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Aktionen und Reaktionen in Norddeutschland

KRÖPELIN (tmb). Die Versandapotheke DocMorris macht mit einer Tour ihres Apothekenbusses auf sich und ihr neues Konzept zur Versorgung ländlicher Regionen aufmerksam. Am 19. August besuchte der Bus Kröpelin, eine Kleinstadt in Mecklenburg mit knapp 5000 Einwohnern und einer Apotheke, etwa 20 Kilometer westlich von Rostock. Als der Bus dort am Montagmorgen gegen 11 Uhr eintraf, waren die Lieferfahrzeuge der örtlichen Apotheke und einer weiteren Apotheke aus der Region schon seit über einer Stunde platziert.
Torben Bonnke, Kommunikationschef bei DocMorris, vor dem Apothekenbus.

Mit den Lieferfahrzeugen direkt neben dem Apothekenbus haben die Apotheker vor Ort deutlich gemacht, dass sie schon jetzt für die Versorgung bereitstehen. Allerdings gab es in dem ruhigen Ort nur wenig Publikum. Die Ankunft des Apothekenbusses erwartete auch Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Gegenüber der DAZ erklärte er: „Wir wollen Präsenz zeigen, uns aber nicht provozieren lassen. Und wir wollen nicht, dass die Bevölkerung für dumm verkauft wird. Denn es gibt keine Versorgungslücke.“ Frank Rohde, Betreiber der Schwan-Apotheke, der einzigen Apotheke in Kröpelin, ergänzte: „Zehn Apotheken aus der Region versehen hier in der Gegend Botendienste. Das Feld ist gut bestellt.“ Christel Johanns, Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, verwies zudem auf die vielen Rezeptsammelstellen und erklärte weiter: „Wir kennen unsere Kunden und Patienten. Und wir brauchen keine Kooperation mit einem Anbieter, der wahrscheinlich Rosinenpickerei betreiben will.“

Fotos: DAZ/tmb
Lieferfahrzeuge von Apotheken neben dem Apothekenbus machen deutlich, dass die Apotheker vor Ort bereits vor DocMorris für die Versorgung bereitstehen.

Position von DocMorris

Torben Bonnke, Kommunikationschef bei DocMorris, erklärte gegenüber der DAZ in Kröpelin: „Der Bus ist eine pragmatische und schnelle Antwort auf Versorgungslücken.“ Der Bus solle besser sein als Rezeptsammelstellen. „Wir möchten zeigen, dass noch etwas Innovativeres möglich ist“, so Bonnke. Es gehe um Wettbewerb der Ideen. Dieser Wettbewerb sei regional und daher hänge die Versorgung von den Ideen der Apotheker vor Ort ab. Wenn dabei Lücken entstünden, könnten diese mit einem Bus geschlossen werden, natürlich nicht nur von DocMorris, sondern auch von den Apotheken vor Ort. Dabei räumte Bonnke ein, dass der Bus im echten Einsatz keine Orte wie Kröpelin anfahren würde, in denen eine Apotheke besteht. Zugleich machte Bonnke deutlich, dass die Versorgung auf dem Land teuer ist. Der umfangreiche Botendienst der Landapotheken verursache gegenüber Stadtapotheken zusätzlichen Aufwand, der nicht vergütet werde. Auf die Frage nach betriebswirtschaftlichen Eckdaten für die Rentabilität eines Apothekenbusses entgegnete Bonnke dann auch, diese hingen von der Vergütung ab. Eine Kalkulation, wie viele Patienten ein Bus versorgen müsse, gäbe es noch nicht.

Kröpelin hat bereits eine Apotheke Axel Pudimat und Frank Rohde vor der Schwan-Apotheke.

Linz: völlig unnötig

Nach Einschätzung von Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, ist ein Apothekenbus für die Arzneimittelversorgung „völlig unnötig“. „Es gibt keine Notwendigkeit für den Bus, und die Politik soll dafür sorgen, dass es so bleibt,“ sagte Linz gegenüber der DAZ. Die Apotheken seien zwar nach und nach ausgeblutet, doch die Politik steuere mit der Notdienstpauschale nun in die andere Richtung. Es sei eine Aufgabe für die Politik, dass die Apotheken erhalten bleiben, erklärte Linz. Die Präsentation des Apothekenbusses bezeichnete Linz als ein „durchsichtiges Manöver“ von DocMorris. Da andere Geschäftsfelder wegbrechen würden, versuche das Unternehmen diese durch ein neues Geschäftsmodell zu ersetzen, erklärte Linz und spielte damit auf das Verbot von Boni für rezeptpflichtige Arzneimittel auch im Versandgeschäft an.

