Arzneimittel und Therapie

Diuretikum + Antihypertensivum + NSAR = gefährlich?

Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen zählen zu den wichtigen Ursachen eines akuten Nierenversagens. Im British Medical Journal wurde nun eine Studie veröffentlicht, die bei Patienten mit einer Dreifachkombination aus einem Diuretikum mit einem ACE-Hemmer oder einem AT1 -Rezeptorantagonisten und einem nicht-steroidalen Antirheumatikum (NSAR) ein um 31% erhöhtes Risiko für ein akutes Nierenversagen zeigen konnte.

Viele Wirkstoffe haben einen schädigenden Einfluss auf die Nierenfunktion, und es ist zu befürchten, dass durch den kombinierten Einsatz mehrerer nephrotoxischer Substanzen das Risiko eines akuten Nierenversagens steigt. Der Untersuchungsgegenstand einer im British Medical Journal veröffentlichten Studie war daher der Einfluss einer Zwei- oder Dreifachkombination auf die Inzidenz des akuten Nierenversagens. Die untersuchten Stoffgruppen Diuretika, ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorantagonisten und NSAR beeinflussen die Nierenfunktion durch unterschiedliche Mechanismen: Diuretika können zu einem verminderten Blutvolumen (Hypovolämie) führen und entfalten ihre Schädigungspotenzial somit schon vor der Niere (prärenal). NSAR führen über eine Hemmung der renalen Prostaglandinsynthese zu einer gesteigerten Vasokonstriktion am Vas afferens (zuführende Arteriole des renalen Glomerulus) und somit auf diesem Wege zu einer Abnahme des glomerulären Filtrationsdruckes. ACE-Hemmer und AT1 -Rezeptorantagonisten verändern die intrarenale Hämodynamik, indem sie über eine Hemmung der normalerweise durch Angiotensin II vermittelten Vasokonstriktion des Vas efferens (abführende Arteriole des renalen Glomerulus) eine Abnahme des Filtrationsdrucks mit konsekutiver Abnahme der glomerulären Filtrationsrate bewirken.

Studiendetails

Die retrospektive Studie untersuchte eine Kohorte von fast einer halben Million Antihypertensiva-Patienten (n = 487.372), deren medizinische Daten detailliert in der britischen Clinical Practice Research Datalink (CPRD)-Datenbank abgelegt sind. Es wurden nur die Patienten der CPRD analysiert, die während eines Zeitraums von zwölf Jahren, beginnend am 1. Januar 1997, erstmalig eine Antihypertensiva-Verordnung erhielten. Wurden die Patienten innerhalb des Beobachtungszeitraums (endete am 31. Dezember 2010) aufgrund eines akuten Nierenversagens hospitalisiert, wurden sie als Fälle gewertet. Den Fällen ordneten die Wissenschaftler bis zu zehn Kontroll-Patienten der Kohorte zu, man spricht in diesem Fall von einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie (nested case-control study). Anschließend wurden die Medikation der Fälle und Kontrollen analysiert und dabei ausgewertet, welche Patienten zum Zeitpunkt des Ereignisses oder in der Vergangenheit eine Zweifachkombination aus einem Antihypertensivum (Diuretikum oder ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorantagonisten) und einem NSAR erhielten und welche Patienten eine Dreifachkombination aus einem Diuretikum mit einem ACE-Hemmer oder einem AT1-Rezeptorantagonisten und einem NSAR aufwiesen.

Dauer der Dreifachkombination beeinflusst Risiko

Im Beobachtungszeitraum wurden insgesamt 2215 Fälle von akutem Nierenversagen beobachtet, welche dividiert durch die etwas über drei Millionen Personenjahre eine Inzidenzrate von 7/10.000 Personenjahren ergibt. Die Zweifachkombination war nicht mit einem erhöhten Risiko eines akuten Nierenversagens assoziiert, wohingegen die Dreifachkombination mit einem um 31% erhöhten Risiko (Inzidenzquotient 1,31; 95% Konfidenzintervall (KI) 1,12; 1,53) verbunden war. In einer interessanten Sekundäranalyse wurde noch der Einfluss der Dauer der kombinierten Dreifachgabe auf die Inzidenz eines akuten Nierenversagens untersucht. Während der ersten 30 Tage war das Risiko für ein akutes Nierenversagen mit einem Inzidenzquotienten von 1,82 am höchsten (95% KI 1,35; 2,46), dies entspricht einem um 82% erhöhten Risiko. Es nahm mit zunehmender Dauer der Kombinationsverordnung ab, um dann nach mehr als 90 gemeinsam verabreichten Tagen nicht mehr statistisch signifikant zu sein (Inzidenzquotient 1,01; 95% KI 0,84; 1,23).

Diskussion der Ergebnisse

Dass eine Zweifachkombination im Gegensatz zu einer Dreifachkombination der oben beschriebenen Wirkstoffgruppen nicht zu einem erhöhten Risiko eines akuten Nierenversagens führte, werteten die Wissenschaftler folgendermaßen: Bei der Kombination eines Diuretikums mit einem NSAR ist der renale Blutfluss zwar reduziert, aber der Einfluss des starken Vasokonstriktors Angiotensin II auf das Vas efferens ist weiterhin verfügbar (obschon die durch NSAR vermittelte Prostaglandinsynthesehemmung auch einen Einfluss auf Angiotensin II hat) und hält den glomerulären Filtrationsdruck vermutlich ausreichend aufrecht. Bei der Kombination eines ACE-Hemmers oder eines AT1-Rezeptorantagonisten mit einem NSAR besteht zwar ein durch zwei Mechanismen reduzierter glomerulärer Filtrationsdruck, jedoch ist der Einfluss der NSAR auf das Vas afferens bei normalem extrazellulärem Flüssigkeitsvolumen und renalem Blutfluss vermutlich nicht ausreichend stark genug. Bei einer Dreifachkombination fließen hingegen alle oben genannten pharmakodynamischen Mechanismen ein und bewirken hierdurch ein erhöhtes Risiko eines akuten Nierenversagens. Dass die Dreifachkombination besonders innerhalb der ersten 30 gemeinsam verabreichten Tage nephrotoxisch ist, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Die Forscher vermuten, dass sich die Nierenfunktion insbesondere zu Beginn einer NSAR-Therapie durch einen abrupten Wegfall der renalen Prostaglandinsynthese verschlechtert. Hinzu kommt, dass NSAR zu Therapiebeginn meist höher dosiert werden als im weiteren Verlauf.


Quelle

Lapi F, et al. Concurrent use of diuretics, angiotensin converting enzyme inhibitors, and angiotensin receptor blockers with non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of acute kidney injury: nested case-control study. Brit Med J 2013; 346: e8525.


Apothekerin Dr. Verena Stahl



DAZ 2013, Nr. 4, S. 27

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.