Ernährungsmedizin

Risiko Darmkrebs

Effekte von Rauchen, Adipositas, Ernährung und Lebensgewohnheiten

Alexander Ströhle, Maike Wolters, Andreas Hahn | Mit einer Inzidenz von jährlich etwa 1,2 Millionen Fällen zählen Krebserkrankungen des Dick- und Mastdarms (maligne kolorektale Tumoren) weltweit zu den dritthäufigsten Krebsformen [35]. Migrationsstudien hatten bereits Mitte des 20. Jahrhunderts darauf hingedeutet, dass ein erheblicher Anteil der Tumorerkrankungen auf Umwelteinflüsse zurückzuführen ist [72]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht heute davon aus, dass die Ernährungsweise und andere Lebensstilfaktoren für etwa ein Drittel aller Kebserkrankungen verantwortlich zu machen sind [117]. Für kolorektale Tumoren wird der Anteil der lebensstilbedingten Erkrankungen auf 55 % geschätzt [85; 88]. Im folgenden Beitrag wird diskutiert, welche Lebensstilelemente in welchem Umfang zur Entstehung und Prävention von kolorektalen Tumoren beitragen können. In der kommenden DAZ steht dann der Einfluss einzelner Nahrungsfaktoren im Mittelpunkt.

Bereits 1928 stellte der Mediziner Karl Heinz Bauer (1890 – 1978) die somatische Mutationshypothese der Krebsentstehung auf. Danach wirken kanzerogene Faktoren als Mutagene, indem sie das genetische Material einer Zelle verändern. Heute, rund 85 Jahre nach Bauers epochalem Postulat, gilt die Mutationstheorie der Tumorentstehung als gesichert. "Krebs", so die gegenwärtige Vorstellung, "stellt eine genetische Erkrankung in dem Sinne dar, dass das Genom der Krebszelle durch eine Akkumulation von genetischen Veränderungen gekennzeichnet ist und dass diese Veränderungen von einer Krebszellgeneration auf die nächste übertragen werden" [86]. Charakteristisch für den Übergang einer normalen Zelle in eine Tumorzelle (Transformation) sind Mutationen von Proto-Onkogenen und Anti-Onkogenen [86]:

  • Proto-Onkogene (zelluläre Onkogene) bilden die zellulären Homologe der viralen Onkogene. Sie sind Schlüsselgene für die Signaltransduktion und über ihre Genprodukte (Onko-Proteine) an Wachstums- und Differenzierungsprozessen beteiligt. Mutationen aktivieren Proto-Onkogene, wodurch diese die Eigenschaft von Onkogenen gewinnen. Folge der Onkogen-Aktivierung ist die konstitutive "Anschaltung" von Signaltransduktionskaskaden, die mit einer deregulierten und gesteigerten Proliferation der Zelle in Verbindung stehen.

  • Anti-Onkogene (Tumor-Suppressor-Gene) zählen wie Proto-Onkogene zu den normalen Genen einer gesunden Zelle. Über ihre Genprodukte kontrollieren sie das Wachstums- und Differenzierungsverhalten der Zellen und wirken im Sinne von negativen Regulatoren. Dadurch wirken sie der Tumorentstehung entgegen, weshalb sie auch als Tumor-Suppressor-Gene bezeichnet werden. Mutationen können zum Verlust dieser Funktion führen, indem ein fehlerhaftes oder gar kein Genprodukt gebildet wird. So kommt es auch hierdurch zu einem deregulierten Zellwachstum.


Die Entstehung (Tumorigenese) und das Voranschreiten (Progression; Metastasierung) von Krebserkrankungen wird – grob vereinfacht – als dreistufiger Prozess beschrieben [43]:

1. Tumorinitiation. Schädigung der DNA einer einzigen Zelle in Form von mutierten Proto-Onkogenen und Anti-Onkogenen.

2. Tumorpromotion. Bevorzugte Vermehrung (klonale Expansion) einer initiierten Zelle. Während die Tumorinitiation rasch erfolgt, kann die Promotion Jahre bis Jahrzehnte umfassen.

3. Tumorprogression. Sie ist gekennzeichnet durch invasives Tumorwachstum und Metastasierung, begleitet von Angiogenese (Gefäßneubildung).


Abb. 1: Mehrschritt-Stadien-Modell der Pathogenese kolorektaler Karzinome ([104] in Anlehnung an [86]).

Analog dazu wird auch die Pathogenese des kolorektalen Karzinoms in mehrere Schritte unterteilt (siehe Abb. 1). Nach dem Mehrstufen-Modell der Adenom-Karzinom-Sequenz stehen präneoplastische Veränderungen (aberrant crypt foci; ACF) am Beginn einer oft langjährigen Entwicklung, in deren Folge benigne Adenome entstehen, die schließlich zu Adenokarzinomen transformieren. Verantwortlich hierfür sind Mutationen von Onko- und Tumorsuppressorgenen, die im Verlauf der Tumorentstehung akkumulieren und die klonale Expansion der Tumorzellen bedingen [12; 22]. Nahrungs- und andere Lebensstilfaktoren können sowohl auf die Initiationsphase der Krebsentstehung als auch auf die weiteren Schritte der Promotion und Progression Einfluss nehmen. Entsprechend stellen Umweltfaktoren einen potenten Expositionsfaktor dar, der das Risiko für kolorektale Tumoren modifiziert. Die epidemiologischen und zellulär-molekularen Zusammenhänge zwischen einzelnen Lebensstilelementen und der Ätiologie des kolorektalen Karzinoms wurden in der jüngeren Vergangenheit in einer Reihe von Monographien und Übersichtsarbeiten [16 – 18; 23; 44; 52; 59; 76; 104; 111; 114; 117] analysiert und bewertet. Erwähnenswert ist insbesondere die systematische Literatursammlung (Systematic Literature Reviews; SLRs) des World Cancer Research Fund (WCRF) aus dem Jahr 2007 [114] und eines Updates (Continuous Update Project Colorectal Cancer Report) aus dem Jahr 2010 [115]. Basierend darauf und auf den Ergebnissen neuer Metaanalysen und experimenteller Befunde [4; 6 – 8; 11; 32; 60; 107] soll hier ein aktueller Überblick zum Einfluss von Nahrungs- und Lebensstilfaktoren auf die Entwicklung von kolorektalen Karzinomen gegeben werden.

