Wirtschaft

Kooperationen – auch für Apotheken eine strategische Option?

Teil II: Von Marken und Zentralen

Drei Viertel der deutschen Apotheken sind Mitglied einer Kooperation, nicht wenige sogar in mehr als einer. Nachdem Teil I dieses Artikels (AZ Nr. 7) einige grundsätzliche Begriffe geklärt und das Für und Wider von Apothekenkooperationen beleuchtet hat, widmet sich der zweite Teil dem Sinn einer gemeinsamen Kooperationsmarke und den Erwartungen, die Apotheker an Kooperationen haben.


Teil I des Beitrags finden Sie in der Apotheker Zeitung Nr. 7 vom 11. Februar 2013, S. 6


Noch einmal zurück zu den Anfängen der Kooperationen. Die historischen Wurzeln der Verbundgruppen sind Einkaufsgemeinschaften, oft als Genossenschaft organisiert. In der Folgezeit haben sie sich über Dienstleistungsverbünde und Marketingverbünde hin zu Systemverbünden entwickelt. Mit dem Systemverbund ist der einheitliche Marktauftritt mit einer Kooperationsmarke in den Vordergrund gerückt. Die Verbraucher sollen die Kooperationsmarke, wie z. B. Rewe, Edeka, Euronics, hagebau und Vedes, als das Zeichen eines leistungsstarken Anbieters wahrnehmen, der es im Wettbewerb mit den Filialsystemen aufnehmen kann.

Dass dies mittlerweile gelungen ist, belegen viele Beispiele. So sind Edeka und Rewe die Nr. 1 und die Nr. 2 im deutschen Lebensmittelhandel. Die Verbundgruppe Euronics ist nach Media Markt, Saturn die Nr. 2 im Markt für Unterhaltungselektronik; gemeinsam mit den Verbundgruppen Expert, Electronic Partner und Telering liegen sie mit den Filialisten Media Markt und Saturn gleichauf.

Die erfolgreiche Markenführung einer Verbundgruppe kann durch drei Elemente getragen werden: die Kooperationsmarke, den Marktauftritt der Mitgliedsbetriebe sowie Eigenmarken. Während die beiden ersten Elemente zwingend sind, gilt dies nicht für Eigenmarken. Hier will in der Systemzentrale wohl überlegt sein, ob sich die Führung eigener Marken rentiert.

Welche Vorteile eine Kooperationsmarke bringt

Viele Apothekerinnen und Apotheker stehen vor der Entscheidung, wie sie ihre Markenpolitik gestalten sollen. Wollen sie gänzlich auf die Verwendung der Kooperationsmarke verzichten und allein ihre Individualmarken nutzen? Sind sie umgekehrt bereit, ausschließlich die Kooperationsmarke zu verwenden und auf andere Marken zu verzichten, wie es beispielsweise die easyApotheke von ihren Kooperationsapotheken fordert? Oder halten sie die gemeinsame Verwendung von Kooperationsmarke, Individualmarke, wie z. B. Hirsch-Apotheke, und Apotheken-A für sinnvoll?

Die Marke einer Apothekenkooperation ist in ein umfangreicheres Netz von Beziehungen eingebunden als die Individualmarke der Apotheke oder das rote Apotheken-A. Dies liegt daran, dass die Kooperationsmarke ihre Wirkungen nicht nur gegenüber den Endkunden entfaltet, sondern auch gegenüber den Apotheken und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Endkunden sollen lernen, dass die Apotheke Teil eines leistungsstarken Netzwerkes ist. Das verbessert die Orientierung, schafft Vertrauen und vermittelt den Kunden das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Gleichzeitig ist die Markenpositionierung die Basis, um sich innerhalb der Kooperation mit dem gemeinsamen Denken und Handeln zu identifizieren. Die externen und die internen Wirkungen der Kooperationsmarken sind voneinander abhängig. Wenn die internen Beziehungen der Apothekenkooperation konsequent auf die Umsetzung des Markenversprechens ausgerichtet sind, spiegelt sich das positiv in der Wahrnehmung der Kunden wider. Wenn die Kooperationsmarke bei den Kunden bekannt und positiv besetzt ist, stärkt das im Wettbewerb die Position der Teams in den Apotheken und in der Zentrale.

