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Analyse zur Zukunftsfähigkeit
Welche Strukturreform die ABDA jetzt braucht
Im Jahr 2020 hat die ABDA-Mitgliederversammlung beschlossen, die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung der ehren- und hauptamtlichen Arbeit in den Organisationen zu prüfen. Das Ziel: eine „professionelle und schlanke ABDA“. Doch die Strukturreform stockt. Der DAZ-Autor Prof. Dr. Andreas Kaapke, Ökonom an der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg, analysiert im Folgenden, was aus seiner Sicht nötig wäre, nicht nur an ein „Reförmchen“ zu denken, sondern die ABDA wirklich zukunftsfähig zu machen.
Seit einiger Zeit wird über die Pläne der Standesorganisationen der Apotheken diskutiert, inwieweit eine Strukturreform angezeigt, gar notwendig ist. Dass der wahrgenommene oder auch seitens der ABDA kommunizierte Prozess von vielen als nicht weitreichend genug, als nicht zügig genug bewertet wird, macht das Ansinnen nicht einfacher. Lehnt man sich bei der Bewertung der Notwendigkeit einer solch umfassenden Frage an Unternehmen oder auch erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen an, stellt sich die Frage einer Restrukturierung im Schnitt alle 6-8 Jahre mit zunehmender Dynamik. Die massiven Veränderungen der letzten Jahre haben die Halbwertzeit von aufbauorganisatorischen Strukturen eher verkürzt, denn verlängert.
Unternehmen passen ihre Aufbauorganisation idealerweise immer dann an, wenn sich die von Ihnen bearbeiteten Märkte signifikant verändert haben. Es ist im Eigeninteresse der Unternehmen, sich eine Struktur zu verpassen, die den Anforderungen aller Stakeholder gerecht wird oder werden kann und damit auch als zukunftsfähig umschrieben wird.
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Wollte man also das Ansinnen der Apothekerschaft nach Strukturveränderungen beurteilen, dann unter der Prämisse, ob dadurch den Anforderungen der für die Wertschöpfungskette der Apotheken relevanten Stakeholder besser Rechnung getragen würde als bislang. Dies sind neben den Apotheken selbst insbesondere die Politik, die vorgelagerten Stufen Hersteller und Großhandel, angrenzende Wirtschaftsbereiche wie Dienstleister und natürlich die Krankenkassen. Dabei muss es darum gehen, durch die strukturellen Anpassungen z.B. schneller zu werden, effizienter zu arbeiten, sich zu professionalisieren, Doppelarbeiten zu vermeiden, unbearbeitete Aufgabenfelder auszuschließen, weniger zeitliche und budgetäre Ressourcen zu verbrauchen und insgesamt qualitativ besser auf Markterfordernisse reagieren zu können.
Die gegenwärtige Struktur läuft Gefahr, all dies nicht mehr leisten zu können, denn während sich die Gesundheitspolitik über die vielen Gesundheits- und Finanzminister hinweg maßgeblich verändert hat, sind die Strukturen bei der Standesvertretung der Apotheken weitgehend unverändert – zumindest ist dies ein erster Eindruck von vielen. Dabei muss nicht falsch sein, was gegenwärtig vorliegt, bedarf aber einer regelmäßigen Überprüfung. Sollte dies der Treiber der aktuellen Initiative sein, ist dies uneingeschränkt zu begrüßen.
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Ein weiterer Hinweis auf eine Notwendigkeit zur Anpassung der Strukturen sind die zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rückenden Vereinigungen und Verbände, die ebenfalls Standespolitik betreiben – quasi ohne offizielles Mandat. Zwei Beispiele sollen stellvertretend für diverse Zusammenschlüsse stehen: Der Verband der Apothekenkooperationen macht schon seit mehr als 15 Jahren auf sich aufmerksam und wird nicht müde, sich zu allfälligen gesundheitspolitischen Fragen bisweilen auch stark abweichend von der Meinung der ABDA zu äußern. Die Freie Apothekerschaft e.V., die 2010 gegründet wurde, hat gerade in jüngerer Vergangenheit mit diversen Klagen gegen die Bundespolitik für Schlagzeilen gesorgt und vor diesem Hintergrund entgegen dem ansonsten vorherrschenden Trend von Mitgliederrückgängen einen deutlichen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen.