Krebserkrankungen des Kolons und Rektums – Lebensstilfaktoren


Übergewicht und Adipositas

Epidemiologie: Biostatistischen Berechnungen zufolge sind 7 bis 13 % aller kolorektalen Karzinome auf Übergewicht bzw. Adipositas zurückzuführen [85; 116]. So zeigt die Mehrzahl der Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien einen direkten Zusammenhang zwischen dem BMI und dem Erkrankungsrisiko [19; 37; 66; 70; 87]. In einer im Rahmen des CUP-Projekts durchgeführten Metaanalyse von über 20 jüngeren Kohortenstudien wurde für einen Anstieg des BMI um eine Einheit eine Risikosteigerung um 2 % berechnet [115]. In einer weiteren metaanalytischen Auswertung von 56 Beobachtungsstudien mit mehr als sieben Millionen Studienteilnehmern und etwa 93.000 Krebsfällen, war Übergewicht bzw. Adipositas ebenfalls positiv mit dem kolorektalen Krebsrisiko assoziiert. Verglichen mit Personen mit einem BMI ≤ 23 kg/m2 wiesen Personen mit einem BMI von 27,5 bis 29,9 kg/m2 bzw. ≥ 30 kg/m2 ein um 24 % bzw. 41 % erhöhtes Krankheitsrisiko auf [80]. Pro Anstieg des BMI um 5 Einheiten ergab sich ein um 18% erhöhtes Risiko. Dabei scheint Adipositas bei Männern das Erkrankungsrisiko stärker zu erhöhen als bei Frauen, wie eine weitere Metaanalyse belegt. Pro Anstieg des BMI um fünf Einheiten ist das Dickdarmkrebsrisiko bei Männern um 24 % und bei Frauen um 9 % erhöht [46].


Wie die differenzierte Betrachtung zeigt, steigert Adipositas insbesondere in seiner abdominalen Ausprägung (stammbetonte Fettsucht; Apfeltyp) das Erkrankungsrisiko. Pro Anstieg des Hüftumfangs um 10 cm wurde für Männer ein 33 % erhöhtes Dickdarmkrebsrisiko errechnet. Bei Frauen war der Effekt mit 16 % deutlich schwächer ausgeprägt [64]. Insgesamt zeigen die epidemiologischen Daten einen konsistenten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des (abdominalen) Übergewichts und dem Risiko, an kolorektalen Krebsformen zu erkranken. Selbst bei Berücksichtigung von anderen Lebensstilfaktoren bleibt diese Assoziation bestehen, was für einen kausalen Zusammenhang spricht [23]. Die wissenschaftliche Evidenz für einen risikosteigernden Effekt wird daher seitens des WCRF als überzeugend gewertet [114 – 115].


Wirkmechanismus: Über welche Mechanismen die (abdominale) Adipositas auf das Krebsgeschehen Einfluss nimmt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden derzeit mehrere Faktoren (siehe Abb. 2) (Übersichten bei [32 – 33; 41; 60]):


Abb. 2: Pathogenetischer Zusammenhang zwischen viszeraler Adipositas, Insulinresistenz und kolorektalen Tumoren [104]. IGFBP: Insuline-like-Growth-Factor bindende Proteine; SHBG: Sexualbindendes Hormon; ROS: Reaktive Sauerstoffspezies; (+): erhöht/stimuliert; (-): erniedrigt/hemmt
  • Vermehrte Sekretion von Zytokinen aus dem viszeralen Fettgewebe und Induktion einer proinflammatorischen Stoffwechsellage, die mit einer vermehrten Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und der Schädigung von DNA einhergeht.

  • Induktion einer Hyperinsulinämie, die von einer Abnahme der IGF-Bindungsproteine (IGFBP-1 und -2) und einer hierdurch erhöhten Verfügbarkeit biologisch aktiven IGF-1 begleitet ist. Sowohl Insulin als auch IGF-1 stimulieren als Wachstumsfaktoren die Zellproliferation und das Tumorwachstum. Darüber hinaus hemmt Insulin die Apoptose von Krebszellen.

  • IGF- und Insulin-vermittelte Hemmung der Bildung des sexualhormonbindenden Globulins (SHBG). Dadurch steigt der Anteil der freien, biologisch aktiven Sexualhormone im Blut. Sowohl Estrogene als auch Androgene stimulieren die Zellproliferation und fördern so das Tumorwachstum.


Körperliche Aktivität

Epidemiologie: Dass regelmäßige körperliche Aktivität einen wichtigen kardiovaskulären Schutzfaktor darstellt, ist seit Langem bekannt [13; 65]. Weniger verbreitet sind indes die Erkenntnisse zu den krebsprotektiven Effekten körperlicher Bewegung. Besonders ausgeprägt ist der Schutzeffekt bei Brust- (nach den Wechseljahren) und Dickdarmkrebs [30]. Wenngleich bereits 1980 auf einen Zusammenhang zwischen geringer körperlicher Aktivität und dem Auftreten kolorektaler Krebserkrankungen hingewiesen worden war [51], sollte es einige Jahre dauern, bis dieser Sachverhalt von der Forschung aufgegriffen wurde. Zwischenzeitlich wird davon ausgegangen, dass 12 bis 19 % aller kolorektalen Krebserkrankungen auf mangelnde Muskelaktivität zurückzuführen sind [52; 115]. Es existieren aber auch Auswertungen, die den Einfluss der körperlichen Bewegung auf das Erkrankungsrisiko weit geringer einstufen. So schätzt eine aktuelle Analyse aus Großbritannien, dass nur etwa 3 % der kolorektalen Karzinome auf mangelnde Bewegung zurückzuführen sind [85].


