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DAZ aktuell
Es fehlt die klare Linie
Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker beklagt Fehlinterpretationen bei der Auslegung von Normen und Urteilen
Ein Beispiel ist das im letzten September ergangene Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts zur Rezeptübermittlung zwischen Arztpraxis und Apotheke per Fax (s. DAZ 2013, Nr. 43, S. 24). Darin wird das Vorgehen als eine nicht genehmigte Rezeptsammlung in der Arztpraxis gewertet. Das Urteil erging dabei lediglich im einstweiligen Verfügungsverfahren – doch es ließ einige kassenärztliche Vereinigungen und auch Apothekerverbände aufhorchen. Sie machten sich die Auffassung zu eigen, dass eine solche Fax-Übermittlung generell unzulässig sei. Dabei ging es in dem saarländischen Verfahren um Rezepte in größerem Stil – die Heimversorgung war nur ein Teilaspekt. Nicht zuletzt für die heimversorgenden Apotheken ist dies ein echtes Problem. Peterseim betonte, dass es hier um die Zusammenarbeit zwischen vertraglich gebundenen heimversorgenden Apotheken und Ärzten gehe. Der vom Gesetz vorgeschriebene Heimversorgungsvertrag weise diese Rezepte nicht nur der Vertragsapotheke zu – er verpflichte sie sogar, für die ordnungsgemäße Anschlussversorgung zu sorgen. Es könne daher nicht sein, dass Rezepte von Heimbewohnern, die keine andere Apotheke gewählt haben, der zuständigen heimversorgenden Apotheke nicht zugefaxt werden dürften. Damit werde die kontinuierliche Arzneimittelversorgung der Heimbewohner gefährdet. Im Übrigen sei die Zusammenarbeit von Pflegeheim, Arzt und Apotheker bei der Gesundheitsversorgung der Heimbewohner erst jüngst vom Gesetzgeber weiter forciert worden. So müssten Heime künftig die Kooperation mit Ärzten und Apothekern nachweisen und könnten sogar eigene Heimärzte einstellen, die mit den übrigen Leistungserbringern eng zusammenarbeiten sollen. Peterseim sagte Verbandsmitgliedern, die infolge des Urteils Probleme bekommen haben, Unterstützung zu. Bei der Veranstaltung berichteten Teilnehmer insbesondere von Schwierigkeiten in Bayern und Nordrhein. Gemeinsam mit dem juristischen Berater des BVKA, Prof. Dr. Hilko J. Meyer, soll nun eine juristische Stellungnahme erstellt werden, die aufzeigt, dass die Heimversorgung Besonderheiten aufweist und eine „Rezeptzuweisung“ hier anders zu behandeln ist als im Normalfall. Diese soll betroffene Apotheken in der Argumentation mit kritischen Verbänden unterstützen.
Knackpunkt Lieferengpässe
Weiterhin sprach Peterseim das Problem der Lieferengpässe in der Krankenhausversorgung an. Er selbst beschäftige mittlerweile eine Mitarbeiterin, die sich ausschließlich darum kümmere, diese Engpässe zu überbrücken. Der BVKA-Vorsitzende sieht die Globalisierung der Arzneimittelherstellung, zu geringe Lagerbestände der Industrie und Rabattverträge als Gründe für die Engpässe. Angesichts des Preisdrucks gerade auf Generikahersteller kann er in gewissem Maße nachvollziehen, dass dieses Geschäft kaum mehr reizt. Um den Engpässen entgegenzuwirken, habe sich der BVKA an der Erstellung einer Liste unverzichtbarer onkologischer Arzneimittel beteiligt. Es habe auch Gespräche im Ministerium gegeben. Doch dabei sei stets die Finanzierung der Arzneimittel ausgeblendet worden. Dabei hält Peterseim hier ein neues Preisfindungsinstrument für dringend erforderlich – eine zündende Idee fehlt allerdings noch.
