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Die „letzte Meile“ der Arzneitherapie

Pharmakovigilanztag und GAA-Jahrestagung

cae | Die 21. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) fand am 20. und 21. November gemeinsam mit dem 9. Pharmakovigilanztag im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn statt.

Einleitend forderte Prof. Dr. Jörg Hasford, Universität München, die Pharmakovigilanz und die Versorgungsforschung miteinander zu verknüpfen. Denn zur Risikoabschätzung von Arzneimitteln müsse man nicht nur ihre Nebenwirkungen kennen, sondern auch wissen, wie mit ihnen „auf der letzten Meile“ umgegangen wird. Man benötige mehr und bessere Daten zur Arzneimittelanwendung. Seiner Meinung nach sollten Risk-Management-Maßnahmen und Kosten-Nutzen-Bewertungen kombiniert werden, um die Therapiesicherheit zu erhöhen.

Pharmakotherapie bei Kindern

PD Dr. A. Neubert, Erlangen, berichtete über eine Untersuchung zum Off-label-use von Arzneimitteln in der Pädiatrie. Demnach ist die Unterdosierung die häufigste Form des Off-label-use bei Kindern. Zudem kommt er in Städten (im Vergleich zu ländlichen Gebieten), in Familien ohne Migrationshintergrund und in Familien mit einem höheren sozialen Status häufiger vor. Eine mögliche Erklärung sei, dass die Eltern aus Angst vor Nebenwirkungen die Dosierung eigenmächtig reduzieren.

Über Medikationsfehler in der stationären Pädiatrie berichtete Dr. I. Toni, Erlangen, anhand einer prospektiven Kohortenstudie. Dabei traten die meisten Probleme bei der Verschreibung und der Dokumentation auf. Dr. S. Botzenhardt, Erlangen, verglich in einer internationalen Studie die Arzneimitteltherapien von stationär behandelten Kindern und Jugendlichen und fand bei vergleichbaren Indikationen erhebliche Unterschiede bei der Auswahl und Dosierung der Arzneimittel.

Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)

Die Marktrücknahme eines Arzneimittels wegen Sicherheitsbedenken macht die Therapie nicht immer risikoärmer, so PD Dr. F. Hoffmann aus Bremen. Denn danach wird die Pharmakotherapie oft beendet, weil keine geeigneten Medikamente mehr zur Verfügung stehen. Ob dies risikoärmer und patientenfreundlicher ist, sei fraglich. Zur genaueren Bewertung reichen aber die Daten in Deutschland noch nicht aus.

Prof. Dr. Martin Schulz vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) in Berlin plädierte für den einheitlichen Medikationsplan, der im Rahmen des AMTS-Aktionsplans des Bundesgesundheitsministeriums erarbeitet wurde und die Gesamtmedikation eines Patienten transparent macht. Derzeit kennen die behandelnden Ärzten oftmals weder die Verordnungen ihrer Kollegen noch die Selbstmedikation des Patienten. Umso wichtiger sei es, den einheitlichen Medikationsplan in allen Praxen, Apotheken und Krankenhäusern zu etablieren.

Seit 2007 sind Apotheken dazu verpflichtet, zulasten der GKV Arzneimittel abzugeben, für die ein Rabattvertrag zwischen der Krankenkasse und dem Arzneimittelhersteller geschlossen wurde. Nur bei „pharmazeutischen Bedenken“, z.B. wenn die Compliance und die Therapiesicherheit gefährdet sind, können die Apotheker ein anderes, gleichwertiges Arzneimittel abgeben. Sie machen allerdings nur in sehr geringem Maße davon Gebrauch, wie Dr. E.-M. Krieg vom DAPI in einer Untersuchung feststellte.

Statistische Untersuchungen haben gezeigt, dass Dosierungsfehler für die meisten unerwünschten Arzneimittelereignisse verantwortlich sind. Dr. C. Kayser vom BfArM nannte als häufigste Gründe für Fehldosierungen: unterschiedliche Tropfengrößen, Umstellung der Dosierhilfen und Präparatewechsel aufgrund der Rabattverträge.

Dr. I. Langner vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) in Berlin hat schwerwiegende Arzneimittelinteraktionen, die zu Krankenhauseinweisungen führen können, analysiert. Die Auswertung der entsprechenden Rezeptdaten ergab u.a., dass 80 Prozent der potenziell interagierenden Arzneimittel vom selben Arzt verordnet worden waren, d.h. dass die Verordner die möglichen Interaktionen nicht kannten oder ignorierten.

Dr. A. Reichel von der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf befasste sich mit der stark gestiegenen Verordnung von DPP-4-Inhibitoren zur oralen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2. Anhand von Rezeptdaten konnte sie nachweisen, dass die Behandlung mit DPP-4-Inhibitoren bei jedem vierten Patienten unangemessen war.

Posterpreise

In einer Poster Session wurden weitere Forschungsprojekte zur Diskussion gestellt. Die GAA vergab drei Preise an die Autoren der besten Poster:

1. Preis: Geier AS, et al: Einfluss von Metformin auf das Risiko maligner Tumorerkrankungen: Ergebnisse einer gematchten Kohortenstudie.

2. Preis: Müller I, et al: Selbst berichtete Nebenwirkungen von Patienten mit Polypharmazie.

3. Preis: von Büdingen F, et al: Absetzen, hinzufügen oder ändern? Dynamik medikamentöser Verordnungen bei älteren multimorbiden Patienten mit Multimedikation in der Hausarztpraxis.

Die Abstracts aller Beiträge der 21. GAA-Jahrestagung finden sich auf der Website German Medical Science: www.egms.de

 

Quelle: Rebecca Schottes, Brühl

 

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