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Pieck: "Die Treppe muss von oben gekehrt werden"

QUEDLINBURG (lk). In einer Brandrede hat der frühere Sprecher der ABDA-Geschäftsführung, Dr. Johannes Pieck, beim Treffen des Quedlinburger Kreises der Spitze der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) Fehler und Versäumnisse in der politischen Arbeit und in der Interessenvertretung der Apotheker gegenüber der Politik vorgeworfen. "Ich bin sprachlos über den Umgang der ABDA mit der Basis nach Bekanntwerden der Apothekenbetriebsordnung, die der ABDA-Präsident noch auf dem Apothekertag als das Grundgesetz der Apotheker bezeichnet hat", sagte Pieck.
Foto: Jürgen R. Draxler
In regelmäßigen Abständen trifft sich der Quedlinburger Kreis, um über aktuelle und strategische Fragen der Apotheken in Deutschland zu diskutieren und nachzudenken. Vergangenes Wochenende war es wieder so weit.

Eine Presseerklärung der ABDA, in der der Verband unter der Überschrift "ABDA freut sich auf konstruktive Diskussion" den Verordnungsentwurf als solide Basis für konstruktive Gespräche gewertet hatte, bezeichnete Pieck als "Mist". Die wäre bei ihm als Sprecher der Geschäftsführung so gleich im Papierkorb gelandet, so Pieck. In Hinblick auf den Inhalt des Verordnungsentwurfs und vor allen im ordnungspolitischen Kontext mit der Zulassung von Versandhandel und Filialapotheken sei dies in der Tat kein Anlass zur Freude, wie die ABDA meine.

In seinem von den Teilnehmern des Quedlinburger Kreises als "Philippika"aufgenommenen Vortrag kritisierte Pieck die Politik und Handlungsweise des ABDA-Vorstandes mehrfach scharf. Die ABDA habe in ihrem Umgang mit der Politik, mit Ungeschicklichkeiten und Unhöflichkeiten die Apothekerschaft "in eine unerträgliche Situation manövriert". Nach dem Prinzip der vielfach zitierten schwäbischen Hausfrau müsse im Berliner Apothekerhaus jetzt eine "Kehrwoche" abgehalten werden. Pieck in seiner bekannten Deutlichkeit: "Die Treppe wird immer von oben nach unten gekehrt".

Gestörter Kontakt zur Politik

Pieck zitierte einen namentlich nicht genannten Mann aus der Wirtschaft, der bereits vor dem Apothekertag erklärt habe, der Kontakt der ABDA zu allen politischen Parteien sei massiv gestört. In einer Zeit, in der ganz offensichtlich fundamentale Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministerium und ABDA bestünden, seien noch gravierende atmosphärische Störungen hinzugetreten. "Das ist fatal und ein nicht hinnehmbarer Zustand", sagte Pieck. Inzwischen gingen Politiker, soweit möglich, einzelnen ABDA-Repräsentanten bewusst aus dem Weg. Die SPD-Opposition habe man nach dem Regierungswechsel 2009 lange Zeit "links liegen gelassen". Inzwischen habe man hoffentlich eingesehen, dass die Erkenntnis, die Opposition von heute ist die Regierung von morgen, mehr sei als politische Theorie.

Heftig kritisierte Pieck den Umgang der ABDA-Spitze mit der Geschäftsführung im Berliner Apothekerhaus. Man vertrete den Standpunkt, "für Politik ist der Vorstand zuständig, nicht die Geschäftsführung", und übersehe, dass es eine genuine Aufgabe der Geschäftsführung eines Bundesverbandes sei, die politischen Beschlüsse des Vorstandes gegenüber Politik und Öffentlichkeit umzusetzen. Tatsächlich werde die Geschäftsführung in wichtige Vorgänge nicht immer eingebunden und nähme auch an wichtigen Gesprächen mit der Politik nicht immer teil. Die Verbandspolitik sein keine "reine Privatsache" von Personen, auch wenn diese gewählt seien. Ein nach dem Apothekertag geführtes Gespräch des Präsidiums mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und seinen Mitarbeitern habe ohne den Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz stattgefunden. "Es ist eine Verschwendung von Ressourcen, die Geschäftsführung so zu behandeln wie sie behandelt wird", sagte Pieck.

Zudem rügte Pieck, in der ABDA würden unbequeme und abweichende Meinungen nicht genügend diskutiert, sondern eher unterdrückt. Einwände und Widerspruch einer Geschäftsführung, die gegenüber dem Verband sachkundig und loyal sei, seien keine Störungen oder Verlängerungen von Sitzungen, sondern bereicherten einen dringend notwendigen Diskussionsprozess und müssten als die anstrengenste Variante von Loyalität uneingeschränkt akzeptiert werden. Es sei typisch, dass die Deutsche Apotheker Zeitung bei der Tagung des Quedlinburger Kreises anwesend sei, nicht aber die Pharmazeutische Zeitung, "die wohl par ordre du mufti nicht kommen durfte" so Pieck.

