Arzneimittel und Therapie

Senioren zur Impfung raten

Zu Herbstbeginn legen viele Hausärzte ihren über 60-jährigen Patienten nahe, die von der STIKO empfohlene Grippeschutzimpfung durchführen zu lassen. Weniger aktiv wird nach Expertenmeinung auf die ebenfalls für diesen Personenkreis empfohlene Pneumokokken-Impfung hingewiesen. Dabei sind ältere Menschen, genau wie Säuglinge und Kleinkinder, besonders anfällig für Pneumokokken-Erkrankungen und von schweren Verläufen und Todesfällen häufiger betroffen als jüngere Erwachsene.

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), alle Erwachsenen ab 60 Jahren und chronisch Kranke mit einem Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff zu immunisieren, existiert bereits seit 1998. Dennoch sind verschiedenen Erhebungen zufolge die Pneumokokken-Impfraten in Deutschland bei den über 60-Jährigen mit 20 bis 25% eher gering. Dabei ist diese Erkrankung gerade unter Älteren nicht selten. Wie auf einer Pressekonferenz der Firma Sanofi Pasteur MSD, dem Hersteller von Pneumovax® 23, mitgeteilt wurde, gibt es jedes Jahr in Deutschland schätzungsweise bis zu 12.000 Todesfälle durch schwere Pneumokokken-Erkrankungen und bis zu 135.000 Krankenhausaufenthalte. 80 bis 90% der Todesfälle betreffen über 60-Jährige.


Pneumokokken


Bei Streptococcus pneumoniae handelt es sich um ein ovales mit einer Polysaccharidschicht umhülltes grampositives Bakterium. Es kommt als Diplokokken oder in kurzen Ketten vor und besiedelt bei etwa jedem zweiten Menschen den Respirationstrakt, ohne dass Symptome auftreten. Je nach Zusammensetzung der Kapsel-Polysaccharide sind derzeit mehr als 90 Serotypen bekannt. Die häufigsten invasiven Erkrankungen, die das Bakterium verursacht, sind bei Erwachsenen bakteriämische Pneumonie, Sepsis und Meningitis. Im Rahmen einer invasiven Pneumokokken-Infektion können darüber hinaus Krankheitsbilder wie eitrige Arthritis oder eitrige Peritoneitis auftreten. Der Erreger wird durch Tröpfcheninfektion (z. B. beim Sprechen, Husten, Niesen) übertragen.

Wirksamkeit belegt

Zur Pneumokokken-Impfung von Erwachsenen steht derzeit ein Polysaccharidimpfstoff (Pneumovax® 23, Sanofi Pasteur MSD) zur Verfügung. Seine Wirksamkeit wurde durch zahlreiche klinische Studien belegt. In einer aktuellen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 1006 über 55-jährigen Bewohnern von japanischen Seniorenheimen konnte beispielsweise ein signifikanter Rückgang der Inzidenz der Pneumokokken-Pneumonien um 64 Prozent erreicht werden (95% KI 32; 81). Mit Prevenar® 13 (Pfizer Pharma GmbH) steht ein Konjugatimpfstoff für Erwachsene ab 50 Jahren zur Verfügung (siehe Kasten). Kinder unter zwei Jahren werden generell mit einem Konjugatimpfstoff gegen Pneumokokken immunisiert, da ein Polysaccharidimpfstoff aufgrund des noch unreifen Immunsystems keine ausreichende Immunantwort auslösen würde.

Neben den beiden Standardimpfungen für Personen über 60 Jahren und Kinder bis 24 Monaten empfiehlt die STIKO die Pneumokokken-Impfung außerdem für Patienten mit gesundheitlicher Gefährdung aufgrund einer Grunderkrankung wie z. B. COPD, Asthma oder Diabetes mellitus. Der Allgemeinarzt Dr. med. Reinfried Galmbacher verwies darauf, dass die Pneumokokken-Impfung zu jeder Jahreszeit erfolgen kann. Es sei jedoch sinnvoll, in der Grippesaison bei Personen über 60 den Pneumokokken-Impfschutz mit zu überprüfen.