Ein weiterer Problemfall sind aus BVKA-Sicht einige Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung. Unglücklich ist der Verband etwa mit dem neuen § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ApBetrO. Eigentlich sollte hier die bisherige Ausnahme von der Raumeinheit für krankenhausversorgende auf heimversorgende Apotheken ausgedehnt werden. Am Ende ist in der Norm aber nur eine Ausnahme für „Lagerräume“ geschaffen worden, die ausschließlich der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern oder Heimen dienen. Das sei „ärgerlich“, so Peterseim, und werfe die Frage auf, was in solchen Lagerräumen nun wirklich erlaubt sei. Es sind sicher keine Herstellungsräume. Aber Aufsichtsbehörden – so etwa in Nordrhein-Westfalen –, die ausschließlich das „Lagern“, also Aufbewahren zulassen, sehen es aus Peterseims Sicht zu eng. In externen Räumen müsse alles erlaubt sein, das man dort typischerweise mache. Es liefen aber Gespräche des BVKA mit dem NRW-Ministerium. Dennoch: Bislang fehlt eine verlässliche Positionierung. Eine Klarstellung in der Apothekenbetriebsordnung sei daher erforderlich, so Peterseim. Nötigenfalls werde der BVKA auch den Rechtsweg nicht scheuen.
Zytoherstellung: Keine GMP-Standards
Letzteres gilt auch im Hinblick auf die Auslegung des § 35 Abs. 4 ApBetrO, der die Anforderungen an das Labor für die Zytostatikaherstellung regelt. Eigentlich sollten die strengen GMP-Regeln für die Industrie für Apotheken nicht gelten – doch es gebe Versuche, sie auf anderem Wege einzuführen, so Peterseim. Etwa über die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB), die mit Empfehlungen zur Auslegung der Apothekenbetriebsordnung für eine möglichst einheitliche Überwachungspraxis in den Ländern sorgen soll. Peterseim betonte: „Lassen Sie sich von Ihren Behörden nicht verrückt machen. Und lassen Sie sich keine Investitionen aufdrängen, die nicht passen.“
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist für Peterseim, die Ausschreibungen von Krankenkassen in der Versorgung mit individuell hergestellten Zytostatika zu beenden. In Hessen ist der Streit um Retaxierungen von Apotheken, die auch ohne Vertrag AOK-Patienten weiterversorgen, noch immer nicht ausgestanden. Peterseim betont, dass das Apothekenwahlrecht der Patienten nur ohne solche Ausschreibungen geschützt und erhalten werden könne – ebenso die zuverlässige Versorgung in der Fläche.
Heimversorgung mit Potenzial
In Zukunft will der BVKA die pharmazeutische Betreuung der Patienten in Krankenhäusern und Heimen als Kernkompetenz der öffentlichen Apotheke weiter ausbauen. In der Heimversorgung bestehe hier ein großes Potenzial – schließlich zeichnet sich der Heimpatient als besonders treu aus. Die Medikation kann hier also gut im Auge behalten werden. Nicht hinnehmbar sei allerdings, dass Apotheken immer öfter zu kostenfreien Zusatzdienstleistungen aufgefordert würden, die mit Pharmazie nichts zu tun hätten. In der Krankenhausversorgung erleben die BVKA-Apotheker, dass die intensive Zusammenarbeit mit den Ärzten auch vonseiten der Verwaltung mehr und mehr geschätzt – und auch bezahlt – wird.
Zum Programm der Jahrestagung zählte weiterhin ein Überblick von Professor Meyer zu aktuellen Rechtsfragen der Klinik- und Heimversorgung. Am zweiten Tag fand ein Symposium mit vier Fachvorträgen statt. Dabei ging es unter anderem um die Besonderheiten der Arzneimittelversorgung in der Palliativmedizin oder die Rolle des Apothekers bei der künstlichen Ernährung im Krankenhaus.
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