Für eine kausale krebsprotektive Wirkung körperlicher Aktivität spricht die Tatsache, dass eine Vielzahl von Beobachtungsstudien mit unterschiedlichem Design (Fall-Kontroll- und Kohortenstudien), durchgeführt an verschiedenen Populationen und unter statistischer Berücksichtigung von anderen Lebensstilelementen, einen konsistenten Schutzeffekt nachweisen konnten [37; 71; 100; 106]. In entsprechenden Metaanalysen reduziert körperliche Bewegung das Adenom-Risiko um etwa 20 % [113]; das Risiko für Dickdarmkrebs wird in einer ähnlichen Größenordnung abgesenkt. So ergab die Auswertung von 52 Studien ein um 24 % (Männer) bzw. 21 % (Frauen) reduziertes Erkrankungsrisiko für Personen mit der meisten Muskelaktivität [112]. Die kürzlich im Rahmen des CUP-Projekts durchgeführte metaanalytische Auswertung der jüngsten Kohortenstudien zeigt eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung: Für eine Steigerung des Energieumsatzes durch körperliche Aktivität um 5 MET-Stunden/Tag (MET steht für "Metabolisches Äquivalent". Das MET ist ein Parameter, um den Energieverbrauch verschiedener Aktivitäten vergleichen zu können. Dabei entspricht 1 MET dem Umsatz von 3,5 ml Sauerstoff/kg KG/Minute bei Männer und 3,15 ml Sauerstoff/kg KG/Minute bei Frauen [2], dies wiederum entspricht etwa einem Energieverbrauch von 1 kcal je Kilogramm Körpergewicht pro Stunde) wurde ein um 3 % reduziertes Dickdarm- und Mastdarmkrebsrisiko errechnet. Mit einem um 8 % verminderten Risiko war der Schutzeffekt für das Kolonkarzinom deutlich stärker ausgeprägt [115].

Insgesamt zeigt die umfangreiche epidemiologische Literatur einen konsistenten und dosisabhängigen inversen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Dickdarmkrebs. Entsprechend wird die Evidenz für einen risikosenkenden Effekt körperlicher Bewegung seitens des WCRF als überzeugend gewertet [114 – 115]. Für das Rektumkarzinom wurde keine Bewertung vorgenommen [115].

Wirkmechanismus: Muskelaktivität induziert eine Vielzahl biochemischer und physiologischer Prozesse, die mit der Kanzerogenese in Zusammenhang stehen. Diese umfassen u. a. günstige Effekte auf den Glucose- und Insulinstoffwechsel, das Entzündungsgeschehen und immunologische Wirkungen (siehe Kasten und Abb. 2).


Effekte von körperlicher Aktivität


Diskutierte Wirkmechanismen für die protektiven Effekte körperlicher Aktivität beim Kolonkarzinom (in Anlehnung an [30])

  • Hemmung chronischer Entzündungsreaktionen

  • Verringerung der Insulinresistenz und Abnahme des Insulinspiegels im Blut
  • Verminderte Transitzeit von Speisen im Gastrointestinaltrakt und damit geringere Exposition krebsfördernder Stoffe

  • Reduktion des Körperfettanteils und Abnahme von proinflammatorischen Adipozytokinen (TNF-α; IL-6)

  • Einflüsse auf die Prostaglandin- und Gallensäuresekretion

  • Einflüsse auf die Immunabwehr (gesteigerte Aktivität natürlicher T-Killerzeller)

  • Einflüsse auf den endogenen Steroidmetabolismus

  • Verbesserte Vitamin-D-Versorgung bei sportliche Aktivität an der Sonne)

  • Einflüsse auf den p27-Status


Rauchen

Epidemiologie: Rauchen gilt gemeinhin als klassischer Risikofaktor für Tumoren der Lunge; ein Zusammenhang mit kolorektalen Krebserkrankungen erscheint dagegen auf den ersten Blick wenig naheliegend zu sein. Folgerichtig wurde in der Frühphase der epidemiologischen Krebsforschung Rauchen nicht mit Karzinomen des Dick- und Mastdarms in Verbindung gebracht [31; 45; 55; 91]. Dies änderte sich zu Beginn der 1990er Jahre, als große Kohortenstudien einen Zusammenhang zwischen den Rauchgewohnheiten und dem Auftreten von kolorektalen Krebsformen nachweisen konnten [38 – 39]. Zwischenzeitlich ist die Studienlage zu einem Meer an Befunden angewachsen; in mehreren Metaanalysen wurden die Daten ausgewertet [20; 67; 108].

Eine aufgrund ihrer differenzierten Auswertung besonders interessante Analyse wurde von einer Forschergruppe der Harvard School of Public Health im renommierten Fachblatt International Journal of Cancer veröffentlicht. In die Auswertung einbezogen wurden 36 prospektive Kohortenstudien. Die Kernergebnisse lauten [67]:

  • Ausmaß des Zigarettenkonsums: Ein Anstieg des Zigarettenkonsums um 40 Stück/Tag erhöht das kolorektale Tumorrisiko um 38 %.

  • Dauer des Zigarettenkonsums: Pro 40 Raucherjahre steigt das Erkrankungsrisiko um 20 %.

  • Anzahl der "Packungsjahre": Eine Steigerung um 60 Zigaretten-Packungsjahre geht mit einem um 51 % erhöhten Krebsrisiko einher.

  • Alter zu Beginn des Rauchens: Für einen um 10 Jahre verspäteten Rauchbeginn wurde ein 4 % vermindertes Risiko berechnet.


