Arzneimittel und Therapie

Wirksam bei HER2-positivem Brustkrebs

In der Studie EMILIA wurde bei Frauen mit Trastuzumab-vorbehandeltem HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs das Antikörperkonjugat Trastuzumab Emtansine (T-DM1) verglichen mit der Kombination aus Capecitabin und Lapatinib. In dieser randomisierten Phase-III-Studie verlängerte Trastuzumab Emtansine bei weniger Toxizität signifikant sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben.

Trastuzumab Emtansine (T-DM1) stellt eine neue Generation von antineoplastischen Therapien dar, nämlich ein synthetisches Konjugat aus dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) und dem potenten Zytostatikum Emtansine (DM1) in einer stabilen Bindung. Auf die Art und Weise wird das hochwirksame Zytostatikum zielgerichtet zur Krebszelle geführt und erst dort freigesetzt. DM1 ist ein Derivat des Mikrotubuli-Inhibitors Maytansine. Wegen seiner unakzeptablen Systemtoxizität konnte Maytansine sich bisher in der systemischen Therapie nicht etablieren. Durch die Bindung an den Antikörper gelangt das Zytostatikum aber zielgerichtet zur Krebszelle, die vermehrt HER2 exprimiert, und wird dann erst dort freigesetzt.

Die Studie

Von Februar 2009 bis Oktober 2011 wurden insgesamt 991 Patientinnen in 213 Zentren und 26 Ländern rekrutiert. Sie litten unter HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs und waren zuvor bereits mit Taxanen und Trastuzumab behandelt worden. Sie wurden 1:1 randomisiert und erhielten in dreiwöchigen Zyklen entweder T-DM 1 (1 x 3,6 mg/kg KG i.v.) oder Capecitabin (1000 mg/m2 alle zwölf Stunden, Tag 1 bis 14) plus Lapatinib (1250 mg täglich) (XL) bis zur Progression oder bis zur nicht mehr kontrollierbarer Toxizität.

Primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS), das Gesamtüberleben und die Sicherheit. In der ersten Datenanalyse im Januar 2012, die von einem unabhängigen Review-Komitee durchgeführt wurde, zeigte sich bereits im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben ein signifikanter Vorteil für den T-DM1-Arm. Im Vergleich zu 6,4 Monaten unter Lapatinib + Capecitabin betrug hier das PFS 9,6 Monate. Zum Zeitpunkt der zweiten Interimsanalyse im Juli 2012 war es bereits zu 331 Todesfällen gekommen, und die Analyse ergab, dass T-DM1 auch signifikant das mediane Gesamtüberleben verlängert hatte (30,9 vs. 25,1 Monate; HR: 0,68; 95% CI: 0,55-0,85; p < 0,001). Die Einjahresüberlebensraten betrugen 85,2% im T-DM1-Arm vs. 78,4% im XL-Arm, die Zweijahresüberlebensraten 64,7% vs. 51,8%.

Akzeptable Toxizität

Zu schweren Nebenwirkungen kam es bei 88 Patientinnen (18%) in der Lapatinib/Capecitabin-Gruppe, aber nur bei 76 Patientinnen in der T-DM1-Gruppe (15,5%), wobei Toxizitäten der Grade III und IV häufiger unter Lapatinib/Capecitabin vorkamen (57,0% vs. 40,8%). In der XL-Gruppe kam es häufiger zu Diarrhö (20,7% vs. 1,6%), Hand-Fuß-Syndrom (16,4% vs. 0%) und Erbrechen (4,5% vs. 0,8%).

Unter T-DM1 kam es dagegen häufiger zu Thrombozytopenie (12,9% vs. 0,2%), die besonders in den ersten beiden Therapiezyklen auftrat, aber durch Dosis-Modifikationen konnte meist die Therapie fortgeführt werden. Auch Blutungen traten häufiger in der T-DM1-Gruppe auf (29,8% vs. 15,8%). Insgesamt waren Dosis-Reduzierungen häufiger in der XL-Gruppe notwendig (53,4% für Capecitabin, 27,3% für Lapatinib und 16,3% für T-DM1).

In dieser Phase-III-Studie zeigte sich somit, dass das Antikörperkonjugat T-DM1 im Vergleich zu Lapatinib plus Capecitabin signifikant sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben für Frauen mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs verlängerte. Auch durch andere Studien zeigte sich, dass dieser Benefit unabhängig von der Therapielinie der Patientinnen ist, z. B. profitieren auch Patientinnen im adjuvanten, neoadjuvanten Setting oder solche, die vor weniger als sechs Monaten noch eine Trastuzumab-basierte Chemotherapie erhalten hatten. Die unter T-DM1 aufgetretenen Toxizitäten waren im Allgemeinen geringgradig, und nach Dosis-Modifikationen konnte die Therapie jeweils mit Erfolg weitergeführt werden.