Vereinigungen sind nicht per se beliebt, wenn diese sich also neben etablierten Strukturen zu bilden vermögen und einen Bedeutungszuwachs verzeichnen können, ist dies auf der anderen Seite oft mit einer Relativierung der Bedeutung bestehender Strukturen einhergehend. Im Polit-Jargon könnte man formulieren, dass eine Art außerparlamentarischer Opposition entsteht, die versucht andere Wege zu gehen um damit aus ihrer Sicht wichtige Dinge voranzutreiben.
Einzelne Landesverbände gehen eigene Wege
Als weiteren Indikator für eine notwendige Reform könnte man ansehen, wenn die bei den Apotheken in Deutschland zugehörigen Teilorganisationen von der von der Bundesspitze vorgegebenen Stoßrichtung ausscheren und einen anderen Weg bestreiten. Dies ist legitim, marodiert aber das System von innen. Gerade in jüngerer Vergangenheit ist beobachtbar, dass einzelne Landesverbände bei diversen Themen deutlich abweichende eigene Wege gehen.
Zudem lässt sich feststellen, dass die Beteiligungsquoten bei allen institutionellen Organen, egal ob bei den Apotheken oder anderen Wirtschaftsbereichen eher ab- denn zunehmen, was weitreichende Beschlüsse schwieriger macht, da diese hohe Prozentsätze benötigen.
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Die Spitzen der Kammern und Verbände in Zahlen
Nun haben sich die Organisationen der Apotheken stets am föderalen System der Bundesrepublik orientiert, einzig Nordrhein-Westfalen wird ob der schieren Größe durch jeweils zwei Kammern und Verbände repräsentiert. Insgesamt kommt man auf 37 Organisationen, 17 Landeskammern, 17 Landesverbände, jeweils die dazugehörige Bundesinstitution und die ABDA als organisatorische Klammer. Damit nicht genug, denn unterhalb der Landesinstitutionen gibt es auf Landkreis- oder Großstadtebene noch weitere Vereinigungen, z.B. den Apothekerverein Düsseldorf. Betrachtet man nun aber vordergründig die 37 Organisationen, sind dafür Hauptamt und Ehrenamtsträger zu finden, zu besetzen, zu beschäftigen und zu bezahlen.
Bei aller Wertschätzung dafür, dass dadurch auch Informationen leichter in die Basis hinein diffundieren können, sind Doppelarbeiten wahrscheinlich, Mandatsinflationen für verschiedene ehrenamtliche Mandatsträger die logische Folge und damit ein Budgetvolumen notwendig, was zumindest die Wahrscheinlichkeit einer Fehlallokation beinhaltet und gegebenenfalls besser verwendet werden könnte. Zudem besteht bei allen Mandatsträgern der berechtigte Wunsch die eigene Existenz zu rechtfertigen, davon abgesehen, dass satzungsgemäß gewisse Rituale eingehalten werden müssen, was Zeit und finanzielle Ressourcen verschlingt.
Wenn sich aber zu viele zum gleichen Thema äußern, können sich die Adressaten der Botschaften immer die Botschaft aussuchen, mit der sie am besten leben können. Somit lässt sich die Frage aufwerfen, ob denn eine föderale Struktur in Stein gemeißelt sein muss, was für eine solche auch weiterhin spräche und was dagegen, denn während bspw. im Einzelhandel Landespolitik tatsächlich für Fragen der inneren Sicherheit, der Ladenöffnungszeiten, der Verkehrswende relevant sein kann, spielt sich Gesundheitspolitik fast ausschließlich, zumindest aber federführend auf Bundesebene ab. Demnach sind Lippenbekenntnisse von Landespolitikern mit Verlaub maximal hilfreich, aber nie wirklich ergebnisrelevant, weil sie nur über Einflussnahme gegenüber Bundespolitikern in gewisser Weise maßgeblich werden können.
Ehren- und Hauptamt sauberer voneinander trennen
All diese Bemerkungen zeigen auf, dass die Idee einer Strukturreform bedenkenswert ist. Doppelarbeiten abzubauen, den Verschleiß bei Ehrenamtsträgern abzumildern, Mehrfachmandate auszuschließen, Ehren- und Hauptamt sauberer voneinander zu trennen, die Aufgaben auf diese zwei Gruppen besser zu verteilen und damit auch öffentlichkeitswirksam besser zu bespielen, Interpretationsspielräume für Kassen und Politik zu vermeiden und durch klarere Zuständigkeiten und durch weniger Rechtfertigungsnotwendigkeiten sich professioneller aufzustellen macht Sinn.