Insgesamt werden 8 bis 20 % aller kolorektalen Krebsfälle auf das Rauchen zurückgeführt [25; 39; 47; 52; 79; 85].


Wirkmechanismus: Tabakrauch enthält eine Vielzahl kanzerogener Verbindungen, darunter u. a. heterocyclische Amine, Nitrosamine und Aromaten. Diese können die Mukosa des Dick- und Enddarms indirekt über den Blutkreislauf erreichen (Lit. bei [23]).

Krebserkrankungen des Kolons und Rektums – Lebensmittel


Obst und Gemüse

Epidemiologie: Auf Basis zahlreicher ökologischer Untersuchungen und Fall-Kontroll-Studien wurde der krebsprotektive Effekt eines hohen Obst- und Gemüseverzehrs lange Zeit als überzeugend angesehen [14]. Die Ergebnisse groß angelegter prospektiver Kohortenstudien [36; 73; 96; 109 – 110], eine Metaanalyse [90] sowie die im Rahmen des Pooling-Projekts durchgeführte Auswertung von 14 Studien mit über 750.000 Studienteilnehmern [62] haben allerdings zu einer Relativierung dieser Einschätzung geführt.


Hinsichtlich des kolorektalen Karzinoms scheint ein hoher Obst- und Gemüseverzehr nur mit einem vergleichsweise geringen protektiven Effekt verbunden zu sein, wie auch die Ergebnisse einer Metaanalyse aus dem Jahr 2011 nahelegen. In die Auswertung einbezogen wurden 19 Kohortenstudien. Als Kernergebnisse ergaben sich folgende Befunde [8]:

  • Personen mit der höchsten Zufuhr an Obst und Gemüse hatten ein nur gering vermindertes kolorektales Erkrankungsrisiko, verglichen mit Personen, die nur sehr selten zu diesen Lebensmitteln griffen (Obst und Gemüse zusammen: 8 % vermindertes Risiko; Obst alleine: 10 % vermindertes Risiko; Gemüse allein 9 % vermindertes Risiko.

  • Dosis-Wirkungsanalysen ergaben nur für den Gemüsekonsum eine lineare und signifikante Risikoreduktion: Pro Anstieg des Gemüsekonsums um 100 g/Tag wurde ein 2 % vermindertes Erkrankungsrisiko errechnet.

  • Sowohl der Obst- als auch der Gemüseverzehr steht mit einer nicht-linearen Abnahme des kolorektalen Risikos in Beziehung. Insbesondere Personen mit sehr geringem Obst- und Gemüseverzehr (< 100 g/Tag) können von einer Verzehrssteigerung profitieren.


In Übereinstimmung mit der International Agency for Research in Cancer (IARC) [53] und einer darauf basierenden Einschätzung [17], wurde die Evidenz für einen risikosenkenden Effekt eines hohen Obstverzehrs in der Vergangenheit als möglich und für Gemüse als wahrscheinlich bewertet [57; 104; 114]. Im Rahmen des Continuous Update Project aus dem Jahr 2010 bewertet der WCRF die Evidenz für Obst und Gemüse als begrenzt [115]; die DGE bewertet die wissenschaftlichen Belege für einen Schutzeffekt als wahrscheinlich [15; 18]. Insgesamt scheint Obst und Gemüse als unerhitzte Frischkost ein größeres antikanzerogenes Potenzial zu besitzen als in wärmebehandelter Form [68].


Wirkmechanismus: Im Gegensatz zu den ernüchternden Befunden der Epidemiologie existieren vielfältige biochemische und physiologische Befunde, die tumorprotektive Effekte des Obst- und Gemüsekonsums nahelegen [8; 103]:

  • Obst und Gemüse sind gute Lieferanten für antioxidative Vitamine (C, E, Provitamin A), die hemmend auf die Initiation und Promotion von Tumorzellen wirken.

  • Obst und Gemüse enthalten reichlich lösliche Ballaststoffe und Folsäure, die ebenfalls die Kanzerogenese unterdrücken können (siehe Teil 2 dieses Beitrags).

  • Eine gemüse- und obstreiche Ernährung stellt hohe Mengen an sekundären Pflanzenstoffen (SPS) zur Verfügung, die über verschiedene Mechanismen die Tumorentstehung hemmen (eine Tabelle zu den diskutierten Mechanismen von sekundären Pflanzenstoffen in der Tumorprävention finden Sie hier).


Getreideprodukte

Epidemiologie: Im Hinblick auf das Risiko verschiedener epithelialer Tumoren, darunter auch solche des Kolons und Rektums, zeigt eine Metaanalyse von 40 Fall-Kontroll-Studien einen protektiven Effekt eines hohen Vollkornverzehrs [54]. Ein ähnliches Ergebnis ergab die Auswertung der von 1983 bis 1996 in Norditalien durchgeführten Fall-Kontroll-Studie [26]. Dagegen zeigen die aussagekräftigeren Kohortenstudien keine Risikobeziehung zwischen dem Verzehr von Reis, Nudeln und Getreide aus Mehl mit niedrigem Ausmahlungsgrad und dem Erkrankungsrisiko. Auch die Aufnahme von Frühstücksgetreideprodukten weist keine Risikobeziehung auf [81; 114]. Wenngleich bislang keine spezifische Evidenzbewertung für Vollkornprodukte vorliegt, wird die Evidenz für einen risikosenkenden Effekt für Ballaststoffe aus Getreideprodukten als wahrscheinlich gewertet [16].


Wirkmechanismus: Vollkornprodukte enthalten im Hinblick auf das kolorektale Karzinom eine Reihe potenziell protektiver Substanzen, u. a. Ballaststoffe, Folsäure, Phytat und Lignane [101]. Interessant und im Allgemeinen wenig bekannt ist die Tatsache, dass die antioxidative Kapazität von Vollkornprodukten im Durchschnitt größer ist als die von Früchten und Gemüsen [74]. Auch dieser Umstand legt einen antikanzerogenen Effekt des Vollkornverzehrs nahe.


