Berlin (lk). Erfolg für das ABDA/KBV-Zukunftskonzept: Das von Apothekern und Ärzten gemeinsam entwickelte Konzept zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung insbesondere von chronisch Kranken findet doch noch Eingang in das Versorgungsstrukturgesetz. Darauf haben sich jetzt die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition geeinigt. Ein entsprechender Änderungsantrag liegt der AZ vor.

Losgehen könnte es schon Anfang nächsten Jahres. Denn als erster Bezirk drängt die Apothekerkammer Westfalen-Lippe darauf, Modellregion zu werden: "Wir warten nur auf den Startschuss", sagte Kammergeschäftsführer Michael Schmitz zur AZ.

Doch dafür muss der Änderungsantrag erst Gesetz werden: Die Beratungen des Deutschen Bundestages über das Versorgungsstrukturgesetz laufen gerade an. Es warten über 100 Änderungsanträge auf über 1000 Seiten. Die Zeit drängt. Zum 1. Januar 2012 soll das Versorgungsstrukturgesetz mit dem ABDA/KBV-Konzept in Kraft treten.

Die Kernpunkte: In Modellregionen sollen die Landesverbände von Apothekerschaft und Ärzten das Arzneimittelkonzept testen. Sinken dadurch wie erwartet die Therapiekosten, können sich Apotheker und Ärzte die Minderausgaben der Krankenkassen als Honorar teilen. "Die Regelung ermöglicht der Selbstverwaltung auf Landesebene die Durchführung eines Modellvorhabens zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung zu vereinbaren. Dies soll zur Verbesserung der Therapietreue der Patienten beitragen und die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern durch die Vermeidung arzneimittelbezogener Probleme und die Verminderung von Arzneimittelrisiken", heißt es in der Begründung des Antrags.

Ursprünglich hatten ABDA und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Honorar für die gemeinsame Betreuung eines Chronikers eine Pauschale von 360 Euro pro Jahr gefordert. Darauf lässt sich die Koalition nicht ein. Allerdings können Apotheker und Ärzte an den ersparten Therapiekosten partizipieren: "Wenn durch die für das Modellprojekt vereinbarten Leistungen Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung erreicht werden, sollen davon auch die teilnehmenden Leistungserbringer profitieren. Mehraufwendungen durch das Modellprojekt sind den Krankenkassen auszugleichen, so dass für die gesetzliche Krankenversicherung Kostenneutralität gewährleistet ist", heißt es weiter.

Medikationskatalog als Grundlage

Grundlage für Verordnungen von Arzneimitteln sei dabei ein Medikationskatalog auf Wirkstoffbasis, der eine leitliniengerechte Versorgung sicherstelle. Der Medikationskatalog sei von den Vertragspartnern zu vereinbaren. Darin sollen für alle wichtigen Indikationen jeweils Vorgaben zur wirtschaftlichen Auswahl von Wirkstoffen gemacht werden. Darüber hinaus könne vereinbart werden, dass anstelle von spezifischen Präparaten ausschließlich Wirkstoffe verordnet würden.

Insbesondere für chronisch kranke Patienten, die mindestens fünf Arzneimittel dauerhaft einnehmen, könne auch ein sogenanntes Medikationsmanagement vereinbart werden. Dabei gehe es um die kontinuierliche Erfassung und Prüfung der Gesamtmedikation des Patienten durch Ärzte gemeinsam mit Apothekern, heißt es im Änderungsantrag weiter. Dies entspricht im Kern dem gemeinsamen ABDA/KBV-Zukunftskonzept.

Schiedsamt soll bei Widerständen schlichten

Außerdem will die Koalition sicherstellen, dass Modellprojekte nicht an Widerständen scheitern. Sollten auf freiwilliger Basis keine Modellprojekte vereinbart werden können, kann jede Seite das Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung anrufen. Damit dort "Waffengleichheit" herrscht, wird das Gremium um die gleiche Anzahl von Apothekervertretern aufgestockt wie dort Krankenkassen und Ärzte vertreten sind. Das Schiedsamt entscheidet dann mit Zweidrittel-Mehrheit.

KBV und ABDA hatten ihr Zukunftskonzept bereits im April vorgestellt und eine Aufnahme in das Versorgungsstrukturgesetz gefordert. Das war im Bundesgesundheitsministerium zunächst auf Ablehnung gestoßen. Es gebe keinen Anlass, das ABDA/KBV-Konzept "für alle zwingend vorzuschreiben", hatte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei der Vorstellung des Entwurfs des Versorgungsgesetzes gegenüber der AZ gesagt. Mit dem vorliegenden Änderungsantrag hat das Ministerium seine Position korrigiert. Der Änderungsantrag geht jetzt in die parlamentarische Beratung. Das Versorgungsstrukturgesetz soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten.

Westfalen-Lippe läuft sich warm

Im Kammerbezirk Westfalen-Lippe ist man an dem Modell sehr interessiert. Es habe bereits Informationsveranstaltungen und viele Gespräche gegeben, sagte Schmitz. Auch mit der KV Westfalen-Lippe sein man sich einig. Dort sei man "Feuer und Flamme" für das Konzept. Auch anderen Organisationen, etwa der Verbraucherzentrale, habe man die Idee mit positiver Resonanz vorgestellt. Mit Krankenkassen gab es ebenfalls Gespräche.

Damit sei das Konzept in Westfalen-Lippe bislang am weitesten vorangetrieben, so Schmitz. Mit 8,5 Millionen Menschen sei der Kammerbezirk als Testregion repräsentativ besonders geeignet. Schmitz: "Das sind immerhin zehn Prozent der Bevölkerung." Damit ließen sich verlässliche Aussagen über das Einsparpotenzial ermitteln. Für die Region Westfalen-Lippe sieht die Apothekerkammer ein Einsparpotenzial von 200 Millionen Euro – eine Vergütung der beteiligten Ärzte und Apotheken bereits abgerechnet.



AZ 2011, Nr. 37, S. 1

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.