Arzneimittel und Therapie

Hörverlust als Folge einer Meningokokken-B-Infektion

Ein Drittel der Kinder behält Schäden

Etwa eine halbe Million Menschen erkrankt jährlich an einer Meningitis – jeder Zehnte stirbt an den Folgen der Erkrankung. Für die Erreger Neisseria meningitis Serogruppe A und C stehen Impfstoffe zur Verfügung, so dass die Zahl der durch diese Meningokokken-Serogruppen ausgelösten Infektionen stark abnimmt. Derzeit wird in vielen Staaten über die Einführung eines Impfstoffs gegen die Serogruppen-B-Meningitis diskutiert.
Eine deutliche Hörminderung ist ein Schaden, der häufig nach einer Infektionmit Meningokokken zurückbleibt. Kinder, die eine Infektion mit Meningokokken der Serogruppe B durchgemacht haben, sollten routinemäßig auf neurologische, kognitive und psychische Defizite sowie auf ihr Hörvermögen untersucht werden. Foto: somenski – Fotolia.com

Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Viner am UCL Institute of Child Health in Großbritannien eine Studie zu den Folgen einer Meningokokken-Infektion der Serogruppe B (MOSAIC) und sprach sich deutlich für die Einführung eines entsprechenden Impfstoffes aus. Die Arbeitsgruppe untersuchte die Auswirkungen der Meningokokken-Serogruppen-B-Infektion bei Kindern im Alter zwischen einem Monat und dreizehn Jahren. Dabei wurden 245 Kinder der zwischen Mai 2008 und September 2010 insgesamt 537 registrierten Meningokokken-Serogruppe-B-Fälle mit einer alters-, geschlechts- und soziodemografisch-gematchten Kontrollgruppe nicht betroffener Kinder verglichen. Hier wurden die Daten von 328 Kindern ausgewertet. Der größte Teil der erkrankten Kinder überlebte die Meningokokken-Infektion ohne weitere Folgen. Aber jedes zehnte Kind trug Schäden wie Amputationen oder eine deutliche meist beidseitige Hörminderung von mehr als 40 dB davon. In der Vergleichsgruppe trat ein solcher Hörverlust bei weniger als 1% auf, während von den Kindern nach einer Meningokokken-Serogruppen-B-Infektion einige sogar mit einem Cochlea-Implantat versorgt werden mussten.


MENINGOKOKKEN-INFEKTIONEN

Die Lage in Deutschland


Im Jahr 2011 erkrankten 370 Menschen bundesweit an einer Meningitis. Acht Prozent der Patienten verstarben. Am häufigsten wurden die aufgetretenen Meningitisfälle in Deutschland durch die Serogruppen B (73%) und C (20%) ausgelöst. Betroffen waren wie in den Jahren zuvor auch vor allem Kinder zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr mit einem Erkrankungsgipfel im ersten Quartal (in 2011 40% aller Fälle). Gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y sind derzeit Impfstoffe verfügbar.

Geringerer IQ, mehr psychische Probleme

Bei über einem Drittel der untersuchten Kinder aus der Meningitisgruppe wurden neurologische, kognitive und psychische Defizite festgestellt. So liegt der IQ bei 11% der untersuchten Kinder im Bereich von unter 85 (Borderline-IQ). In der Vergleichsgruppe betraf dies 4%. Insgesamt fällt der durchschnittliche IQ der Meningitisgruppe um sieben bis acht Punkte niedriger aus. Auch von Sprachentwicklungsstörungen waren diese Kinder bis zu fünfmal häufiger betroffen. Die Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Kinder mit Hörminderung berücksichtigt wurden oder nicht. Die Störungen in der psychischen Entwicklung zeigten sich vor allem in überproportional auftretenden Angststörungen, ADHS, aber auch Depressionen, Essstörungen bis hin zur Entwicklung von Phobien. Die Autoren fanden dabei keine Hinweise auf eine posttraumatische Stresssymptomatik, noch konnten sie einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Erkrankung oder der Krankenhausaufenthaltsdauer und dem Auftreten der beschriebenen Defizite feststellen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der Schutz vor einer Meningokokken-BInfektion sinnvoll ist, wenn ein sicherer Impfstoff zur Verfügung steht, da sowohl schwerwiegende Behinderungen, intellektuelle Einschränkungen und psychische Störungen im Kindesalter vermieden werden können.


Quelle

Viner, Russel M. et al.: Outcomes of invasive meningococcal serogroup B disease in children and adolescents (MOSAIC): a case-control-study. Lancet Neurol (2012) 11: 774 – 783.

RKI – Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2011.


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer MHA



DAZ 2012, Nr. 39, S. 48

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