Milch und Milchprodukte

Epidemiologie. Die epidemiologischen Befunde zum Einfluss des Verzehrs von Milch und Milchprodukten auf die Entstehung kolorektaler Tumoren sind nicht einheitlich. Während einige Kohortenstudien auf einen Schutzeffekt hinweisen, konnte dies in anderen Studien nicht bestätigt werden (Literatur bei [7]). Zur Klärung der Datenlage wurden daher mehrere Metaanalysen [7; 50; 82] und eine gepoolte Auswertung [28] durchgeführt. Die jüngste und differenzierteste Metaanalyse schloss 19 Kohortenstudien ein. Es wurden folgende Ergebnisse ermittelt [7]:

  • Gesamtheit aller Milchprodukte: Personen die am meisten Milchprodukte konsumierten, hatten ein um 19 % vermindertes kolorektales Erkrankungsrisiko, verglichen mit Personen mit dem geringsten Konsum. Pro Anstieg des Verzehrs um 400 g/Tag wurde ein um 17 % vermindertes Risiko errechnet. Wie die Dosis-Wirkungsanalyse zeigt, steht der Konsum von Milchprodukten mit einer nicht-linearen Absenkung des Erkrankungsrisikos in Zusammenhang.

  • Milchkonsum: Die isolierte Betrachtung des Milchverzehrs war mit einem um 17 % verminderten Erkrankungsrisiko verbunden (Vergleich der höchsten mit der geringsten Verzehrsgruppe). Für eine Mehrzufuhr von 200 g/Tag ergab sich ein um 10 % reduziertes Risiko. Bei Betrachtung der Dosis-Wirkungsbeziehung fällt auf, dass der stärkste protektive Effekt (Risikoreduktion um 20 – 30 %) bei einer Zufuhr von 500 bis 800 g/Tag zu beobachten ist.

  • Käseverzehr: Die Höhe des Käsekonsums war mit einer nichtsignifikanten Risikoabsenkung um 6 % verbunden. Für eine Steigerung der Aufnahme um 50 g/Tag ergab sich ein 4 % vermindertes Risiko. Auch dieser Effekt war statistisch nicht signifikant.

  • Sonstige Milchprodukte: Der Verzehr aller anderen Milchprodukte wie Joghurt, Cottage Cheese oder Butter hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Entstehung kolorektaler Krebsformen.


Insgesamt wird die Evidenz für einen krebsschützenden Effekt des Milchkonsums seitens des WCRF als wahrscheinlich eingestuft [115]. Konsistent hierzu beurteilt eine deutsche Expertenbewertung die risikosenkende Wirkung des Milch- und Milchprodukteverzehrs ebenfalls als wahrscheinlich [18].


Wirkmechanismus: Es existiert eine Reihe von Mechanismen, die den protektiven Effekt von Milch und Milchprodukten plausibel erscheinen lassen [7; 82]:

  • Milch und Milchprodukte liefern reichlich Calcium. Calciumionen assoziieren im Darmlumen mit sekundären Gallensäuren und wirken so antiproliferativ auf das Mukosaepithel. Diese Wirkung konnte auch in klinischen Studien bestätigt werden [1; 48 – 49; 56; 92].

  • Milch und Milchprodukte enthalten spezielle Fettbestandteile (Conjugierte Linolsäure, CLA und Butyrat) sowie Lactoferrin und Milchsäurebakterien, die sich in experimentellen Untersuchungen ebenfalls als protektiv erwiesen haben.


Fleisch und Fleischwaren

Epidemiologie: Korrelationsstudien sowie tierexperimentelle Untersuchungen nährten früh den Verdacht, dass ein hoher Fleischverzehr das Risiko für maligne Erkrankungen des Kolons und Rektums steigert. Allerdings gilt es bei der gesundheitlichen Bewertung zwischen rotem Fleisch (Rind, Schwein, Schaf) und verarbeiteten Fleischwaren einerseits und weißem Fleisch (Fisch, Geflügel) andererseits zu differenzieren [18]. Während vom Konsum weißen Fleisches kein risikosteigernder Effekt ausgeht – Fischverzehr senkt möglicherweise sogar das Erkrankungsrisiko [83; 115] – wird dem Konsum von rotem Fleisch bzw. verarbeiteten Fleischwaren ein prokanzerogenes Potenzial zugesprochen [11; 24; 29; 63; 84; 114 – 115]. Biostatistischen Berechnungen zufolge sollen 15 bis 20 % aller kolorektalen Krebserkrankungen auf diese beiden Ernährungsfaktoren zurückzuführen sein [85; 116;]. Mit einem Anteil von 10 % ist der Effekt verarbeiteter Fleischwaren stärker ausgeprägt als der roten Fleisches (etwa 5 % des Gesamtrisikos) [116].

In mehreren Metaanalysen, die im Zeitraum zwischen 2001 und 2011 publiziert wurden, war der Verzehr von verarbeiteten Fleischwaren deutlicher mit dem Risiko für kolorektale Karzinome assoziiert als die Aufnahme naturbelassenen Fleisches (siehe Tab. 1). So ist das prokanzerogene Potenzial von verarbeiteten Fleischwaren zwei- bis zehnfach stärker ausgeprägt als das frischen Fleisches [29].


