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Aus den Ländern
Drachenblut und Räuberessig
Streifzug durch die Pharmaziegeschichte
Klassische Harzdrogen
Über die Harzdrogen Kino, Drachenblut und Weihrauch referierte Dr. Ursula Barthlen. Dabei präsentierte sie ein Weihrauchgefäß aus dem Oman und einen Ansatz von Drachenblut (Sanguis draconis) in Rotwein. Das ursprüngliche, von der Insel Sokotra im Golf von Aden stammende Drachenblut (von Dracaena cinnabari, Asparagaceae) findet erstmals im Periplus Maris Erythraei (1. Jh. n. Chr.) Erwähnung. Der Name dehnte sich später auf rote Harze anderer Pflanzen aus, insbesondere vom Kanarischen Drachenbaum (D. draco). Sokotrisches Drachenblut diente in Pulverform als Phytopharmakon, hat heute jedoch praktisch keine pharmazeutische Bedeutung mehr. Hingegen findet das südamerikanische Drachenblut (von Croton lechleri, Euphorbiaceae) Einsatz bei HIV-induzierter Diarrhö (Fulyzaq®).Weihrauch (Olibanum, von Boswellia sacra) zählte schon in der Bibel zu den wertvollsten Gaben und war ein begehrtes Handelsgut. Die Weihrauchstraße führte durch den Oman und Jemen über Gaza bis nach Damaskus. Der Ursprung des Weihrauchs wurde geheim gehalten. Der heute in katholischen Kirchen verwendete Weihrauch ist oft von minderer Qualität und mit aromatischen Kräutern versetzt.
Teurer noch als Weihrauch war Kino (Gummi rubrum adstringens, von Pterocarpus erinaceus, Fabaceae), ein geruchloses Gummiharz mit zusammenziehender Wirkung. 1744 erschien die schwarze bis blutrote Droge in der Edinburgher und 1756 in der Londoner Pharmakopöe. In Deutschland wurde sie durch Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770–1837) bekannt und blieb bis zum Ergänzungsbuch des DAB 6 offizinell. Kinotinkturen auf Basis von Weinbrand wurden als Mundwasser genutzt, ansonsten fand die Droge als Hämostyptikum und Adstringens Verwendung. Der „Hager“ aus dem Jahre 1874 erwähnt sie noch, jedoch wurde sie nun immer seltener gebraucht. Im Handel befand sich vorwiegend hellrotes Malabar-Kino (von Pterocarpus marsupium) von der Westküste Indiens; noch heute ist Kino Bestandteil der indischen Ayurveda-Medizin.
Räuberessig
Dr. Ursula Lang berichtete über die Verwendung von Essig als Arzneimittel, wobei der Vierräuberessig im Fokus stand. Seine Legende hat u.a. Samuel Hahnemann (1755–1843) überliefert: Während einer Pestepidemie zu Anfang des 18. Jahrhunderts sollen vier Schwerenöter ungeachtet der Seuche durch Paris gezogen sein und die Toten beraubt haben. Nach ihrer Festnahme bot man ihnen die Freiheit an, wenn sie das zum Schutz vor der Epidemie verwendete Rezept preisgeben. Es handelte sich um eine Essigzubereitung, die daraufhin den Namen „vinaigre des quatre voleurs“ erhielt.
Schon in der arabischen Medizin wurde Essig zur Prophylaxe von Seuchen eingesetzt. Der Kräuterbuchautor Johann Theodor Tabernaemontanus (1522–1590) empfahl ihn zur Behandlung von „hitzigen“ Krankheiten, da die Humoralpathologie ihm kühlende Eigenschaften zusprach. Im Gefolge breiteten sich Essigzubereitungen immer weiter aus. Johann Heinrich Zedler (1706–1751) füllte in seinem Universallexikon ganze sieben Spalten damit. J. B. Trommsdorff erwähnte Essigzubereitungen 1805 im ersten deutschen Kosmetikbuch, wobei besonders französische Produkte beliebt waren.
Essig galt als hervorragendes Konservierungsmittel für Fleisch, Fisch und Früchte, wurde aber auch als Antidot bei Hundebissen, gegen Cholera sowie bei Geschwüren und Schwellungen verwendet. Schon Plinius empfahl warme Essigzubereitungen mit Schwefel bei Schuppenflechte und Ekzemen.
