Gesundheitspolitik

Subsidiarität hat Grenzen

Dr. Benjamin Wessinger

Das Subsidiaritätsprinzip ist trotz seines schwierigen Namens eigentlich eine einfache Sache: Ein Problem soll so weit wie möglich eigenverantwortlich und selbstbestimmt gelöst werden, vom Einzelnen, von der kleinstmöglichen Gruppe oder von der niedrigsten Organisationsebene.

Es ist ein sinnvolles Prinzip, denn die Probleme werden dort gelöst, wo sie entstehen.

Auch die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen folgt dem Subsidiaritätsprinzip. Fragen, die die Leistungserbringer oder die GKV selber regeln können, regeln sie in eigener Verantwortung. Ein Beispiel sind die Nacht- und Notdienste, die von den Apothekerkammern geregelt werden und nicht von den Landesministerien. Das begrenzt die Bürokratie und stellt sicher, dass auch die Interessen der Apotheker berücksichtigt werden.

Die Selbstverwaltung kommt aber an ihre Grenzen, wenn sich einzelne Beteiligte entziehen oder eine überlegene Position ausnutzen. Und dieser Eindruck konnte bei einzelnen Beteiligten in letzter Zeit durchaus entstehen.

Die Selbstverwaltung kommt aber auch an ihre Grenzen, wenn sie Probleme lösen soll, die keine politischen oder Verwaltungsfragen sind. Wie zum Beispiel die Frage, welche Wirkstoffe oder Darreichungsformen oder Arzneimittel nicht für eine Substitution geeignet sind. Das ist keine Frage, die man in Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Apothekern aushandeln kann wie den Kassenabschlag. Das ist eine Frage, die der Apotheker kraft seines pharmazeutischen und pharmakologischen Wissens entscheiden kann und muss. Natürlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und auch des Wirtschaftlichkeitsgebots.

Wenn es Hinweise darauf geben sollte, dass die Apotheker exzessiv die Substitution verweigern und die pharmazeutischen Bedenken als Vorwand nutzen – dann kann die Selbstverwaltung eingreifen und man kann sich gemeinsam (!) auf Maßnahmen einigen. Aber bisher beschweren sich die Kassen gar nicht darüber, dass zu oft nicht ausgetauscht werde. Im Gegenteil, wie man hört hatten die gesetzlichen Kassen vor Einführung der Rabattverträge mit deutlich höheren Zahlen gerechnet.

Die Ärzte wehren sich vehement, wenn sie ihre Therapiefreiheit in Gefahr sehen – genauso vehement sollten wir Apotheker uns wehren, wenn uns mit Listen vorgeschrieben werden soll, wann wir pharmazeutische Bedenken haben dürfen.


Benjamin Wessinger

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