Mag eine Strukturreform in Unternehmen schon eine Mammutraufgabe darstellen und deshalb auch nur mit hinreichend großem zeitlichem Aufwand zu bewerkstelligen sein, hat sie doch einen Vorteil gegenüber vergleichbaren Ansinnen in Verbänden und Kammern. In Unternehmen gibt es in aller Regel eine klare Top-Down-Hierarchie und wenn der Vorstand oder die Geschäftsführung eine Restrukturierung zur Unternehmensaufgabe erklärt, ist die Entscheidung dazu gefallen und muss ggf. noch von Aufsichtsgremien abgesegnet werden. Die Entscheidungsfindung gerät demnach vergleichsweise kurz, danach kann exekutiert werden, was einer sauberen Analyse und dann einer sich anschließenden Entscheidungsphase bedarf.
Reformpläne in diesen Konstellationen würden lange dauern
Die Institutionen der Apothekerschaft funktionieren aber Bottom-Up. Hier braucht es Mehrheitsbeschlüsse, Satzungsänderungen, Fusionen z.B. zwischen Verbänden zu größeren Gebietseinheiten. Und diese sind nicht mal per Federstrich vollzogen, schwierige rechtliche Fragen müssen geklärt werden, das jeweilige Vermögen bewertet und deren Zuführung zu einem neuen Gebilde gewichtet werden. Zudem haben weder das Haupt- noch das Ehrenamt eine erweiterte Motivation zu derlei Aufgaben, da es zum einen viel Kraft und Zeit kostet und damit von anderen allfälligen Aufgaben ablenkt und zum anderen dazu führt, dass man sich ggf. selbst abschafft.
Aber selbst wenn alle Beschlüsse getroffen werden und sich die Struktur dann den aktuellen Gegebenheiten optimal anpassen würde, ist damit die Entscheidungsfindung ggf. schneller, hat weniger Zeit und Geld gekostet, hat die Basis stärker eingebunden und die notwendige Information schneller und besser diffundiert. All dies würde aber noch nichts an den zu treffenden Entscheidungen, an einer zu verfolgenden Strategie ändern. Zudem würden Reformpläne in diesen Konstellationen lange dauern, bis sie vollzogen sind, eine Einvernehmlichkeit bei allen tangierten Gesellschaften erforderlich machen und demnach viele personelle Ressourcen verschlingen. Von daher stellt sich viel eher die Frage, ob nicht alle Ressourcen dafür verwendet werden sollten, einen Strategiewechsel vorzunehmen anstatt sich an einer Strukturreform wund zu reiben.
Anlass für einen Strategiewechsel
Denn die oben skizzierten Gründe für eine Strukturreform sind zum Teil auch Anlass für einen Strategiewechsel. Wenn sich andere Vereinigungen bilden und Landesorganisationen von der gemeinsamen Linie abweichen, ergibt sich zurecht die Diskussion, ob es tatsächlich noch eine gemeinsame Linie gibt und ob eine wahrnehmbare Mehrheit diese Linie vertritt. Wenn andere Vereinigungen klagen und damit einen deutlich konfrontativeren Kurs einschlagen, haben sich neue Trennlinien innerhalb der Basis Raum geschaffen. Es ist von einer Strukturrefom unabhängig, ob ein anderer Weg eingeschlagen wird. In einer parlamentarischen Demokratie gibt es eine Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative. Wenn Legislative und Exekutive nicht den Vorschlägen der Apothekerschaft folgt, den notwendigen Honoraranpassungen nicht zustimmt und sie schon gar nicht vollzieht, wenn eine Apotheke ohne Apotheker durch ein Reformgesetz hoffähig gemacht werden soll, ist es gerade eine Errungenschaft in demokratischen Staaten, dass dann als dritte Instanz Gerichte angerufen werden können, die den formulierten Anspruch überprüfen sollen. Die Freie Apothekerschaft geht gegenwärtig diesen Weg, der Geld kostet, nicht nur Freundschaften pflegt und juristischen Beistand erfordert.
