Arzneimittel und Therapie

Blutdruck senken – egal wie

Chronisch nierenkranke Hypertoniker profitieren am meisten

Eine Blutdrucksenkung reduziert bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion das kardiovaskuläre Risiko. Dabei scheint es einer Metaanalyse zufolge unerheblich, welches Antihypertonikum dazu eingesetzt wird.

Was war bekannt?

  • Bei chronisch nierenkranken Patienten ist der Blutdruck normalerweise erhöht.
  • Leitlinien empfehlen bei Nierenkranken eine Blutdrucksenkung, obwohl die Evidenz hierfür nur begrenzt ist.
  • Ein aussagekräftiger Vergleich, mit welchen Wirkstoffen das kardiovaskuläre Risiko am effektivsten gesenkt werden kann, liegt nicht vor.


Was ist neu?

  • Eine Blutdrucksenkung führt bei Nierenkranken und Nierengesunden zu einer vergleichbaren proportionalen Abnahme des kardiovaskulären Risikos. Nierenkranke profitieren aber aufgrund ihres höheren Ausgangsrisikos in stärkerem Ausmaß von einer Blutdrucksenkung als Nierengesunde.
  • Die Wahl des Antihypertensivums scheint keine große Rolle zu spielen.

Rund 10 bis 15% der erwachsenen Bevölkerung leiden an einer chronischen Nierenerkrankung (definiert durch eine verringerte glomuläre Filtrationsleistung und/oder dem Vorliegen einer Proteinurie; s. Kasten). Diese erhöht sowohl das Risiko für ein Nierenversagen als auch für kardiovaskuläre Ereignisse, wobei für Betroffene mit einer früh einsetzenden Nierenerkrankung das kardiovaskuläre Risiko höher ist als die Wahrscheinlichkeit, ein Nierenversagen zu entwickeln. Daher ist die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse vorrangig. Eine Möglichkeit hierfür ist die Reduktion des Blutdrucks, der zudem bei Nierenkranken meist erhöht ist. Leitlinien empfehlen daher bei Nierenkranken eine stärkere Blutdrucksenkung als bei Nierengesunden. Die Evidenz dieser Leitlinie ist indes limitiert. Ebenfalls ist unklar, ob der durch die Blutdrucksenkung erzielte Benefit beim Einsatz verschiedener Wirkstoffe unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Um Klarheit zu gewinnen, wurde von Mitarbeitern der Blood Pressure Lowering Treatment Trialists‘ Collaboration eine Metaanalyse durchgeführt. Dabei sollten folgende Fragen geklärt werden:

  • Kann durch eine Blutdrucksenkung bei chronisch nierenkranken Patienten das kardiovaskuläre Risiko vermindert werden?
  • Sind dazu bestimmte Wirkstoffe besonders geeignet?

Geschätzte glomeruläre Funktionseinschränkung

Zur Beurteilung der Nierenfunktion wird die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) herangezogen. Sie gibt das Gesamtvolumen des Primärharns an, das von den Glomerula beider Nieren pro definierter Zeiteinheit filtriert wird. Die glomeruläre Filtrationsrate kann nicht direkt bestimmt werden, sondern nur indirekt mithilfe im Plasma enthaltener Stoffe. Da dies sehr aufwendig ist, greift man zur Einschätzung der Nierenfunktion auf Berechnungsformeln zurück und ermittelt die geschätzte (estimated) glomeruläre Filtrationsrate eGFR. Hierfür gibt es mehrere Formeln, die alle nur bedingt genau sind. Die älteste Formel ist die Cockcroft-Gault-Formel, heute üblich ist die MDRD-Formel (MDRD = Modification of Diet in Renal Disease Study Equation). Beide basieren auf dem Serum-Kreatinin und geben die Clearance in Millilitern pro Minute an, die MDRD-Formel außerdem bezogen auf eine standardisierte Körperoberfläche von 1,73 m². Eine glomeruläre Filtrationsrate von 60 ml/min/1,73 m² bedeutet ungefähr eine Abnahme der normalen Nierenfunktion um die Hälfte und wird als milde bis moderate Funktionseinschränkung eingestuft.

Metaanalyse randomisierter Studien

Für die Metaanalyse wurden 26 randomisierte Studien ausgewählt, für die jeweils ein Follow-up von mindestens 1000 Patientenjahren vorlag. In diesen Studien hatten Patienten mit oder ohne chronische Niereninsuffizienz eine antihypertensive Therapie oder ein Placebo erhalten. Der primäre Studienendpunkt der Metaanalyse war das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzversagen oder Tod aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses (die kardiovaskulären Ereignisse wurden in ihrer Gesamtheit oder einzeln bestimmt) sowie alle Todesfälle. In der auf der Nierenfunktion basierenden Analyse wurde das gepoolte Hazard ratio für eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg ermittelt. Insgesamt konnten die Daten von 152.290 Teilnehmern ausgewertet werden, von denen 30.295 eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate aufwiesen (eGFR <60 ml/min/1,73 m²). Im Vergleich zur Placebotherapie wurde durch eine medikamentöse Blutdrucksenkung das Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, pro 5 mmHg systolischer Blutdruckabnahme um ein Sechstel vermindert. Dies betraf Probanden mit reduzierter Nierenfunktion (HR = 0,83; 95% Konfidenzintervall 0,76 bis 0,90) und nierengesunde Teilnehmer (HR = 0,83; 95% Konfidenzintervall 0,79 bis 0,88) gleichermaßen ohne Unterschied. Die Wahl des eingesetzten Antihypertonikums (ACE-Hemmer, Calciumantagonisten, Diuretika, Betablocker) hatte keinen Einfluss auf die Abnahme des kardiovaskulären Risikos.

Quelle

Blood pressure lowering treatment trialists` collaboration. Blood pressure lowering and major cardiovascular events in people with and without chronic kidney disease: meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ online vom 3. Oktober 2013. BMJ 2013; 347: f5680 doi:10.1136/bmj.f5680.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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