Essig mit Honig (Oxymel) kam bei Fieber, Essig mit Salz bei Halsinfektionen zum Einsatz. Auch bei Ohrinfektionen („Ohrwürmer“) wurde Essig verwendet. Im Laufe des 19. Jahrhunderts sank seine Bedeutung als Heilmittel. Noch heute gibt es indes eine Rezeptur für essighaltige Ohrentropfen im NRF. Die Referentin ließ Laboruntersuchungen durchführen, die zeigten, dass Essigsäure in einer Verdünnung von 1:10 antibakteriell (z.B. E. coli) und fungizid wirksam ist.
Apothekerberuf im Wandel
Unter dem Titel „Gelungenes und Verpasstes“ beschrieb schließlich Peter Ditzel, Herausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung, den Wandel der Pharmazie aus dem Blickwinkel eines Apothekers und Journalisten. Mit einem Augenzwinkern bewertete er genutzte wie verpasste Chancen. Zunächst wies er auf das verpasste Tankstellenmonopol hin – eine historisch wohl einmalige Gelegenheit, die nicht wiederkommen wird! Die „erste Tankstelle der Welt“ war nämlich die Stadt-Apotheke Wiesloch, wo Bertha Benz (1849–1944) im August 1888 auf ihrer berühmten Fahrt von Mannheim nach Pforzheim mit dem dreirädrigen Automobil Benzin nachfüllte. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnten Ligroin, Benzin und andere Mineralöltreibstoffe nur in Apotheken erworben werden. Auf der „Positivliste“ des historisch Erreichten verzeichnete Ditzel das Edikt von Salerno aus dem Jahr 1231, das die Trennung der Verantwortlichkeit von Arzt und Apotheker festschrieb. Das Arzneimittelmonopol weckte indes stets die Begehrlichkeit von anderen. Waren es früher Drogerien, so sind es heute Supermärkte und Versandhandel, die die Monopolstellung der Apotheke infrage stellen.
Magdalena Neff (geb. Meub, 1881– 1966) hat als erste Frau an der Technischen Hochschule in Karlsruhe das Pharmaziestudium absolviert – so begann eine ebenfalls gelungene Entwicklung. Kamen 1911 noch acht Pharmaziestudentinnen auf 1000 Pharmaziestudenten, so kann man sich die Apotheke heute ohne Frauen kaum noch vorstellen. Da die früheren Pharmaziepraktikanten nach Änderung der Ausbildungsordnung in den 1970er Jahren fehlten, wurde der Beruf der PTA geschaffen, der im heutigen Apothekenalltag nicht mehr wegzudenken ist.
Als Versäumnisse hingegen wertete Ditzel den Verzicht auf Laboranalysen von Körperflüssigkeiten seitens der Apotheker in den 1950er und 60er Jahren sowie auch jüngst das Feld der Gendiagnostik, das heute allein den Ärzten vorbehalten ist. Erfolg und Misserfolg für die Apotheken lagen auch im Bereich der Gesetzgebung nahe beieinander: Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1961 zur Niederlassungsfreiheit, 2004 die Zulassung von Filialapotheken und 2009 die Bestätigung des Fremdbesitzverbots durch den EuGH führen dies beispielhaft vor Augen. Ditzel sprach auch die Veränderungen der Studieninhalte an und beschrieb den Einzug der Pharmakologie und der Klinischen Pharmazie. Das in den USA bereits verwirklichte Medikationsmanagement sieht er als Zukunftsperspektive.
Traditionsreiche Apotheken
Außer den Vorträgen wurden zwei Besichtigungen geboten: Dr. Christoph Mauz zeigte die historische Offizin seiner „Homöopathischen Central-Apotheke“, die, durch eine Tür getrennt, neben der allopathischen Rats-Apotheke lag und einen eigenen Eingang hatte; die Zubereitung und Abgabe von homöopathischen und allopathischen Arzneimitteln waren früher strikt getrennt.
Das Apotheker-Ehepaar Dr. Strölin führte durch seine „Apotheke am Fischbrunnen“, die seit 1709 im heutigen Gebäude und seit 1921 im Familienbesitz ist. Von historischer Bedeutung sind eine sehr umfangreiche Sammlung von Arzneimittelpackungen, eine separate homöopathische Apotheke, drei Drogensammlungen, von denen die älteste von etwa 1780 bis 1830 stammt, Dokumente zur Apotheken- und Arzneimittelgeschichte und zahlreiche Gerätschaften. Danach führte Dr. Strölin durch die Esslinger Altstadt mit ihren vielen Fachwerkhäusern (zum Teil aus dem 13. Jahrhundert), alten Pfleghöfen (Verwaltungsstellen) von Klöstern und sehenswerten Kirchen.
In der Mitgliedersammlung der DGGP-Landesgruppe Baden wurde Dr. Elisabeth Huwer zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Der bisherigen Amtsinhaberin Dr. Karin Götter sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
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