Die jüngste und umfassendste Metaanalyse zum Einfluss des Fleischverzehrs auf das Erkrankungsrisiko wurde 2011 von einer Arbeitsgruppe um die Krebsepidemiologin Teresa Norat vom Institut für Epidemiologie und Biostatistik am Imperial College London veröffentlicht. Einbezogen in die Auswertung wurden 28 Kohortenstudien. Die Kernergebnisse der Analyse lauten [24]:

  • Rotes Fleisch und Fleischwaren: Bei der Betrachtung des Gesamtkonsums von Fleisch und Fleischwaren hatten Personen mit der höchsten Zufuhr ein um 22 % gesteigertes kolorektales Erkrankungsrisiko; für Dickdarmkarzinome errechnete sich ein um 19 % und für Rektumkarzinome ein um 51 % erhöhtes Risiko. Pro Steigerung des Konsums um 100 g ergab sich eine 14 % erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Wie die Dosis-Wirkungsanalyse zeigt, steigt das Risiko bei einer Zufuhr von bis zu etwa 140 g/Tag nahezu linear an.

  • Rotes Fleisch: Bei isolierter Analyse des Faktors "Verzehr von naturbelassenem, gegartem Fleisch" war das Risiko, an Dickdarm- und/oder Mastdarmkrebs zu erkranken bei Personen mit dem höchsten Verzehr zwischen 10 und 18 % höher als bei Personen mit der geringsten Aufnahme. Wie die Konfidenzintervalle zeigen, waren die Effekte beim Rektumkarzinom jedoch nicht signifikant. Für eine Verzehrssteigerung von 100 g täglich errechnete sich ein 17 % gesteigertes Risiko für kolorektale Tumoren und Dickdarmkrebs. In Bezug zum Rektumkarzinom konnte keine signifikante Dosis-Wirkungsbeziehung gefunden werden.

  • Verarbeitete Fleischwaren: Beim Vergleich der höchsten mit der niedrigsten Zufuhr ergaben sich folgende Befunde: Für kolorektale Karzinome ein Anstieg der Erkrankungswahrscheinlichkeit um 17 % und für Dickdarm- und Mastdarmkrebs um jeweils 19 %. Für eine Verzehrssteigerung um 50 g ergab sich ein um 18 % gesteigertes kolorektales Karzinomrisiko. In Bezug auf den Dickdarm war der Effekt noch deutlicher ausgeprägt, während für das Rektumkarzinom kein signifikanter Dosis-Wirkungs-Effekt gefunden werden konnte.


Die Risikoerhöhung scheint vor allem für Fleisch und Fleischwaren zuzutreffen, die bei der Zubereitung über einen längeren Zeitraum hohen Temperaturen ausgesetzt wurden [21; 42; 61; 78; 99]. Interessant ist ferner, dass ein hoher Fleischkonsum das Krebsrisiko offenbar nur dann steigert, wenn die Nahrung nur geringe Mengen ballaststoffreicher Lebensmittel enthält (siehe Abb. 3) [83]. Insgesamt wird die Evidenz für einen risikoerhöhenden Effekt von rotem Fleisch und von Fleischwaren in Bezug auf das kolorektale Karzinom als wahrscheinlich eingestuft [18]. Im aktuellen WCRF-Update wird die Evidenz sogar als überzeugend gewertet [115].


Abb. 3: Einfluss des Konsums von rotem Fleisch und Fleischwaren auf das Risiko kolorektaler Tumoren – Effekte in Abhängigkeit von der Ballaststoffzufuhr [83]. Dargestellt sind die Befunde einer Multivarianzanalyse der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition Cohort) mit mehr als 470.000 Studienteilnehmern aus 10 europäischen Ländern. Bei der statistischen Auswertung wurden mögliche Einflussgrößen, die das Ergebnis verfälschen könnten, berücksichtigt (Adjustierung um Alter, Geschlecht, Energieaufnahme, Körpergewicht, körperliche Aktivität, Rauchgewohnheiten, Alkoholkonsum). Für rotes Fleisch und verarbeite Fleischwaren gilt: niedrige Zufuhr <30 g/Tag für Männer und <13 g/Tag für Frauen; mittlere Zufuhr: 30-129 g/Tag für Männer und 13-85 g/Tag für Frauen; hohe Zufuhr: >129 g/Tag für Männer und >85 g/Tag für Frauen). Für Ballaststoffe gilt entsprechend: niedrige Zufuhr <17 g/Tag für Frauen und Männer; mittlere Zufuhr 17-28 g/Tag für Männer und 17-26 g/Tag für Frauen; hohe Zufuhr: >28 g/Tag für Männer und >26 g/Tag für Frauen. Das Zeichen "*" symbolisiert einen signifikanten Effekt (P < 0,5; Referenzgruppe: niedrige Aufnahme von Fleisch und Fleischwaren.

Wirkmechanismus: Es existieren verschiedene Hypothesen, die den epidemiologischen Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Krebsrisiko biologisch plausibel erklären sollen [11; 29; 94]:

  • Heterocylische Amine (HA) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Diese organischen Substanzen entstehen bei der (Hoch)Erhitzung von Fleisch, insbesondere beim Grillen. HA und PAK gelten als genotoxisch und kanzerogen, da sie die Struktur der DNA verändern (Epoxidbildung) [105]. Allerdings sprechen zwei Befunde gegen den tumorfördernden Effekt von HA und PAK beim Menschen. Zum einen liegt die Konzentration von HA in erhitztem rotem Fleisch etwa 10.000-fach unter dem Wert, der in tierexperimentellen Studien als kanzerogen identifiziert worden war [29]. Zum anderen bilden sich bei der thermischen Zubereitung von Geflügelfleisch ähnlich hohe oder sogar höhere HA-Konzentrationen wie bei der Erhitzung von Rindfleisch. Dennoch geht vom Verzehr von Geflügel kein gesteigertes Krebsrisiko aus [29]. Einschränkend ist anzumerken, dass die einzelnen HA-Vertreter ein unterschiedliches genotoxisches Potenzial besitzen und ihre Wirkung nicht nur vom Stoffwechseltyp des Konsumenten (Stichwort: "biochemische Individualität") sondern auch von der Zusammensetzung der Mikroflora beeinflusst wird [29].

