Medizin

Thromboembolien – ein besonderes Risiko für Frauen

Vor allem bei Frauen kann das Risiko thromboembolischer Ereignisse erhöht sein: zunächst bei der Einnahme hormonaler Kontrazeptiva, später während der Schwangerschaft. Neben anderen Ursachen kann sowohl der Venenthrombose als auch dem Spontanabort eine thrombophile Störung zugrunde liegen. Ein situationsangepasstes und risikoadaptiertes medikamentöses Regime ist notwendig.

Hormonale Kontrazeptiva zählen zu den zuverlässigsten reversiblen Methoden der Empfängnisverhütung. In Deutschland nimmt heute etwa ein Drittel der rund 20 Millionen Frauen im reproduktiven Alter orale Kontrazeptiva ein, davon sind 1,5 Millionen jünger als 20 Jahre.

Risiko orale Kontrazeptiva

In der Regel werden als Mittel der ersten Wahl Kombinationspräparate verordnet. Als Östrogen kommt in fast allen Präparaten Ethinylestradiol zum Einsatz, während als Gestagenkomponente eines der verschiedenen synthetischen Gestagene dient. Je nach Zusammensetzung ergeben sich unterschiedliche Wirkungen auf die Hämostase.

Kombinierte hormonale Kontrazeptiva können – in erster Linie aufgrund der Ethinylestradiol-Wirkung auf die hepatische Synthese – die Konzentration und Aktivität von Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren sowie Inhibitoren verändern und zu einer reversiblen APC-Resistenz führen (s. Tab. 1). Hierdurch steigt das Risiko für venöse Thromboembolien auf 9 bis 10 pro 10.000 Frauenjahre, wobei es mit der Ethinylestradiol-Dosis korreliert und in den ersten vier Monaten der Behandlung am höchsten ist. Im Vergleich dazu liegt das Risiko während einer Schwangerschaft bei 29 von 10.000 und in der Postpartalperiode bei 300 bis 400 pro 10.000 Frauenjahren. Das Thromboembolierisiko unter Kontrazeptiva sinkt zwar mit der Dauer der Anwendung, bleibt jedoch stets höher als bei Nicht-Einnahme. Hinlänglich bekannt sind weitere Faktoren, die das Risiko zusätzlich erhöhen, wie Alter, Übergewicht, Immobilisation, Varikosis und Rauchen.


Tab. 1: Wirkungen von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva auf hämostatische Parameter

Veränderung
Parameter mit prothrombotischer Wirkung
Parameter mit antithrombotischer/fibrinolytischer Wirkung
Anstieg
  • Fibrinogen
  • Prothrombin
  • Faktoren VII, VIII, X
  • Protein C
  • Plasminogen
  • t-PA
Abfall
  • Protein S
  • Antithrombin
  • PAI-1

t-PA = Gewebe-Plasminogenaktivator; PAI = Plasminogenaktivator-Inhibitor

Daten aus einer großen Kohortenstudie zeigten, dass das Thromboembolierisiko unter kombinierten hormonalen Kontrazeptiva bei gleicher Einnahmedauer und gleichem Gestagenpartner von der Dosis des Ethinylestradiols abhängt: so ergab die Dosisreduktion von 30 bis 40 μg auf 20 μg eine signifikante Risikoreduktion um 18 Prozent.

Es spricht einiges dafür, dass die Gestagenkomponente das durch Ethinylestradiol induzierte Risiko für venöse Thromboembolien modifizieren kann. So fand sich bei Kontrazeptiva, die entweder Desogestrel oder Gestoden enthalten ("Pille der 3. Generation"), ein etwa doppelt so hohes Risiko wie bei Präparaten mit Levonorgestrel oder Norethisteron ("Pille der 2. Generation"). Auch konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass Levonorgestrel den östrogeninduzierten Anstieg von Faktor VII bzw. den Abfall von Antithrombin stärker antagonisiert.

Antiandrogene Kontrazeptiva, z. B. mit Cyproteronacetat, zeigen sogar ein etwa vierfach höheres Risiko als Präparate mit Levonorgestrel und somit das höchste thromboembolische Risiko aller Ethinylestradiol-haltigen Ovulationshemmer.

Bei der Applikation eines transdermalen östrogen- und gestagenhaltigen Kontrazeptivums liegt das Risiko für venöse Thromboembolien zumindest ähnlich hoch wie bei Einnahme oraler Ethinylestradiol-haltiger Präparate, nach Ansicht einzelner Autoren sogar höher.