Stationen in Schleswig-Holstein

In einer solchen Kabine sollen die Kunden über eine Videoverbindung im Apothekenbus beraten werden.

Ganz anders als in Kröpelin hat DocMorris als nächste Stationen des Busses zwei belebte Touristenorte in Schleswig-Holstein ausgewählt. Im Laufe dieser Woche – nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe – wird der Bus Maasholm an der Schleimündung und den bekannten Urlaubsort Timmendorfer Strand besuchen. Maasholm hat keinen Arzt und keine Apotheke. Die nächsten Apotheken liegen in der Kleinstadt Kappeln und im etwa 11 Kilometer entfernten Gelting. Dort betreibt Dr. Kai Christiansen die Birk-Apotheke. Christiansen, der auch stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein ist, machte gegenüber der DAZ deutlich: „Wir versorgen die Bürger von Maasholm seit Jahrzehnten."

Noch besser ist die Versorgungssituation in Timmendorfer Strand. Der Urlaubsort mit fast 9000 Einwohnern verfügt über eine umfangreiche Infrastruktur mit zwei Apotheken im Ortszentrum und einer weiteren Apotheke im Ortsteil Niendorf. Ortskundige Apotheker sehen die touristische Bedeutung als Hauptgrund für die Wahl der Standorte des Apothekenbusses. Viele Beobachter sagen, die Aktion ziele darauf, viele Menschen zu erreichen und auf DocMorris aufmerksam zu machen.

Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein sieht grundsätzlich keinen Bedarf für den Apothekenbus. Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski erklärte gegenüber der DAZ, es gäbe kein Problem mit der Arzneimittelversorgung im Land. „Die Arzneimittelversorgung hat keine weißen Flecken“, so Jaschkowski. 

Analyse

Wie soll der Bus funktionieren?

Der Apothekenbus, den DocMorris derzeit präsentiert, ist nur ein Prototyp, denn ein „echter“ Apothekenbus ist nach der geltenden Rechtslage nicht zulässig. Doch der Prototyp vermittelt durchaus Einblicke in das Konzept. Der Bus hat einen offenen Präsentationsraum mit Computerarbeitsplätzen, die an HV-Tische erinnern. Dahinter ist eine Sichtwahl aus Pappe angedeutet, die im „echten“ Bus mit Arzneimitteln bestückt werden könnte. Der kritische Betrachter kann sich fragen, wie dort eine Beratung bei Eis, Schnee und Kälte stattfinden soll, aber DocMorris-Kommunikationschef Torben Bonnke hielt dies im Gespräch mit der DAZ für lösbar.

Außerdem gibt es einen Lagerraum, der gekühlt werden kann. Bei der Präsentationstour sind neben dem Werbeteam ein Apotheker und eine PTA anwesend. Bonnke erklärte, im echten Einsatz würde auch ein Apotheker dabei sein, sofern dies dann rechtlich erforderlich sei. Doch zugleich verwies er auf die alternative Beratungsmöglichkeit. Denn der Bus verfügt auch über eine Beratungskabine, in der schon heute eine Videoverbindung zu einer beratenden Apothekerin in den Niederlanden hergestellt werden kann - sofern eine hinreichend gute Internetverbindung besteht. Die Bedeutung einer leistungsfähigen Datenverbindung für das Konzept erklärt auch die Partnerschaft mit der Deutschen Telekom, für die außen am Bus geworben wird.