Die konsequente Verwendung der Kooperationsmarke ist die notwendige Bedingung für zwei Effekte: Erstens lassen sich bei allen Maßnahmen Synergieeffekte realisieren, das heißt Kosten sparen, wenn mehrere Apotheken unter einer einheitlichen Marke auftreten. Zweitens verhilft die weit gestreute Kommunikation der Kooperationsmarke dazu, dass sie an Bekanntheit und an Bedeutung bei den Endverbrauchern gewinnt. Erst mit großer räumlicher Verbreitung und hoher zeitlicher Intensität (Werbedruck) kann sich die Kooperationsmarke Gehör verschaffen und an Stärke zunehmen. Starke Kooperationsmarken sind dann in der Lage, den Wettbewerb zu führen. Hiervon profitiert jedes Mitglied der Kooperation. Wie der Erfolg von Kooperationsmarken in anderen Branchen zeigt, sind hierfür ein professionelles Markenmanagement, die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen sowie die Mitwirkung aller Beteiligten erforderlich.

Was den Endkunden vielleicht noch nicht deutlich genug gemacht wird: Eine Kooperation steht für die Entlastung der Apotheken bei den rückwärtigen Prozessen. Das gibt den Apothekerinnen und Apothekern und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Zeit für persönliche Gespräche mit den Kunden, dem Erfolgsfaktor Nummer 1 von Apotheken. Wenn die Kunden wissen, dass sie im Mittelpunkt stehen (und dort nicht stören, wie es oftmals boshaft heißt), dann sollten das Vertrauen in und die Bindung an die Apotheke steigen. Was heißt das für den Einsatz der Marken? Im Vordergrund steht die Individualmarke der Apotheke. Je besser sie in den Auftritt der Kooperationsmarke eingebettet ist, um so mehr profitieren die beiden Marken voneinander: Es ist die Verbindung von lokaler und überregionaler Kompetenz. Nicht vergessen bleiben das rote Apotheken-A und das Grüne Kreuz, das aus dem Ausland bekannt ist und daher auch in Deutschland genutzt wird. Sie zeigen dem Kunden den Ort der Apotheke, sagen aber nichts über die Leistungsfähigkeit der Apotheke aus, können also nicht im Wettbewerb differenzieren.

Wie Apotheker die Leistungen der Kooperationszentralen beurteilen

Um besser zu verstehen, was Apotheken veranlasst, einer Kooperation beizutreten oder ihr fernzubleiben, haben wir dies im Rahmen einer Abschlussarbeit in Essen untersuchen lassen. Apothekerinnen und Apotheker haben über verschiedene Leistungen gesprochen, die eine Systemzentrale anbieten kann. Die Themen waren Werbeaktionen, Sortimentsgestaltung, Kundenkarte, Markenaufbau, Kundenservice, Eigenmarken, Marktforschung, Website und Fortbildung. Hier einige Beispiele aus den Antworten. Zum Thema Werbeaktionen sagt die Apothekenleiterin einer Center-Apotheke über ihre Kooperation: "Ich nutze viele Dinge, von denen ich glaube, dass ich sie selber nicht richtig gut kann." Die Auswahl von Produkten für die Handzettel und deren Druck werden als spürbare Arbeitsentlastung empfunden. "Die Zentrale sagt, das sind die Angebote. Da sind immer Renner dabei und ich muss nicht nach Daten gucken, das kommt einfach und das ist eben das Schöne, dass ich einfach weiß: das funktioniert", so die Apothekenleiterin einer Vorstadt-Apotheke.

Aber die Apothekenleiter betonen auch ihre Selbstständigkeit: "Das ist mir persönlich eben wichtig. Dass ich nicht was vorgesetzt bekomme, sondern dass ich sagen kann: An meinem Platz, an meinem Standort gebe ich die Preise vor. Da bin ich absolut selbstständig." Zwei Anmerkungen hierzu: Erstens dürfen die Systemzentralen von Kooperationen – anders als in einem Filialsystem – den Apotheken ohnehin keine Preise vorgeben, allenfalls Preise empfehlen, die diese von ihren Kunden verlangen. Zweitens lassen sich Größeneffekte und damit Kostenvorteile nur dann realisieren, wenn sich möglichst viele Apotheken an gemeinsamen Aktionen beteiligen und sie für eine gute Umsetzungsqualität sorgen. Dies setzt gute Vorarbeiten in der Systemzentrale, aber auch in der Apotheke voraus, nämlich die PTA und die PKA rechtzeitig in die Prozesse einzubeziehen und ihnen das Ziel und die Maßnahmen zu verdeutlichen.

Ein weiteres Thema sind Kundenkarten und Kundenkarteien. Bei Mehrpartner-Kundenkarten (z. B. Payback) fühlen sich manche Kunden "genervt", wenn sie nach der Karte gefragt werden, und verunsichert, was mit ihren Daten passiert. Manche Apotheker wollen sich nicht an einem solchen Kartenprogramm beteiligen und sind bereit, ihren Kunden einen höheren Rabatt zu geben, weil sie dann nichts an Payback zahlen müssen. An einer von der Apotheke ausgegebenen Kundenkarte oder an der Kundenkartei einer Apotheke beurteilen die Kunden positiv, dass ihre gekauften Medikamente dokumentiert werden, was z. B. als Information bei Mehrfachmedikationen nützlich sein kann.