Kontrazeption bei bekannter Thrombophilie

Bei positiver Familien- und Eigenanamnese sowie genetischen bzw. erworbenen Thrombophilien (s. a. DAZ 2011, Nr. 42, S. 66 – 73) ist das Basisrisiko einer venösen Thromboembolie bereits deutlich erhöht. Unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazeptiva steigt es stark an, so ist es bei Frauen mit heterozygoter Faktor-V-Leiden-Mutation oder Prothrombinmutation etwa sieben- bzw. zehnfach erhöht. Dennoch erscheint ein generelles Thrombophilie-Screening wegen der ungünstigen Kosten-Nutzen-Relation nicht gerechtfertigt.

Bereits 1998 konnte in einer großen WHO-Studie nachgewiesen werden, dass Gestagen-Monopräparate, etwa Desogestrel, das Risiko für venöse Thromboembolien nicht erhöhen, auch nicht für Myokardinfarkt und Schlaganfall. Ebenso führen Gestagene weder in der "Pille danach" noch als Intrauterinsystem (Levonorgestrel) noch als Stäbchen zur Implantation am Oberarm (Etonogestrel) zu einer pathologischen Aktivierung der Blutgerinnung.

Hormonale Kontrazeptiva, die Ethinylestradiol enthalten, sind für Thrombophilie- und/oder Thrombosepatientinnen kontraindiziert, wohingegen rein gestagenhaltige Präparate, etwa mit Desogestrel, für betroffene Frauen geeignet sind.

Keine Östrogene unter Antikoagulation

Bei Patientinnen, die eine orale Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten erhalten, sollte eine Kontrazeptionsmethode gewählt werden, unter der eine gute Blutungskontrolle möglich ist, z. B. ein östrogenfreier Ovulationshemmer oder ein Intrauterinsystem.

Besteht Kinderwunsch, sollte ausführlich über die Option der Umstellung auf niedermolekulare Heparine aufgeklärt werden, auch über die Gefahr der Phenprocoumon-Embryopathie vor allem in der 6. bis 12. Schwangerschaftswoche (SSW). Bei verstärkter Menstruationsblutung unter oraler Antikoagulation sollte regelmäßig der Ferritinspiegel kontrolliert und ein Eisenmangel bzw. eine Anämie ausgeglichen werden, zusätzlich kann für die Dauer der Menstruation Tranexamsäure zur Fibrinolysehemmung verabreicht werden.

Aktivierung der Gerinnung in der Schwangerschaft

Auch im Verlauf einer normalen Schwangerschaft kommt es physiologischerweise zur Zunahme prokoagulatorischer und zur Abnahme antikoagulatorischer Faktoren (s. Tab. 2), dieser Zustand einer gewissen Hyperkoagulabilität persistiert bis ca. sechs Wochen post partum.

Bereits zur Implantation ist eine fein abgestimmte Balance zwischen Koagulation und Fibrinolyse erforderlich. Zwischen der 8. und 10. Schwangerschaftswoche nimmt die umbilikoplazentare Zirkulation zu, ab diesem Zeitpunkt übernimmt die Plazenta weitestgehend die fetale Versorgung. Bei verstärkter Koagulation droht die Gefahr einer Mikrothrombosierung und Minderdurchblutung der uteroplazentaren Einheit und konsekutiv einer fetalen Minderversorgung, wodurch es sowohl zu frühen als auch zu späten Spontanaborten kommen kann.


Tab. 2: Physiologische Veränderung von Gerinnungsfaktoren in der Schwangerschaft

Zunahme
Abnahme
  • Fibrinogen
  • Faktoren VII, VIII (deutlich)
  • Faktoren IX, X, XII (gering)
  • PAI-1
  • Protein S
  • Faktor XI, XIII (gering)
  • t-PA

Spontanaborte bei Thrombophilie

Nach neueren Daten enden fast 20 Prozent der Erstschwangerschaften als Fehlgeburt, und zwei bis fünf Prozent aller Frauen erleiden wiederholt Spontanaborte. Die WHO definiert "rezidivierende Spontanaborte" (RSA) als das Auftreten von drei oder mehr konsekutiven Spontanaborten vor der 20. Schwangerschaftswoche. Schon länger als Ursache anerkannt sind

  • anatomische Fehlbildungen wie Uterus duplex oder bicornis,
  • chromosomale Veränderungen vor allem im ersten Trimenon,
  • endokrinologische Störungen,
  • Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.

In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass auch thrombophile Störungen einen engen Zusammenhang zu rezidivierenden Spontanaborten und anderen Schwangerschaftskomplikationen aufweisen können.


