Selbstmedikation

Therapie der Obstipation überdenken: Laxanzien können längerfristig angewendet werden

Aktuelle Studien zeigen, dass Laxanzien wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat bei bestimmungsgemäßem Gebrauch längerfristig eingesetzt werden können, ohne Elektrolytverluste, Gewöhnung oder erneute Darmträgheit zu provozieren. Sogar ihr Einsatz in der Stillzeit ist möglich.
Bei der Abgabe von Laxanzien sollte auf einen bestimmungsgemäßen Gebrauch geachtet werden. Werden wiederholt Laxanzien gekauft, muss geklärt werden, ob die Dosierung stimmt und ein weicher, geformter Stuhl erzeugt wird. Weisen Sie die Kunden darauf hin, dass eine tägliche Anwendung nicht erforderlich ist! Denn nach Anwendung eines Laxans ist der Darm gründlich entleert und es kann zwei bis drei Tage dauern, bis wieder ein natürlicher Stuhldrang erfolgt.
Foto: DAZ/Schelbert

Etwa acht Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Obstipation. Doch viele Betroffene schrecken vor einer Anwendung von Laxanzien zurück, weil sie Nebenwirkungen wie Elektrolytverluste, Gewöhnung und erneute Darmträgheit befürchten. Lieber vertrauen sie gut gemeinten Tipps zur Veränderung ihres Lebensstils. Doch mehr Trinken, vermehrte Bewegung und eine ballaststoffreiche Ernährung zeigen meist nicht die gewünschte Wirkung. Sie helfen bei einer Obstipation nur, wenn die Ursache für die verlangsamte Darmtätigkeit tatsächlich ein Mangel an Flüssigkeit, zu geringe körperliche Aktivität und ein verminderter Ballaststoffgehalt der Nahrung ist. Im Gegenteil, bei vielen Patienten mit schwerer Obstipation verschlimmern sich die Symptome wie Blähungen und Bauchkrämpfe sogar, wenn sie den Ballaststoffverzehr steigern.

Stimulation des enterischen Nervensystems

Meist liegt den Verstopfungsbeschwerden eine Veränderung der Transportfunktion des Darms zugrunde, die auf einer Störung der nervalen Steuerungsmechanismen des Darms beruht (funktionelle Obstipation). Das enterische Nervensystem, auch Bauchhirn genannt, reagiert sensibel auf innere und äußere Einflüsse. Es gerät schnell aus der Balance, woraus eine verlangsamte Dickdarmpassage resultieren kann. Bei einer funktionellen Obstipation werden Substanzen benötigt, die das in der Darmwand gelegene Nervensystem stimulieren und damit die Transportfunktion normalisieren. Dies können die laxierenden Wirkstoffe Bisacodyl und Natriumpicosulfat erreichen. Sie gelangen als Prodrugs ohne wesentliche Resorption über Magen und Dünndarm zum Dickdarm, dem Ort der Verstopfung. Dort werden sie anschließend in die eigentliche aktive Wirkform BHPM (Bis-(p-hydroxyphenyl)-pyridyl-2-methan) überführt. Beim Bisacodyl geschieht die Umwandlung mittels körpereigener Enzyme, beim Natriumpicosulfat, dem Schwefelsäureester des Bisacodyls, durch Dickdarmbakterien. Beide Laxanzien haben einen doppelten Wirkmechanismus: Sie regen sowohl die Motilität als auch die Flüssigkeitssekretion im Darm an. Dadurch nimmt die Darmperistaltik zu, der Stuhl wird weicher und kann leichter ausgeschieden werden.


Diagnose Obstipation


Bei der Diagnosestellung ist sowohl die Stuhlfrequenz als auch die Stuhlkonsistenz sowie das subjektive Empfinden der Betroffenen zu berücksichtigen. Nach den Rom-Kriterien liegt eine Obstipation vor, wenn mindestens zwei der folgenden Merkmale während mindestens zwölf Wochen innerhalb der letzten sechs Monate vorgelegen haben:

  • weniger als drei Stuhlentleerungen pro Woche
  • bei mehr als 25% der Stuhlgänge ist die Stuhlbeschaffenheit hart
  • Pressen erforderlich
  • Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
  • oder Gefühl der analen Blockierung
  • manuelle Unterstützung zur Stuhlentleerung nötig