Deutlichen Widerspruch meldete Pieck gegen die Absicht der ABDA an, die Stellungnahme zur Novelle zur Apothekenbetriebsordnung als das angebliche "Grundgesetz der Apotheker" (so Wolf) ausschließlich zwischen ABDA und ABDA-Mitgliedsorganisationen diskutieren zu wollen und die Basis hieran nicht beteiligen. Die bereits zitierte Presseerklärung der ABDA sei in dieser Hinsicht von "brutaler Eindeutigkeit". Dementsprechend sei auch die "Berichterstattung in der PZ politische Limonade", während die DAZ den Inhalt der Novelle auf insgesamt elf Seiten für jeden verständlich wiedergegeben und durch die Herren Brauer und Rotta in "eindrucksvoller Weise" kritisch ablehnend kommentiert habe. In einer Zeit sinkender Apothekereinkommen und einer zunehmenden Zahl von Apothekenschließungen sei es unverzichtbar, der Basis zu vermitteln, warum die ABDA in ihrer großen Mehrheit angebliche Erleichterungen für den Apothekenbetrieb und Maßnahmen zur angeblichen Entbürokratisierung ablehnen müsse. In Kontext mit Versandapotheken (Pick-up-Stellen) und Filialapotheken seien diese Maßnahmen, ob gewollt oder ungewollt, jedenfalls objektiv Vorbereitungen für eine Liberalisierung des gesamten Apothekenwesens. Hierzu bedürfe es in Zukunft nur noch eines kleinen Schrittes.

Pick-up-Verbot ist überzeugend begründbar

Pieck befasste sich ausführlich mit dem Verbot von Pick-up-Stellen. Es sei inkonsequent, das Verbot zu fordern und zugleich zu erkennen zu geben, dass man ein solches Verbot für verfassungsrechtlich unzulässig erachte. Es gäbe genügend Publikationen, die die rechtliche Möglichkeit eines Pick-up-Verbotes durch Änderung des Apothekengesetzes für zulässig hielten. Auf dieser Grundlage könne man ein solches Verbot nicht nur juristisch, sondern auch politisch überzeugend begründen. Wenn der Gesundheitsminister das Verbot formal akzeptiere, es aber gegen die vorherrschende Meinung in der Bundesregierung nicht durchsetzen könne, müsse man eben einen Initiativantrag einzelner Parteien oder Abgeordneter im Bundestag in Gang setzen. In der Apothekenbetriebsordnung könnten Pick-up-Stellen weder verboten noch einem Genehmigungsvorbehalt wie bei Rezeptsammelstellen unterworfen werden.

Schließlich regte Pieck an, die endgültige ABDA-Stellungnahme um einen politischen Vorspann zu ergänzen. Darin müsse deutlich gemacht werden, dass Gesetz- und Verordnungsgeber sich gegenüber dem bewährten Apothekensystem auf eine abschüssige Bahn begeben hätten, die letztlich darauf abziele, eine nicht umkehrbare Entwicklung einzuleiten. Die konkreten Auswirkungen der vorliegenden Novelle und die mittelfristigen ordnungspolitischen Konsequenzen sollten die ABDA veranlassen, zu allen Einzelregelungen konkret und ausführlich Stellung zu nehmen, den Entwurf jedoch in seiner Gesamtheit mit der gebotenen Eindeutigkeit abzulehnen.

Quedlinburger Kreis


Dr. Jörn Graue: "Kronjuwelen der Apotheken sind in Gefahr"

In regelmäßigen Abständen trifft sich der Quedlinburger Kreis, um über aktuelle und strategische Fragen der Apotheken in Deutschland zu diskutieren und nachzudenken. Der Quedlinburger Kreis hat sich seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten auf Einladung des Vorsitzenden des Hamburger Apothekervereins, Dr. Jörn Graue, als kritische Runde etabliert, in der offen und kontrovers Meinungen über berufspolitische Themen ausgetauscht werden. Bei der Tagung am vergangenen Wochenende stand naturgemäß die Lage der Apotheken mit Blick auf das AMNOG im Mittelpunkt der Vorträge. Außerdem spielte die anstehende Novelle der Apothekenbetriebsordnung eine große Rolle – nicht nur wegen des bemerkenswerten Vortrags des ehemaligen ABDA-Geschäftsführers Dr. Johannes Pieck. Die Gäste diskutierten die geplanten Neuerungen intensiv in kleinen Runden abseits der offiziellen Tagesordnung. "Hier ist es erlaubt, quer zu denken und zu äußern, was andernorts wohl nicht immer möglich ist", sagte Dr. Jörn Graue zum Auftakt der Tagung. "Es stürmt nicht nur über dem Harz. Die wilde Jagd, sie erreicht auch in kaum gekanntem Ausmaß die Apotheken", beschrieb Graue die Unruhe im Berufsstand: "Die Kronjuwelen der Apothekerschaft, und das beileibe nicht erst seit heute, sind in allerhöchster Gefahr."




DAZ 2011, Nr. 45, S. 18

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