  • Gesättigte Fettsäuren: Wenn (rotes) Fleisch als Risikofaktor in der Karzinogenese genannt wird, beruht dies möglicherweise auf seiner Rolle als Träger von gesättigten Fettsäuren und Cholesterol. So sollen freie gesättigte Fettsäuren direkt am Kolonepithel zytotoxisch wirken und indirekt über die Bildung von freien Gallensäuren die Darmkrebsentstehung fördern. Gegen diese Hypothese spricht jedoch der metaanalytische Befund, wonach die Aufnahme von tierischen Fetten beim Menschen das Dickdarmkrebsrisiko nicht erhöht [3].

  • Tierisches Protein: Fleisch und Fleischwaren enthalten hohe Proteinmengen. Der Teil des im Dünndarm nicht absorbierten Proteins gelangt in tiefere Darmabschnitte und wird dort von der Mikroflora fermentativ abgebaut. Hierbei entstehen eine Reihe zytotoxischer Metaboliten, u. a. Phenole, Amine und Schwefelwasserstoff (H2S). Ob dieser Mechanismus für den kanzerogenen Effekt eines hohen Fleischverzehrs verantwortlich zu machen ist, scheint jedoch fraglich. Dagegen spricht, dass der Verzehr von Fisch, Geflügel und Milchprodukten – also Lebensmittel, die ebenfalls reich an Protein sind – das Dickdarmkrebsrisiko nicht erhöhen, sondern eher senken [7; 83].

  • Nahrungseisen: Fleisch und Fleischwaren sind reichhaltige Quellen für Eisen. Freie Eisenionen gelten als potenziell zytotoxisch, da sie die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) katalysieren können. Allerdings sind die diesbezüglichen tierexperimentellen Befunde uneinheitlich [29]. Zudem ist Eisen in Fleisch vorwiegend in proteingebundener (Häm-Eisen) und nicht in freier Form enthalten.

  • Häm-Eisen und N-Nitrosoverbindungen: Aus heutiger Sicht liefert die "Häm-Hypothese" die am besten belegte Erklärung für den kanzerogenen Effekt von rotem Fleisch und Fleischwaren [11; 29; 95]. Nach dem "Häm-Modell" katalysiert Hämeisen, wie es in rotem Fleisch in hoher Konzentration zu finden ist bzw. nitrosyliertes Häm (enthalten in gepökelten Fleischwaren) die Bildung von N-Nitrosoverbindungen und Fett-Oxidationsprodukten. Diese schädigen die DNA und wirken so kanzerogen. Der Zusatz von tumorprotektiven Verbindungen (Vitamine C und E, Calcium und Polyphenole) kann die Katalysekaskade zu einem frühen Zeitpunkt unterbrechen. Konsistent zur "Häm-Hypothese" war in einer aktuellen Metaanalyse von sieben Kohortenstudien mit über 560.000 Teilnehmern und 4734 Fällen von Dickdarmkrebs das Risiko bei Personen mit der höchsten Häm-Aufnahme um 18 % gesteigert, verglichen mit Personen, die nur wenig Häm zuführten [11].


Insgesamt sprechen die epidemiologischen und experimentellen Daten dafür, beim Wurst- und Fleischverzehr Vernunft und ein rechtes Maß walten zu lassen. Personen, die bislang viel bzw. vorwiegend Fleischwaren und rotes Fleisch konsumiert haben, wird empfohlen, stattdessen öfter Geflügel und Fisch auf den Speiseplan zu setzen. Nach den Ergebnissen einer Humanstudie geht von Fisch kein genotoxisches Potenzial aus [89]. Wird rotes Fleisch konsumiert, sollte es schonend zubereitet (Hocherhitzung auf offener Flamme vermeiden) und mit reichlich Gemüse verzehrt werden. Motto: "Enjoy your meat but have your veggies with it" [40]. Dass ein gänzlicher Verzicht auf Fleisch nicht unbedingt das Risiko für kolorektale Tumoren reduziert, zeigen Untersuchungen an vegetarisch lebenden Personen. Obwohl diese über viele Jahre auf den Verzehr von rotem Fleisch und Fleischwaren verzichten, ist ihr Risiko, an Dick- und Mastdarmkrebs zu erkranken, nicht vermindert. Über die Ursache dieses überraschenden Befunds kann bislang nur spekuliert werden [118; 119].


Alkoholische Getränke

Epidemiologie: Der Konsum alkoholischer Getränke steht in kausalem Zusammenhang mit der Entstehung von kolorektalen Tumoren [9; 97]. Etwa 7 bis 12 % aller Krebserkrankungen des Dick- und Enddarms werden auf den Genuss von Alkoholika zurückgeführt [85; 116]. Wie die epidemiologische Studienlage zeigt, besteht ein – wenn auch nicht immer deutlicher – Zusammenhang zwischen chronischem Alkoholkonsum und dem Risiko kolorektaler Tumoren. In einer älteren Metaanalyse von fünf Kohortenstudien war das Krebserkrankungsrisiko bei Personen, die zwei alkoholhaltige Getränke/Tag konsumiert haben um 32 % erhöht, verglichen mit abstinent lebenden Personen. Dagegen zeigte dieselbe metaanalytische Auswertung bei den 22 eingeschlossenen Fall-Kontroll-Studien einen nur schwachen, nichtsignifikanten Risikoanstieg um 7 % [69]. Im Hinblick auf kolorektale Tumorerkrankungen scheint ein moderater Alkoholkonsum das Erkrankungsrisiko nur schwach zu beeinflussen, während hohe Mengen mit einem deutlich risikosteigernden Effekt assoziiert sind.