Bisacodyl und Natriumpicosulfat: sicher und wirksam

Zwei aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen die guten Erfahrungen mit den beiden Substanzen und liefern Daten zur Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit [1, 2]. Insgesamt nahmen 735 Probanden mit chronischer Verstopfung an diesen Doppelblindstudien teil. Sie wurden über einen Zeitraum von vier Wochen täglich entweder mit 10 mg Bisacodyl, 10 mg Natriumpicosulfat oder Placebo behandelt. Dabei zeigte sich beim Einsatz der beiden Laxanzien eine zuverlässige Lösung der Verstopfung und eine spürbare Besserung des allgemeinen Wohlbefindens. Zudem hielt diese Wirkung über den gesamten Behandlungszeitraum an. Auch bei täglicher Einnahme war kein Wirkverlust festzustellen und damit keine Dosiserhöhung nötig. Im Gegenteil, die Dosis wurde von 50% der Natriumpicosulfat-Anwender und von 60% der Bisacodyl-Anwender sogar reduziert. "In der Verumgruppe, die den Wirkstoff erhielt, zeigte sich über die vier Wochen ein gleich bleibender positiver Effekt bezüglich der Stuhlfrequenz," bestätigte der Gastroenterologe Prof. Dr. Stefan Müller-Lissner auf einer von Boehringer Ingelheim veranstalteten Pressekonferenz zum Thema Bauchgesundheit. "Interessanterweise haben viele Patienten in der Verumgruppe bereits nach einer Woche die Dosis des Abführmittels reduziert, während das in der Placebogruppe nicht der Fall war." Eine Gewöhnung an das Laxans war also nicht festzustellen. Zudem betonte der Gastroenterologe, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch kein Elektrolytverlust zu erwarten ist: "Wenn man die Dosierung so wählt, dass ein weicher, allenfalls breiiger Stuhl entsteht, ist kein Elektrolytverlust zu befürchten. Darmträgheit tritt nur bei schwersten Elektrolytverlusten auf, die selbst in der Klinik nur sehr selten vorkommen." Dies bestätigen auch die beiden Studien mit Bisacodyl und Natriumpicosulfat, bei denen die beiden Laxanzien über einen längerfristigen Zeitraum gegeben wurden.


Bestimmungsgemäßer Gebrauch von Laxanzien


Das Ziel beim bestimmungsgemäßen Gebrauch ist es, einen weichen, geformten Stuhl zu erhalten, der ohne Pressen und Schmerzen ausgeschieden werden kann. Tritt Durchfall auf, sollte die Dosis reduziert werden. Dabei ist es nicht wichtig, einen täglichen Stuhlgang zu erhalten. Nach erfolgter Anwendung eines Laxans ist der Darm gründlich entleert und es kann zwei bis drei Tage dauern, bis wieder ein natürlicher Stuhldrang erfolgt. Eine tägliche Anwendung ist daher nicht notwendig.

Auch für die Stillzeit geeignet

Eine weitere klinische Studie untersuchte darüber hinaus die Anwendbarkeit von Bisacodyl und Natriumpicosulfat während der Stillzeit [3]. Ziel der Untersuchung war der Frage, ob die aktive Wirkform der Arzneistoffe, das freie Diphenol BHPM oder dessen Abbauprodukte bei stillenden Frauen in die Muttermilch übergehen und sich dort anreichern. Die Probandinnen, gesunde Frauen im Alter von 23 bis 38 Jahren, die sich in der Stillphase befanden, bekamen über einen Zeitraum von acht Tagen einmal täglich 10 mg Bisacodyl bzw. 10 mg Natriumpicosulfat. Das Ergebnis: In den täglich entnommenen Milchproben ließen sich keine Spuren von BHPM oder dessen Abbauprodukten nachweisen. Damit wurde gezeigt, dass sie nicht in die Muttermilch übergehen. Auch in begleitenden ärztlichen Untersuchungen wurden keine Auffälligkeiten festgestellt, so dass die Anwendung der beiden Laxanzien während der Stillzeit empfohlen werden kann.


Quelle

[1] Kamm, M.A. et al: Stimulant Laxatives are Effective in Chronic Constipation: Multi-Center, 4-Week, Double-Blind, Randomized, Placebo-Controlled Trial of Bisacodyl. Gastroenterology 2010, 138(5): 228.

[2] Müller-Lissner, S. et al: Multicenter, 4-Week, Double-Blind, Randomized, Placebo-Controlled Trial of Sodium Picosulfate in Patients With Chronic Constipation. American Journal of Gastoenterology 2010, 105: 897 - 903.

[3] Friedrich, C. et al: Measurements of bisacodyl and sodium picosulfate in breast milk of healthy postpartum women. Abstract UEGW London 2009.


Apothekerin Gode Meyer-Chlond



DAZ 2012, Nr. 22, S. 56

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