Dies ist keineswegs das Aufgeben eines konstruktiven, kooperativen Ansatzes, sondern des Staatsbürgers Recht. Dafür muss sich niemand rechtfertigen, die Gerichte haben genau das Klageansinnen zu prüfen und auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und Regelungen zu entscheiden. Natürlich verändert dies das Verhältnis zwischen den Akteuren, aber nicht zwingend zum Schlechteren, denn ein solches Vorgehen ist im besten Sinne des Wortes demokratisch und kann auch zu Respekt und Gesprächen auf Augenhöhe führen. Und natürlich wäre es weltfremd anzunehmen, dass dies die Politik nicht etwas ärgern würde, aber am Ende des Tages entscheidet dies über die Existenz von zig Apotheken.
Wie öffentlichkeitswirksam sind die Bemühungen?
Streiks zeigen gewissermaßen Wirkung, aber da sie nicht solange ausgefochten werden (können), bis sich auf Seite der diesbezüglich Aufgeforderten etwas tut, weil damit ebenfalls existenzielle Fragen berührt sind, haben sie eher den Charakter einer Demonstration mit eher überschaubarer Wirkung.
Auch muss nüchtern betrachtet werden, wie öffentlichkeitswirksam die Bemühungen der Apothekerschaft sind. Natürlich berichten die Organe des Berufsstands oft und ausführlich darüber und oft genug auch im Sinne der formulierten Forderungen. Aber für die jetzt anstehenden Fragen wie die Honorarerhöhung oder die Verhinderung von hanebüchenen Ideen zur Liberalisierung der Abgabe von Arzneimitteln bedarf es eher der Breitenwirkung in Publikumsmedien und dort auch im Duktus der Apothekerschaft.
Gerade jüngere Apothekerinnen und Apotheker wollen sich inhaltlich einbringen, weil hier ggf. noch 30-40 Berufsjahre das Auskommen sichern sollen. Deren Einbindung in die Entscheidungsfindung ist unabdingbar und muss auch außerhalb von Gremienarbeit möglich und machbar sein, mithin organisiert werden.
Externe Hilfe ist nötig, um die Strukturen zukunftsfähig zu machen
Wenn nun alles abgewägt wird, was den Beitrag ausmacht, müssten mittel- bis langfristig die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Strukturen der Standesorganisation zukunftsfähig zu machen. Hier bedarf es externer Hilfe und hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit, denn die neu geschaffenen Strukturen müssen länger halten als dies in Unternehmen der Fall ist, allein schon aufgrund des aufwendigen Verfahrens der Entscheidungsfindung. Es ist auch anzuraten, jeden Stein umzudrehen und nicht an ein „Reförmchen“ zu denken, sondern faktisch zu restrukturieren.
Kurzfristig sind plebiszitäre Elemente und Veranstaltungsformate anzudenken, die den offenen Diskurs im Umgang mit den existenziellen Fragen adressieren. Dann wären die Mandatsträger über die üblichen Rituale hinaus gestärkt und würden den auf dieser Weise entstandenen Weg einschlagen können. Ohne einen Strategiewechsel mutet die angedachte Strukturreform als Beschäftigungstherapie und Fluchtversuch an, die zwar generell und mit mittel- bis langfristiger Perspektive helfen kann, aber nicht in den jetzt dringenden und wichtigen Fragen. Deshalb wäre es wichtig, die Strategie zu wechseln und den Druck auf die Politik wahrnehmbar zu erhöhen. Eine Apotheke ohne Apotheker wäre der Anfang vom Ende. Und dann braucht es auch keine Strukturreform mehr.
5 Kommentare
Alles bleibt, wie es ist bei Apothekers
von Ulrich Ströh am 12.09.2024 um 11:50 Uhr
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Grundsätzlicher herangehen ...
von Reinhard Herzog am 12.09.2024 um 11:05 Uhr
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AW: Grundsätzlicher herangehen
von Jörg Wilhelm Nolten am 12.09.2024 um 18:24 Uhr
AW: Grundsätzlicher herangehen
von gerd reitler am 16.09.2024 um 19:07 Uhr
Passt!
von Uwe Hansmann am 12.09.2024 um 8:54 Uhr
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