Foto: mindscanner – Fotolia.com

Apotheken-EDV

Digitale Betriebsprüfung

Was darf der Fiskus?

Seit einiger Zeit scheint es ruhiger um das Thema „Digitale Betriebsprüfung“ zu werden, doch dieser Eindruck täuscht. Nach wie vor ist es für viele Apotheker sehr aufwendig, Sachverhalte, die teilweise mehrere Jahre zurückliegen, der Finanzverwaltung plausibel zu erläutern. Während die Finanzverwaltung die Zahlen der Finanzbuchhaltung früher lediglich mit den Originalbelegen abglich, vergleicht sie diese mittlerweile auch mit den Daten des Warenwirtschaftssystems.

Von Stefan Kurth

Diese stellen zwar die vollständige Aufzeichnung der Einnahmen sicher; Stückelungs- und Substitutionsproblematiken, Retouren, Retaxationen oder Stornos dagegen wurden von ihnen teilweise nur unvollständig dokumentiert, da dies weder ihrem ursprünglichen Anforderungsprofil noch dem Verständnis der jetzigen Rechtslage entsprach.

Die sich daraus ergebenden, „typischen“ Inkongruenzen im Arbeitsablauf einer Apotheke führen in der Betriebsprüfung immer wieder zu Schwierigkeiten, vor allem, da nach wie vor umstritten ist, inwieweit die Finanzverwaltung überhaupt auf die Daten der Warenwirtschaft zugreifen darf. Im Gegensatz zur Finanzverwaltung ist der Autor dieses Beitrags der Auffassung, dass diese keine Ermächtigungsgrundlage für den Zugriff auf einzelne Kassenvorgänge besitzt. Auch nach der Einführung der digitalen Betriebsprüfung gibt es kein umfassendes Datenzugriffsrecht – im Gegenteil: Entsprechend der grundlegenden Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) aus dem Jahr 2009 setzt jedes Datenzugriffsrecht eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht voraus. Diese existiert jedoch im Einzelhandel nicht; sie wurde vom Gesetzgeber lediglich für den Warenausgang des Großhandels gesetzlich verankert. Allein aus der Tatsache, dass die entsprechenden Daten in einem Warenwirtschaftssystem aufgezeichnet werden, kann die Finanzverwaltung also nicht das Recht ableiten, auf diese Daten auch zuzugreifen.

Zwischenzeitlich liegen zu diesem Streitpunkt mehrere gerichtliche Entscheidungen vor. Während die Finanzgerichte in Kassel und in Münster sich eindeutig der eben beschriebenen Berater-Auffassung anschlossen, stärkte das Finanzgericht in Sachsen-Anhalt der Finanzverwaltung den Rücken. Das letzte Wort in dieser Frage wird wohl der BFH haben, an den sich beide Seiten zur Klärung gewandt haben.

Offene Rechtslage

Die Finanzverwaltung handhabt die weiterhin offene Rechtslage sehr unterschiedlich. Während sie in einzelnen Bundesländern (im Falle eines entsprechenden Einspruches) auf die Vorlage der Kasseneinzelzeile verzichtet, versucht sie in anderen Bundesländern, Einspruchsverfahren nach Möglichkeit gar nicht erst zu bearbeiten – offensichtlich in der Hoffnung, dass ihr der BFH rechtzeitig zu Hilfe eilt. In wieder anderen Ländern werden die gegen die Finanzverwaltung ergangenen Urteile vollständig ignoriert und dabei weitere Klageverfahren in Kauf genommen. In diesen Fällen empfiehlt der Autor, die Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfung zu einer Entscheidung zu zwingen und gegebenenfalls sogar ein Klageverfahren anzustreben.

Trotz einer aus Sicht des Autors positiven Entscheidung des BFH ist langfristig damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber einen vollständigen Datenzugriff gewährleistet. Es sei daher betont, dass der derzeitige Rechtsstreit die Finanzverwaltung keineswegs an der Erfüllung ihrer Aufgabe hindert, sondern vor allem die Rechtsstaatlichkeit ihres Handelns sicherstellen soll. Dieses setzt jedoch im Verhältnis zum Steuerbürger eine Ermächtigungsgrundlage voraus, die aktuell (noch) nicht gegeben ist.

Zukünftig ist es erforderlich, dass der Datenaustausch zwischen Warenwirtschaft, Steuerberater und Rechenzentrum so erfolgt, dass Inkongruenzen bereits im Zeitpunkt des Entstehens geklärt werden können. Dafür müssen jedoch auch die Anbieter ihre Warenwirtschaftssysteme so weiterentwickeln können, dass sie die Anforderungen an ein Buchhaltungssystem vollständig erfüllen. Dies ist aufgrund der Komplexität apothekenspezifischer Warenwirtschaftssysteme und der Vielzahl krankenkassenspezifischer Abgabe- und Abrechnungsbestimmungen allerdings nur sukzessive möglich. Bis dahin gilt es zu verhindern, dass eine ganze Branche unberechtigt in Misskredit gebracht wird. 

Autor

Stefan Kurth, Steuerberater und Rechtsanwalt, Geschäftsführer Schneider + Partner GmbH

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.