Antikörperkonjugate als vielversprechendes Prinzip

Die Geschichte der Entwicklung von Antikörper-Arzneimittel-Konjugaten (ADC) ist schon mehr als 25 Jahre alt und bedurfte der Weiterentwicklung verschiedenster Facetten in der Grundlagenforschung, der Immunologie und der Arzneimitteltechnologie. Erste Antikörper-Arzneimittel-Konjugate benutzten Zielantigene mit insuffizienter Tumorselektivität oder Maus-Antikörper, die selber allergen waren. Teilweise war auch die Bindung zwischen Antikörper und Arzneimittel zu instabil, so dass auch gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mit dieser Phase-III-Studie scheint nun das Ziel einer hochpotenten neuen Arzneimittelgeneration erreicht zu sein. Trastuzumab Emtansine zeigte sich zunächst hochwirksam im Hinblick auf die Verkleinerung der Tumoren, und die Wirkung auch auf viszerale Metastasen unterstützt die ursprüngliche Hypothese, dass der Maytansinoid-Teil des Konjugats erst intrazellulär mit suffizienten Konzentrationen in der Tumorzelle freigesetzt wird und zum Zelltod führt. Die Daten zum progressionsfreien Überleben und zum Gesamtüberleben schließlich sind sehr eindrucksvoll. Mehr als 25 weitere Antikörper-Arzneimittel-Konjugate werden bereits in weiteren onkologischen klinischen Studien untersucht, und noch mehr befinden sich in der präklinischen Entwicklung. Die besten Zielproteine für Antikörper-Arzneimittel-Konjugate sind natürlich solche, die reichlich auf Tumorzellen, aber wenig auf gesunden Körperzellen exprimiert werden. Und Patienten, bei deren Tumoren sich das jeweilige Protein besonders häufig finden lässt, profitieren natürlich ganz besonders.


Quelle

Verma S et al. Trastuzumab Emtansine for HER2-Positive Advanced Breast Cancer. N Engl Med 2012; 367: 1783 – 1791.


Apothekerin Dr. Annette Junker


Trastuzumab subkutan applizieren

Rekombinante humane Hyaluronidase als Trägerstoff machts möglich


Knapp ein Drittel der Mammakarzinome sind HER2-positiv. Die gezielte Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) verbessert die Prognose. Eine neue subkutane Formulierung kann die Applikation erleichtern. Möglich wurde sie, weil als Trägerstoff rekombinante humane Hyaluronidase zum Einsatz kommt.


Trastuzumab (Herceptin®) ist in der Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms etabliert. Die mittlere Behandlungsdauer liegt bei acht bis zehn Jahren, so Prof. Dr. Christian Jackisch, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Offenbach, auf einer von der Roche Pharma AG unterstützten Pressekonferenz beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Bislang wird Trastuzumab intravenös und gewichtsadaptiert verabreicht. Um die Applikation zu erleichtern, wurde nun eine subkutane Formulierung mit fixer Dosis (600 mg/5 ml) entwickelt, die ab Februar 2013 zur Verfügung stehen wird. Sie ermöglicht eine einfachere und schnellere Therapie ohne Infusion und Port-Katheter.


Der Trick: rHuPH20 als Trägerstoff

Möglich wurde die s.c.-Applikation allerdings erst durch die Verwendung von rekombinanter humaner Hyaluronidase (rHuPH20) als Trägerstoff. Eigentlich ist die subkutane Applikation großer Volumina durch die Struktur und Physiologie des subkutanen Gewebes begrenzt. Eine Matrix aus Hyaluronsäure und Kollagenfasern schränkt das Applikationsvolumen auf weniger als 1 ml ein. Das Enzym rHuPH20 bewirkt eine temporäre und lokale Degradation der Hyaluronsäure und führt so zu einer vorübergehenden Zunahme der subkutanen Dispersionsfläche. Damit wird auch die Applikation größerer Flüssigkeitsvolumina möglich. Das Hautgewebe wird dadurch nur gering belastet, und die Haut kehrt nach der Applikation in ihren Ausgangszustand zurück.


Subkutan so effektiv und sicher wie intravenös

Simulierte pharmakokinetische Profile zeigen ähnliche Ctrough-Werte (die tiefste Wirkstoffkonzentration während des Dosierungsintervalls) nach intravenöser Gabe und nach subkutaner Applikation der Fixdosis in allen Zyklen. Dies weist bereits auf eine vergleichbare Wirksamkeit hin. Daten der randomisierten, offenen Phase-III-Studie HannaH dokumentieren, dass die subkutane Applikation ebenso wirksam und sicher ist wie die intravenöse Therapie. 596 Patientinnen erhielten Trastuzumab neoadjuvant zur Chemotherapie und postoperativ als Monotherapie entweder subkutan (Fixdosis 600 mg alle drei Wochen; Injektionsvolumen 5 ml; mittlere Injektionsdauer 3,3 Minuten) oder intravenös (8 mg/kg initial, gefolgt von 6 mg/kg alle drei Wochen). Als co-primäre Endpunkte wurde die Ctrough vor Zyklus 8 als pharmakokinetischer Parameter sowie die pCR (pathologische Komplettremisson) als klinischer Parameter erfasst. I.v.- und s.c.-Formulierungen erwiesen sich als gleichwertig: Die Wirkstoffkonzentrationen im Blut waren nach subkutaner Applikation mindestens so hoch wie nach intravenöser Applikation (69 µg/ml vs. 51,8 µg/ml), die Rate an pCR zum Zeitpunkt der Operation vergleichbar (45,4% vs. 40,7%). Auch die Sicherheitsprofile der beiden Formulierungen waren insgesamt vergleichbar. Fazit: Trastuzumab s.c. in einer fixen Dosis von 600 mg dreiwöchentlich in etwa fünf Minuten verabreicht, bietet eine zuverlässige Behandlungsalternative zur i.v.-Therapie. "Für die Lebensqualität unserer Patientinnen ist dies ein wichtiger Fortschritt", betonte Jackisch. Langfristig denkbar sei auch die Selbstapplikation durch die Patientin.


Apothekerin Dr. Beate Fessler


Zum Weiterlesen


Zukunft: maßgeschneiderte Brustkrebstherapie. Diskussion um die individuelle Therapie.

DAZ 2012, Nr. 33, S. 34– 35



DAZ 2013, Nr. 5, S. 32

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