Wie viele verschiedene Arzneimittel ein „echter“ Bus bereithalten könnte, hänge von der Gestaltung ab, erklärte Bonnke, machte aber deutlich, dass weder das Randsortiment noch Rabattvertragsartikel von vielen verschiedenen Herstellern an Bord sein könnten. Doch es gehe um die Akutversorgung mit Rx- und OTC-Arzneimitteln. Denn für die langfristige Versorgung könnten die Arzneimittel von der Versandapotheke oder von kooperierenden Apotheken aus der Umgebung geliefert werden. Diese Zielrichtung des Busses auf die Akutversorgung erstaunt bei kritischer Betrachtung, denn auch für DocMorris ist klar, dass der Bus an einem Ort nicht dauerhaft präsent sein kann, sondern vielleicht zwei Mal pro Woche. Bei der Auswahl habe Bonnke insbesondere Orte im Blick, in denen Zweigpraxen entstehen, die durch das Versorgungsstrukturgesetz zugelassen wurden. Wenn dort an zwei Tagen in der Woche ein Arzt für einige Stunden praktiziere, könne dann auch zeitweilig ein Apothekenbus bereitstehen, erläuterte Bonnke.

KURZ GEMELDET


Spahn: Keine Busse geplant

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn wehrt sich gegen den Vorwurf, die Union habe Apothekenbussen, wie sie DocMorris nun durch die Republik schicken will, den Weg bereitet. „Der Begriff der ‚Apothekenbusse‘ fand sich noch nie in Papieren der CDU und findet sich auch nicht im aktuellen Wahlprogramm der CDU/CSU“, erklärte er vergangene Woche. Mit den heutigen Möglichkeiten des Versandhandels, der Rezeptsammelstellen und der Bringdienste sei der rechtliche Rahmen „klar und ausreichend“. Spahn: „Weitere Änderungen oder gar ‚Busse‘ sind nicht geplant, egal, wie sehr manche diese Diskussion immer wieder anzuheizen versuchen.“

Tatsächlich ist im Wahlprogramm der Union nicht von „Apothekenbussen“ die Rede – wohl aber von „rollenden Apotheken“. Ausdrücklich erwähnt ist der Bus dagegen im aktuellen Wahlprogramm der CDU-Hessen – doch das lässt Spahn unerwähnt.



Baden-Württemberg: Alternativen unnötig

Trotz sinkender Apothekenzahlen betont man bei der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, dass die flächendeckende Versorgung nicht gefährdet sei. Mögen die Wege zur Apotheke für manche Menschen auch weiter werden – Abhilfe schaffen hier Rezeptsammelstellen. 120 gibt es in Baden-Württemberg bereits. Die Belieferung mit den benötigten Arzneimitteln erfolge in der Regel noch am selben Tag, betont LAK-Geschäftsführer Dr. Karsten Diers. Auch eine Beratung der Patienten durch Apothekenpersonal sei immer gewährleistet. Diers kann daraus nur einen Schluss ziehen: „Ein Bedarf an alternativen Versorgungsstrukturen existiert nicht!“



ABDA schweigt

Während der DocMorris-Bus letzte Woche seine erste Station im brandenburgischen Bad Freienwalde machte, tagten in Berlin die ABDA-Gremien. Ein Kommentar war aus dem Apothekerhaus nicht zu vernehmen. „Wir kommentieren keine Marketingmaßnahmen einzelner Unternehmen“, erklärte ein ABDA-Sprecher. Beim Apothekerverband Brandenburg sieht man das völlig anders: „Das ist keine reine Marketingmaßnahme eines einzelnen Unternehmens“, so Verbandssprecher Thomas Baumgart, „das ist eine strukturelle Frage.“ Die CDU habe die mobile Versorgung mit Arzneimitteln in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Bei den Ärzten entstünden ähnliche Modelle und es gebe bereits Pilotprojekte.

Olaf Behrendt, 2. Stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes erklärte, er habe den Eindruck, DocMorris wolle nun mit seinen „rollenden Rezeptsammelstellen“ übers Land fahren „um den bestehenden Apotheken vor Ort die finanzielle Basis abzugraben.“ Seien die bestehenden Versorgungsstrukturen erst einmal in Bedrängnis gebracht, habe DocMorris das passende Argument, um die Politik zum schnellen Handeln zu bewegen. „Wir halten diese Art der Hyperaktivität bei solch einem wichtigen Thema für sehr gefährlich“, so Behrendt. „Denn wenn die bestehende Versorgungsstruktur auf dem Land, auch mit den Not- und Nachtdiensten, erst einmal weg ist, kann logistische Lieferung bis an die Haustür auch diese Gemeinwohlaufgabe nicht ersetzen.“ 

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