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Im Gegensatz zu Heparin sind Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon plazentagängig und sollten in der Schwangerschaft nur in Ausnahmefällen verabreicht werden. Besonders gefährlich ist die Zeit zwischen der sechsten und der zwölften Schwangerschaftswoche, hier ist in bis zu 30% der Fälle mit fetalen Fehlbildungen und in bis zu 44% der Fälle mit Spontanaborten zu rechnen. Im dritten Trimenon wurden in 5 bis 15% fetale oder plazentare Blutungen beschrieben. Bei postpartaler Gabe von Vitamin-K-Antagonisten ist zu beachten, dass Warfarin im Gegensatz zu Phenprocoumon nicht in aktiver Form in die Muttermilch sezerniert wird.



Faktor V. Die Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C (APC) bei der Faktor-V-Leiden-Mutation (FVL) ist die häufigste Ursache hereditärer Thrombophilien. Die Datenlage zur Abortneigung ist nicht eindeutig. In einer europäischen Kohortenstudie konnte keine Assoziation zwischen der FVL und Fehlgeburten im 1. und 2. Trimenon nachgewiesen werden, allerdings ein verdoppeltes Risiko für Totgeburten. Dagegen ergab sich in einer Metaanalyse ein signifikanter Zusammenhang sowohl mit frühen als auch mit späten Fehlgeburten. In einem Kollektiv kaukasischer Frauen mit Aborten fand sich die FVL in 6,6% der Fälle.


Prothrombin. Der Prothrombin-G20210A-Polymorphismus ist die zweithäufigste Ursache vererbter Thrombophilien und führt zur erhöhten Konzentration von zirkulierendem Prothrombin. Das relative Risiko für einen Schwangerschaftsverlust bei heterozygoter G20210A-Mutation war in einer Untersuchung bis zu 2,4-fach erhöht, auch zeigte sich besonders vor der 12. SSW ein signifikantes Abortrisiko. In einer Studie bei 75 Patientinnen mit zwei aufeinanderfolgenden spontanen Aborten wurde bei 6,7% diese Genveränderung gefunden – vs. 0,8% bei Kontrollen.


Antiphospholipidantikörper. Die erworbenen Störungen mit dem Nachweis von Lupus Antikoagulans und Cardiolipin-Antikörpern gingen in Untersuchungen mit einem mäßigen Abortrisiko bis zur 24. Schwangerschaftswoche einher. Im dritten Trimenon ergab sich ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für einen intrauterinen Fruchttod. Der Zusammenhang zwischen intrauteriner Wachstumsretardierung und dem Nachweis von Cardiolipin-Antikörpern ist schon länger bekannt und geht mit einem etwa siebenfach erhöhten Risiko einher.


Protein C und S. Während der Schwangerschaft sinkt die Protein-S-Konzentration ab. Eine deutliche Assoziation des Protein-S-Mangels mit Spontanaborten bis zur 22. Schwangerschaftswoche konnte dokumentiert werden, für einen intrauterinen Fruchttod ist das Risiko 20-fach erhöht. Bei 25% von 85 untersuchten Patientinnen mit schwerer früh eintretender Präeklampsie konnte ein Protein-S-Mangel nachgewiesen werden. Für den Protein-C-Mangel konnte ein Zusammenhang zu wiederholten Fehlgeburten nicht gezeigt werden.


Antithrombin. Der Antithrombinmangel besitzt das höchste thrombophile Potenzial, ist aber mit einer Prävalenz von weniger als 0,1% in der Bevölkerung sehr selten. Bei der heterozygoten Form des AT-Mangels ist das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod fünffach erhöht.


Plasminogenaktivator-Inhibitor. Der letzte Schritt der Fibrinolyse ist die Fibrinspaltung durch das proteolytische Enzym Plasmin, wobei die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin durch Plasminogenaktivator-Inhibitor (PAI) reguliert wird. Unter mehreren Polymorphismen im PAI-1-Gen erscheint der Genotyp 4G/4G als unabhängiger Risikofaktor für Schwangerschaftskomplikationen wie habituelle Aborte.

Vorgehen bei Schwangeren mit Thrombophilie

Die Resultate mehrerer Studien sprechen dafür, dass die Verabreichung niedermolekularer Heparine (NMH) bei Frauen mit rezidivierenden Spontanaborten und nachgewiesener Thrombophilie zu einem deutlichen Anstieg an Lebendgeburten führt.

Während die alleinige Gabe von Acetylsalicylsäure die Abortrate nicht beeinflusste, konnte durch eine Prophylaxe mit Enoxaparin in über 80% der Fälle eine Lebendgeburt erzielt werden. In der deutschen EThIG-Studie konnte die Rate an Schwangerschaftsverlusten von 36% vor Behandlung auf 6% unter Prophylaxe mit Dalteparin gesenkt werden.