Beim Thema Kundenservice, gemeint sind hier vor allem Gesundheits-Checks wie die Messung von Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin und Knochendichte sowie Haut- und Haaranalysen, streichen einige Befragte, die noch keiner Kooperation angehören, heraus, dass es sinnvoll sei, wenn ihnen die Zentrale die Planung und teilweise die Durchführung bestimmter Maßnahmen abnehme und sie sich ganz auf das Tagesgeschäft konzentrieren könnten. Andere Apotheker meinen, dass sie dies auch ohne die Unterstützung einer Kooperation leisten könnten.

Die Marktforschung als Analyse von Abverkaufsdaten und des Verhaltens von Wettbewerbern und Kunden sehen die Apotheker als nützlich an. Wenn der Großhandel solche Dienstleistungen anbiete, sehen sie aber die Gefahr, dass die Ergebnisse verzerrt werden und dass der Großhandel die Ergebnisse zu Zwecken verwende, die nicht den Interessen der Apotheker entsprechen.

Ähnliche Zustimmung und Vorbehalte sind auch bei dem Thema Eigenmarken zu hören. Grundsätzlich sehen manche Apotheker in Eigenmarken einen Mehrnutzen und loben die Akzeptanz durch die Kunden. Die Entlastung äußert sich in Aussagen wie diesen: "Wenn die Qualität stimmt, machen wir das gerne mit. Wir müssen uns nicht abstrampeln und platzieren das einfach. Es ist für mich eigentlich auch ein Phänomen, wie schnell der Kunde bereit ist, von einem zum nächsten Produkt zu wechseln." Nicht Zweifel an der Produktqualität sind der Hauptgrund, Eigenmarken abzulehnen, sondern die Sorge, verstärkt vom Anbieter der Eigenmarken, sei es nun der Großhandel oder die Kooperationszentrale, abhängig zu sein und Eingriffe in die Verkaufsentscheidung befürchten zu müssen: "Nein, also ich möchte nicht, dass mir irgendjemand sagt, welches Medikament ich zu verkaufen habe, nur weil er gute Prozente kriegt." "Und so ist es auch bei den Eigenmarken der Kooperation. Die kriegt man aufs Auge gedrückt, man muss sich dafür einsetzen, was man eigentlich vielleicht gar nicht will."

Diese und die weiteren Antworten zu den übrigen Themen lassen ein Muster erkennen, wie es grundsätzlich in allen Verbundgruppen und nicht nur in Apothekenkooperationen zu erkennen ist: Man erkennt die Sinnhaftigkeit, durch gemeinsames Handeln Vorteile zu erzielen, und hat gleichzeitig die Sorge, Freiheiten aufgeben und sich dem Willen anderer, nämlich der Systemzentrale, unterwerfen zu müssen. Manche Apotheker bewerten ihre Unabhängigkeit so hoch, dass sie eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an die Zentrale selbst dann ablehnen, wenn dies monetäre Vorteile bietet. In solchen Fällen muss man klar sagen, dass die Mitgliedschaft in einer Kooperation sehr genau überlegt werden muss. Denn "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" geht auch hier nicht.

Fazit: Kooperationen sind eine strategische Option

Bei der Wahl der Kooperation müssen die Apotheken prüfen, welche Anreize eine Kooperation bietet und welche Beiträge von ihnen verlangt werden. Ein gutes Dienstleistungspaket entlastet sie bei den rückwärtigen Prozessen sowie bei dem überregionalen Auftritt der Apothekenkooperation und gibt ihnen mehr Freiraum für die Beziehung zu ihren Kunden vor Ort.

Die Beiträge bestehen nicht nur in der Bezahlung von Geldern, sondern ebenso in der aktiven Mitarbeit in Gremien und im lokalen sowie regionalen Umfeld. Verbundgruppen profitieren von einer starken Kooperationsmarke. Der Aufbau und die Entwicklung einer Kooperationsmarke kann aber nicht allein die Aufgabe der Systemzentrale sein, denn das funktioniert nicht. Vielmehr sind die Apothekerinnen und Apotheker selbst eine wesentliche Kraft, um die Kooperationsmarke zu stärken. Als Markenbotschafter setzen sie sich für die Kommunikation der Marke ein und sind Teil des Erfolges.


Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl Marketing und Handel



AZ 2013, Nr. 8, S. 4

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