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Radiologisches Institut in Japan: derzeit keine Gefahr

TOKYO (cae). Die stoische Gelassenheit, mit der die meisten Japaner die Erdbebenkatastrophe und ihre noch ungewissen Folgen ertragen, weckt Bewunderung. Dabei ist die Bevölkerung keineswegs sorglos, im Gegenteil. Sie wendet sich mit ihren Fragen an Experten, die die Situation nüchtern beurteilen und vor unüberlegten Maßnahmen warnen. – Der folgende Bericht ist eine Momentaufnahme vom Anfang dieser Woche. An diesem Wochenende kann die Lage völlig anders aussehen.
Klärt auf Das Nationale Radiologische Institut in Japan betreibt über seine Website (www.nirs.go.jp) Aufklärungsarbeit. Es bittet allerdings auch dringend: "Wählen Sie nicht die Notrufnummer zur Therapie von Atombomben­opfern!" (in roter Schrift). Teile der Website können in englischer Sprache aufgerufen werden.

Die Website der Japanischen Pharmazeutischen Gesellschaft (Nihon yakuzaishikai, JPA, www.nichiyaku.or.jp), die auch Aufgaben einer Apothekerkammer wahrnimmt, ist in diesen Tagen so langweilig wie immer. Am 21. März stammt die aktuellste Nachricht vom 15. März. Es handelt sich um den Wortlaut einer Rundmail, die auf die vielen Anfragen von Apothekern Bezug nimmt, ob sie Kaliumiodid-Tabletten abgeben sollen oder nicht.

Die JPA rät davon ab und verweist auf zwei Quellen, die mit der Website verlinkt sind: Das eine ist eine von der Gesellschaft für Kernreaktorsicherheit bereits im April 2002 (nach japanischer Zeitrechnung: Heisei 14) publizierte Denkschrift, welche Maßnahmen bei Störfällen in Kernkraftwerken zu ergreifen sind. Dieser Text ist sehr umfangreich und wissenschaftlich anspruchsvoll. Er zitiert insbesondere wissenschaftliche Studien, die die Folgen des GAU von Tschernobyl untersucht haben.

Weiterhin verweist die JPA auf die aktuelle Website des Nationalen Radiologischen Instituts (Hoshasen igaku sogo kenkyujo, NIRS, www.nirs.go.jp). Diese scheint zurzeit die erste Anlaufstelle für alle Fragen zur möglichen Bedrohung durch die Reaktorkatastrophe zu sein. Makaber mutet die bereits oben auf der Startseite in dunkelroter Schrift geäußerte Bitte an, nicht die Notrufnummer zur Therapie von Atombombenopfern zu wählen, um die Leitung nicht zu blockieren, sondern sich anhand Downloads auf dieser Website zu informieren (siehe Screenshot).

Das NIRS klärt auf

In bisher vier Folgen klärt das NIRS über die von den havarierten Kernkraftwerken in der Anlage Fukushima Nr. 1 drohenden Gefahren auf, insbesondere über die Risiken der Strahlenbelastung und mögliche Gegenmaßnahmen. Dabei greift es Fragen auf, die die Einwohner in diesen Tagen immer wieder stellen. Hier eine leicht gekürzte Übersetzung der Version vom 21. März:


  • Die Strahlenbelastung in Kanto (Großraum Tokyo mit benachbarten Präfekturen) ist stark gestiegen. Wie gefährlich ist das?

Antwort: "Eine zehn- oder hundertfach höhere Strahlenbelastung als normal" klingt sehr abnorm, aber in Wirklichkeit schädigt sie unsere Gesundheit nicht. Die höchste Strahlendosis, die am 15. März tagsüber in Kanto gemessen wurde, war 1 Mikrosievert pro Stunde. Wenn wir diese Dosis ein ganzes Jahr lang erhielten, würde dies der Dosis eines einzigen Computertomogramms entsprechen.


  • Kann ich meine persönliche Strahlenbelastung messen lassen?

Antwort: Das NIRS hat die Strahlenbelastung von Personen gemessen, die gestern und vorgestern an den Kernkraftwerken von Fukushima Nr. 1 gearbeitet haben. Kein Wert war so hoch, dass die betreffende Person professionell dekontaminiert werden musste. Personen, die nicht in der offiziellen Gefahrenzone waren, brauchen ihre Strahlenbelastung deshalb nicht messen zu lassen.


  • Kann ich selbst etwas zur Dekontamination tun?

Antwort: Ihre Strahlenbelastung sinkt bereits, wenn Sie ein Bad nehmen und die Wäsche waschen, also die ganz normale Hygiene einhalten.


  • Ich bin schwanger. Bin ich besonders gefährdet?

Antwort: Schwangere brauchen sich ebenso wenig Sorgen zu machen wie andere Personen. Bei ungeborenen Kindern wurden bisher keine Missbildungen oder geistigen Behinderungen gefunden, wenn sie eine Dosis von weniger als 100 Millisievert erhalten hatten. Machen Sie sich daher in der gegenwärtigen Lage keine Sorgen!


Anschließend informiert das NIRS über Kaliumiodid (KI): Arzneiliches KI kann Strahlenschäden vermindern. Dabei können jedoch allergische Nebenwirkungen auftreten. Treffen Sie deshalb geeignete Vorsorge, bevor Sie diese Arznei einnehmen!

Schlucken Sie keine Mittel, die Iod enthalten, wie Mundspüllösungen und ‑sprays oder Wunddesinfektionsmittel!

Nuklearmediziner warnen vor Einnahme von Iodid

Weiterhin verweist das NIRS auf die Website der Japanischen Gesellschaft für Nuklearmedizin (JSNM, www.jsnm.org). Diese warnt in einem Aufruf die Bevölkerung davor, KI-Präparate einzunehmen. Denn da der Boden Japans relativ reich an Iod ist, sind Japaner durch die Nahrung gut mit diesem Spurenelement versorgt; die Gefahr, dass die Schilddrüse radioaktives Iod (I‑131) aufnimmt, ist daher gering. Wer außerhalb der offiziellen Gefahrenzone um die havarierten Kernkraftwerke wohnt (Umkreis von 20 km), ist nach Expertise der JSNM derzeit nicht gefährdet, wenn er mit I‑131 kontaminierte Lebensmittel isst oder trinkt. Selbst bei Personen, die sich in der Gefahrenzone aufhalten, sind KI-Präparate nur dann indiziert, wenn bei ihnen eine entsprechend hohe Strahlenbelastung gemessen wurde. Sie dürfen die Arznei allerdings nur ein einziges Mal einnehmen.

Abschließend weist die JSNM darauf hin, dass eine erhöhte Gefahr für Schilddrüsenkrebs aufgrund von I‑131 nur bei Personen unter 40 Jahren besteht.

Spenden für Japan


Die "Aktion Deutschland hilft", an der sich mehrere Organisationen, darunter das Medikamentenhilfswerk action medeor, beteiligen, hat ein Spendenkonto für die Opfer in Japan eingerichtet. Es lautet:

Nr. 102 030 bei der Sozialbank Köln, BLZ 370 205 00

Spenden-Hotline Tel. 09 00 55 10 20 30

www.aktion-deutschland-hilft.de

Ferner hat das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) eine Liste der Hilfswerke zusammengestellt, die zu Spenden für die Opfer des Erdbebens und des Tsunami in Japan aufrufen und das DZI-Spenden-Siegel als Zeichen besonderer Förderungswürdigkeit tragen:

www.dzi.de > DZI Spenden-Info "Erdbeben und Tsunami in Japan"



DAZ 2011, Nr. 12, S. 26

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