Bei Frauen mit Antiphospholipid-Syndrom wird als Therapie die Kombination von Heparin mit einer niedrig dosierten Gabe von Acetylsalicylsäure ab dem Zeitpunkt eines positiven Schwangerschaftstests empfohlen. Hierbei wirkt ASS auf die veränderte Prostazyklin-Thromboxan-Balance und verbessert die Mikrozirkulation, während Heparin nicht nur antithrombotische, sondern auch antiinflammatorische und immunmodulatorische Effekte zeigt. Für dieses Regime ergab sich in einer Cochrane-Metaanalyse eine Reduktion von Schwangerschaftsverlusten um 54%.

Venenthrombose in der Schwangerschaft

Die Inzidenz der tiefen Venenthrombose liegt bei 50 bis 100 pro 100.000 Schwangerschaften und ist fünf- bis sechsmal höher als bei gleichaltrigen nicht schwangeren Frauen. In der Schwangerschaft können mehrere physiologische Mechanismen die Bildung einer Thrombose fördern, zu berücksichtigen sind jedoch auch schwangerschaftsunabhängige Faktoren (s. Tab. 3).

Diagnostische Methode der Wahl ist auch in der Schwangerschaft die Kompressionssonografie, zur Beurteilung der Becken- sowie kruralen Venen empfiehlt sich die farbkodierte Duplexsonografie. Untersuchungen mit iodhaltigem Kontrastmittel sollten wegen der Gefahr einer Schilddrüsenfunktionsstörung beim Kind vermieden werden. Ein allgemein anerkannter diagnostischer Algorithmus für den Verdacht auf Venenthrombose in der Schwangerschaft steht bislang noch nicht zur Verfügung, eine Orientierung in Bezug auf eine etwaige Thrombophilie bietet die Abbildung.


Tab. 3: Thrombosefördernde Faktoren in der Schwangerschaft

schwangerschaftsbedingt
nicht schwangerschaftsbedingt
  • abnehmender Venentonus aufgrund Progesteronwirkung
  • Kompressionseffekt auf Beckenvenen und V. cava inferior durch Größenzunahme des Uterus
  • Zunahme von Gerinnungsfaktoren bzw. Abnahme von Gerinnungsinhibitoren
  • Multiparität (> 4 Geburten)
  • zunehmendes Lebensalter
  • Adipositas
  • Immobilisation
  • Rauchen
  • primäre Varikose
  • positive eigene und/oder familiäre Vorgeschichte
  • angeborene oder erworbene thrombophile Gerinnungsstörungen

Therapie der Venenthrombose

Seit etwa 20 Jahren werden niedermolekulare Heparine (NMH) auch bei venösen Thrombosen in der Schwangerschaft eingesetzt. Die Dosis ist grundsätzlich an das zunehmende Körpergewicht der Mutter anzupassen, bei diesem Schritt kann eine Überprüfung der Gerinnungsaktivität mit dem Anti-Faktor-Xa-Test erfolgen (Zielbereich zwischen 0,5 und 1,2 IU/ml drei bis vier Stunden nach Applikation).

Kritisch ist der Zeitpunkt der Entbindung, einerseits wegen des bekannt erhöhten Risikos für ein thromboembolisches Ereignis, andererseits wegen der Gefahr einer starken Blutung unter oder nach der Geburt. Daher empfiehlt es sich, von dem lang wirksamen NMH auf das kurz wirksame unfraktionierte Heparin (UFH) umzustellen (dann mit aPTT-Kontrolle) – idealerweise wenige Stunden oder Tage vor der erwarteten Geburt, spätestens jedoch wenn die Wehentätigkeit beginnt. Wenn die Heparinisierung mit NMH spätestens 18 bis 24 Stunden bzw. mit UFH spätestens vier bis sechs Stunden vor der Geburt beendet wird, muss in der Regel nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko gerechnet werden.

Auch bei geplanter rückenmarksnaher Regionalanästhesie sollte die Medikation von NMH in therapeutischer Dosierung etwa 24 Stunden vor der Punktion unterbrochen werden, sie kann zwei bis vier Stunden nach Entfernung des Katheters wieder fortgesetzt werden.

Da in den Tagen nach der Geburt das Thromboembolierisiko deutlich erhöht ist, sollte die Hemmung der Blutgerinnung noch für mindestens sechs Wochen fortgesetzt werden.