Einer Metaanalyse der bis zum Jahr 2000 publizierten Beobachtungsstudien zufolge ist die Aufnahme von 25 g Alkohol/Tag mit einer Risikozunahme um 8 % verbunden. Dagegen steigern Mengen von 100 g/Tag das Risiko um 38 % verglichen mit Personen, die keinen Alkohol konsumieren [10]. Eine ähnliche Dosis-Wirkungs-Beziehung wurde auch bei der gepoolten Auswertung von acht nordamerikanischen und europäischen Kohortenstudien mit etwa 490.000 Teilnehmern beschrieben. Hier war das Erkrankungsrisiko bei einem Konsum von 15 bis < 30 g Alkohol/Tag nicht, und bei einer Aufnahme von 30 bis 45 g/Tag nur schwach um 16 % erhöht. Lediglich Personen, die mehr als 45 g Alkohol/Tag konsumiert hatten, wiesen ein um 41 % erhöhtes kolorektales Risiko auf, verglichen mit abstinent lebenden Personen. Dabei scheint der Effekt unabhängig davon zu sein, ob der Alkohol über Wein oder Bier zugeführt wird [27].


Auch eine gepoolte Auswertung von fünf japanischen Kohortenstudien [75] und zwei jüngere Metaanalysen kamen zu ähnlichen Ergebnissen [52; 77]. In der bislang jüngsten und detailliertesten Auswertung von 21 Kohorten- und 34 Fall-Kontroll-Studien wurde bei moderatem Alkoholkonsum (12,6 – 49,9 g Alkohol/Tag) ein um 21 % erhöhtes Erkrankungsrisiko errechnet; starker Alkoholkonsum (≥ 50 g/Tag) war dagegen mit einem 52 % höheren Risiko verbunden. Geringer Alkoholkonsum (≤ 12,5 g/Tag) zeigte indes keine negativen Effekte [34]. Generell gilt: Steigt die Alkoholaufnahme um 10 g/Tag, so resultiert hieraus ein 7 % erhöhtes Erkrankungsrisiko. Bei Männern ist der Effekt stärker ausgeprägt als bei Frauen [34].


Insgesamt wird die Evidenz für einen risikoerhöhenden Effekt des Alkoholkonsums bei Karzinomen des Kolons und Rektums als überzeugend (Männer) bzw. wahrscheinlich (Frauen) gewertet [115]. Die deutsche Expertenbewertung stuft die Evidenz für beide Geschlechter als überzeugend ein [18].


Wirkmechanismus: Es existiert eine Reihe von Mechanismen, über die Alkohol die Tumorbildung initiieren und forcieren kann (siehe Abb. 4):

  • Aktivierung mikrosomaler Enzymsysteme, die die Umwandlung von Prokanzerogenen in aktive, karzinogen wirksame Verbindungen fördern.

  • Direkte karzinogene Wirkung des beim Alkoholabbau entstandenen Acetaldehyds.

  • Gesteigerte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies, die im Zuge der Alkoholoxidation entstehen und potenziell mutagen wirken.

  • Störung des Folsäure- und C-1-Stoffwechsels der Zelle, was eine Hypomethylierung der DNA zur Folge hat.

  • Daneben sind alkoholbedingte Schäden der Schleimhäute und des Immunsystems sowie alkoholassoziierte Mangel- und Fehlernährung mutmaßliche Faktoren, die das erhöhte Krebsrisiko erklären könnten.


Abb. 4: Prokanzerogene Mechanismen von Alkohol [98]. (1) Alkohol induziert das Cytochrom-P452E1-System (CYP2E1), das prokarzionogene Substanzen in Karzinogene überführt (2). Der Abbau von Alkohol mittels CYP2E1 setzt reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies (ROS und RNS) frei (4), die die DNA schädigen. Auch kann Alkohol als Träger von Karzinogenen fungieren und diesen den Eintritt in gesunde Zellen erleichtern (4). Der beim Abbau über die Alkoholdehydrogenase (ADH) freigesetzte Acetaldehyd ist karzinogen und bindet an die DNA (6). Zusammen mit Alkohol (7) hemm Acetaldehyd Methylierungsreaktionen. Folge: DNA-Hypomethylierung im Zuge der Tumor-Promotion. Weiterhin entstehen durch das CYP2E1-System toxische Metabolite, die mit einer Hyperproliferation des Gewebes in Zusammenhang stehen (8). Auch wirkt Alkohol immunsuppressiv, wodurch die Metastasierung gefördert wird (9).

Zwischenfazit und Ausblick

Wenngleich unbestritten ist, dass genetische Faktoren an der Entstehung von Dick- und Mastdarmkrebs beteiligt sind, kommt Lebensstilfaktoren eine quantitativ wichtige Bedeutung zu. Etwa 55 % der kolorektalen Tumoren, so die biostatistische Schätzung, ist hierauf zurückzuführen [85; 88]. Allein körperliche Inaktivität, stammbetonte Adipositas, hoher Verzehr von rotem Fleisch und verarbeiteten Fleischwaren sowie Alkohol- und Nicotinabusus werden für 31 bis 36 % der Krebsfälle verantwortlich gemacht [85; 116]. Die genannten Faktoren erhöhen mit überzeugender Evidenz das Risiko, an Dick- und Mastdarmkrebs zu erkranken. Demgegenüber stehen potenzielle Schutzfaktoren wie ein hoher Obst- und Gemüseverzehr sowie der Konsum von Milch und Milchprodukten. Allerdings ist die Evidenz für deren protektiven Charakter vergleichsweise gering. Tabelle 2 fasst die Wirkungen der im Text besprochenen und einiger weiteren Lebensstilfaktoren zusammen.

In Teil 2 dieses Beitrags wird diskutiert, welche Nahrungsfaktoren (Mikro- und Makronährstoffe) in welchem Umfang zur Prävention kolorektaler Tumoren beitragen können.


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Korrespondenzautor
Dr. Alexander Ströhle
Leibniz Universität Hannover
Institut für Lebensmittelwissenschaft
und Humanernährung
Am Kleinen Felde 30
30167 Hannover
E-Mail stroehle@nutrition.uni-hannover.de




DAZ 2012, Nr. 39, S. 80

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