Influenza-Impfung auch für Schwangere empfohlen


Über die aktuelle Aktivität der Influenza in Deutschland informiert die Arbeitsgemeinschaft Influenza. Die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen (ARE) ist bundesweit in der 42. Kalenderwoche 2011 im Vergleich zur Vorwoche leicht gestiegen. Im Nationalen Referenzzentrum für Influenza (NRZ) wurden in der 42. KW 2011 in keiner der neun eingesandten Sentinelproben Influenza- oder Respiratorische Synzytial-Viren nachgewiesen. Für die 42. Meldewoche wurden drei klinisch-labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das RKI übermittelt. Dabei handelte es sich um zwei Erkrankungen mit Influenza A und eine nicht nach Influenza A bzw. B differenzierte Erkrankung. Alle drei bestätigten Fälle waren hospitalisiert.


Bei folgenden Indikationen rät die STIKO zur Influenzaimpfung im Herbst mit der aktuellen von der WHO empfohlenen Antigenkombination:

  • Schwangere ab 2. Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens ab 1. Trimenon

  • Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie chronische Krankheiten der Atmungsorgane (inklusive Asthma und COPD), chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Krankheiten, z. B. multiple Sklerose mit durch Infektionen getriggerten Schüben, Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, mit T- und/oder B-zellularer Restfunktion, HIV-Infektion

  • Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen

  • Personen mit erhöhter Gefährdung, z. B. medizinisches Personal,

  • Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr sowie Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreuten ungeimpften Risikopersonen fungieren können.


Auch für Reisende, die nicht zu diesem Personenkreis zählen, hält die STIKO eine Influenza-Impfung nach Risikoabwägung entsprechend Exposition und Impfstoffverfügbarkeit sinnvoll.

Influenzaimpfung eher akzeptiert

Die Influenza-Impfrate liegt bei über 60-Jährigen in Deutschland mit rund 50 Prozent deutlich höher. Die STIKO empfiehlt die jährliche Grippeschutzimpfung zum einen als Standardimpfung für diesen Personenkreis, zum anderen als Indikationsimpfung für spezielle Gruppen (siehe Kasten "Influenza-Impfung auch für Schwangere empfohlen"). Der Grippeimpfstoff 2011/2012 enthält neben den Oberflächenantigenen (Hämagglutinin und Neuraminidase) der saisonalen Influenza A- und B-Viren auch solche des "Schweinegrippe-Virus" (H1N1).


13-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff

Prevenar® 13 für Erwachsene ab 50 Jahren zugelassen


Die Europäische Kommission hat den Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Prevenar ® 13 (adsorbierter 13-valenter Polysaccharid-Konjugatimpfstoff gegen Pneumokokken) für die aktive Immunisierung von Erwachsenen ab 50 Jahren zur Prävention invasiver Erkrankungen durch die im Impfstoff enthaltenen Serotypen von Streptococcus pneumoniae zugelassen.

Die Zulassungserweiterung stützt sich auf die Auswertung der Daten zur klinischen Immunogenität und Sicherheit von mehr als 6000 Erwachsenen ab 50 Jahren. Prevenar® 13, eine Weiterentwicklung des 7-valenten Vorgängers Prevenar® (Pneumokokkensaccharid-Konjugatimpfstoff, adsorbiert), erhielt 2009 in Europa die Erstzulassung für die Impfung von Säuglingen und Kleinkindern im Alter von sechs Wochen bis fünf Jahren. Mittlerweile ist der Impfstoff für dieses Indikationsspektrum weltweit in mehr als 100 Ländern zugelassen. Bei konjugierten Impfstoffen sind die verschiedenen Kapselpolysaccharide jeweils an Trägerproteine gebunden. Anders als Polysaccharidimpfstoffe induzieren Konjugatimpfstoffe sowohl eine B- als auch eine T-Zell-Antwort und bilden damit ein "immunologisches Gedächtnis". Außerdem kann durch die Impfung mit Konjugatimpfstoffen die nasopharyngeale Besiedlung mit durch im Impfstoff enthaltenen Serotypen reduziert werden. Die 13 enthaltenen Pneumokokken-Serotypen (1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 9V, 14, 18C, 19A, 19F und 23F) sind für den Großteil der invasiven Pneumokokkenerkrankungen bei Erwachsenen ab 50 Jahren verantwortlich, unter anderem auch für Erkrankungen durch antibiotikaresistente Serotypen.


Quelle

Maruyama T et al.: Efficacy of 23-valent pneumococcal vaccine in preventing pneumonia and improving survival in nursing home residents: double blind randomised and placebo-controlled trial. BMJ 340: c10042 (2010).

Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Epidem Bull 30: 275-294 (2011).

Pletz M.W et al.: Impfungen. Dtsch Med Wochenschr 136: 2011 – 2015 (2011).


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 44, S. 54

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.