Thromboseprophylaxe bei Schwangeren

Mangels kontrollierter Studien stehen für die medikamentöse Prophylaxe keine Empfehlungen mit hohem Evidenzgrad zur Verfügung, eine Orientierung bieten jedoch die Ergebnisse der EThIG-Studie (Efficacy of Thromboprophylaxis as an Intervention during Gravidity). Über 800 Schwangere wurden nach ihrem individuellen thromboembolischen Risikoprofil einer von drei Behandlungsgruppen zugeordnet. Antepartal und postpartal wurde in Gruppe 2 (hohes Risiko) und in Gruppe 3 (sehr hohes Risiko) das NMH Dalteparin in gewichtsadaptierter Dosierung verabreicht, in Gruppe 1 (geringes Risiko) nur postpartal (s. Tab. 4). Nur bei 0,6% der untersuchten Frauen kam es unter diesem Regime zu einer symptomatischen Venenthrombose, schwere Blutungen traten in 2,7% der Fälle auf. Die risikoadaptierte präpartale Gabe von niedermolekularem Heparin scheint somit eine effektive Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft zu bieten.


Tab. 4: Risikostratifizierung zur Verhütung venöser Thromboembolien in der Schwangerschaft: EThIG-Studie

Gruppe 1 – geringes Risiko
Intervention
  • Thrombophilie, aber ohne vorherige Thromboembolie
  • Zustand nach sekundärer Thromboembolie (nicht assoziiert mit Thrombophilie, Schwangerschaft oder oraler Kontrazeption)
  • zwei oder mehr Risikofaktoren
  • asymptomatische Frauen mit Antiphospholipid-Antikörpern
  • klinische Verlaufsbeobachtung und nicht-medikamentöse Thromboseprophylaxe
  • Dalteparin 50 – 100 IU/kg pro Tag postpartal für 2 Wochen (antepartal nur bei zusätzlichen Risikofaktoren)
Gruppe 2 – hohes Risiko
Intervention
  • Thrombophilie mit Zustand nach Thromboembolie
  • Zustand nach idiopathischer Thromboembolie
  • Zustand nach Thromboembolie während Schwangerschaft oder oraler Kontrazeption
  • Zustand nach rezidivierender sekundärer Thromboembolie
  • Antithrombin-Mangel Typ I und II (außer Typ IIc) ohne vorherige Thromboembolie
  • Zustand nach zwei oder mehr Aborten bei Antiphospholipid-Syndrom
  • Dalteparin 50 – 100 IU/kg pro Tag antepartal und postpartal für 6 Wochen
  • bei Antiphospholipid-Syndrom zusätzlich ASS 100 mg proTag in SSW 12 bis 36
Gruppe 3 – sehr hohes Risiko
Intervention
  • Antithrombin-Mangel und Z. n. Thromboembolie
  • Antiphospholipid-Syndrom und Zustand nach venöser oder arterieller Thromboembolie
  • laufende orale Langzeitantikoagulation
  • akute Thromboembolie in der aktuellen Schwangerschaft nach dem 11. Tag
  • Dalteparin 100 – 150 IU/kg pro Tag* antepartal und postpartal für 6 Wochen oder bis zur Umstellung auf Vitamin-K-Antagonisten
  • bei Antiphospholipid-Syndrom zusätzlich ASS 100 mg pro Tag in SSW 12 bis 36

* Dalteparin 200 IU/kg/Tag in Einzelfällen (akute Thromboembolie, mechanischer Herzklappenersatz)

Literatur

Gräser T. Sexualsteroide und Hämostase. Hämostaseologie 2001; 21: 30 – 34

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Rott H, Kruempel A, Kappert G, Nowak-Göttl U, Halimeh S. Kontrazeption bei Thrombophilie. Hämostaseologie 2009; 29: 193 – 196

Lindegaard Ø, Løkkegard E, Svendsen AL, Agger C. Hormonal contraception and risk of venous thromboembolism. National follow-up study. BMJ 2009; 339: b2890

Rogenhofer N, Buchholz T, Toth B, Thaler CJ. Rezidivierende Spontanaborte (RSA) bei hereditärer Thrombophilie. Gynäkologische Endokrinologie 2005; 3: 32 – 39

Schleussner E, Bauersachs R, Ratschow M. Schwangerschaftskomplikationen, Thrombophilie und der Einsatz von niedermolekularen Heparinen – ein Update. Vascular Care 2006; 11: 8 – 19

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Deutsche Gesellschaft für Angiologie. S2-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. Juni 2010. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 065/002.


Autor
Clemens Bilharz, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin


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Blutgerinnungsstörungen: Der Blutfluss zwischen Stau und überhöhter Geschwindigkeit

von Thomas Herdegen

DAZ 2009; Nr. 32, S. 43 – 79



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