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Pharmazierat ante portas

Wie Sie sich auf einen Revisionsbesuch vorbereiten können

In wenigen Wochen ist es wieder so weit: Anfang des Jahres flattert zahlreichen Apotheken ein Schreiben ihres zuständigen Pharmazierats ins Haus, in dem er seinen Besuch für 2015 ankündigt. Selbst die gewissenhaftesten Apothekenleiter sehen diesen regelmäßigen Revisionsbesuchen mit gespannter Erwartung entgegen. Denn angesichts der Fülle von Rechtsvorschriften, die den Apothekenbetrieb hierzulande reglementieren, bleibt eine gewisse Restunsicherheit, ob es tatsächlich gelungen ist, alle einschlägigen Regularien im Auge zu behalten. Zur Vorbereitung der Pharmazieratsvisite empfiehlt sich daher die Durchführung einer Selbstinspektion, die (unter anderem) die nachfolgenden Aspekte berücksichtigen sollte. | Von Andreas S. Ziegler

Wenn der Pharmazierat kommt

... dürfte selbst den gewissenhaftesten Apotheker ein mulmiges Gefühl beschleichen. Bei der Unzahl an Gesetzen, Verordnungen und anderen Regeln in der Apotheke nicht verwunderlich.

Wie Sie sich auf eine angekündigte Revision vorbereiten können, haben wir in diesem Artikel für Sie zusammengefasst.

Wir haben mit dem „obersten Pharmazierat“ Dr. Christian Bauer über die Arbeit der Pharmazieräte und die aktuellen Entwicklungen bei den Revisionen gesprochen (S. 52).

Eine Übersicht über die gesetzlichen Grundlagen der Apothekenüberwachung und ihre föderalen Varianten finden Sie auf S. 58.

Personal

Nach § 3 ApBetrO darf das Apothekenpersonal nur entsprechend seiner Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten eingesetzt werden. Dabei ist selbstverständlich die ständige Präsenz eines Apothekers zu gewährleisten. Die Abwesenheit von approbiertem Personal bei laufendem Apothekenbetrieb wird als Ordnungswidrigkeit konsequent verfolgt. Ferner muss die schriftliche Erteilung einer Abzeichnungsbefugnis für PTAs sowie einer Informations- und Beratungsbefugnis für das gesamte pharmazeutische Personal (außer Apotheker) vorliegen. Auch die Nachweise über die regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich müssen erbracht sein. Grundsätzlich hat der Apothekenleiter in seiner Entscheidung, wie viel pharmazeutisches und nicht-pharmazeutisches Personal er in seiner Apotheke beschäftigt, einen gewissen Gestaltungsspielraum. Allerdings geht die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) in ihrer Resolution von 2011 davon aus, dass das Verhältnis Apotheker zu pharmazeutischem Personal mindestens 1 : 3 betragen soll, um jederzeit eine ausreichende Aufsicht des pharmazeutischen Personals zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte das Verhältnis von pharmazeutischem zu nichtpharmazeutischem Personal zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Apothekenbetriebs aus Sicht der Pharmazieräte mindestens 1 : 1 betragen.

Ausstattung

Nach dem Wegfall konkreter Forderungen durch die Apothekenbetriebsordnung obliegt die Auswahl der notwendigen Ausrüstungsgegenstände der Apothekenleitung. Insbesondere Prüfmittel und Prüfgeräte sind entsprechend Art und Umfang der in der Apotheke konkret durchzuführenden Ausgangsstoffprüfungen anzupassen. Hierbei ist darauf zu achten, dass eichpflichtige Geräte regelmäßig (nach-)geeicht werden. Laut § 4 Abs. 7 ApBetrO muss die Apotheke mit allen notwendigen Geräten ausgestattet sein, die für die Herstellung von Lösungen, Emulsionen, Suspensionen, Salben, Cremes, Gelen, Pasten, Kapseln, Pulver, Drogenmischungen sowie Zäpfchen und Ovula notwendig sind. Die Herstellung steriler Arzneimittel muss möglich sein, soweit es sich nicht um Arzneimittel zur parenteralen Anwendung handelt. Eine Liste zusätzlich empfohlener Geräte ist einer kürzlich veröffentlichten APD-Resolution zu entnehmen (s. DAZ 2014, Nr. 47, S. 11 ff). Im Rahmen der Revision ebenfalls überprüft wird, ob die notwendige wissenschaftliche Literatur in der jeweils aktuellen Version vorhanden ist. Hierzu zählen laut APD-Vorsitzendem Christian Bauer neben EuAB, DAB, HAB und DAC/NRF z.B. auch Normdosen, pädiatrische Dosistabellen, ABDA- Datenbank und Arzneimittelwirkungen.

Folgende Dokumente sollten für den Revisionsbesuch bereitgehalten werden:

  • Plan der Apotheke mit Angabe der Größe der Räume und Gesamtfläche, Größe des Labors, Offizin, Notdienstzimmer
  • Dokumentation der Temperaturen im Lagerbereich (auch Offizin, <25 °C) und Kühlschrank (2–8 °C) mit Min/Max-Thermometer
  • Berufsgenossenschaft: die aktuelle Kundennummer und – soweit vergeben – die Betriebsstättennummer
  • Personalliste aller Mitarbeiter mit Angabe der Berufsbezeichnung und der Stundenzahl
  • ggf. Heimversorgung: Erlaubnis und Protokolle der Überwachung der AM-Vorräte (halbjährliche Überprüfung), Protokolle von Unterweisungen des Heimpersonals und Infos an die Heimbewohner (jährlich).
  • ggf. Unterlagen für den Versandhandel
  • Dokumentation gemäß Transfusionsgesetz
  • Medizinproduktebuch
  • Ersthelferausbildungsnachweise (Kurswiederholung alle zwei Jahre!)
  • Importarzneimittelkartei
  • Neues Gefahrstoffrecht! Alle Gefahrstoffe müssen entsprechend den Regeln der neuen GHS-Verordnung gekennzeichnet werden. Hierfür gibt es keine Übergangsfrist mehr.
  • Nachweise der Gefährdungsbeurteilungen (nach § 7 GefStoffV) und Mitarbeiterunterweisungen
  • Hygiene- und Reinigungspläne
  • Dokumentation für die Rezeptur-/Defekturherstellung
  • Nachweis über die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung

Rezeptur und Labor

Über die Notwendigkeit einer dreiseitig raumhohen Abtrennung der Rezeptur, wurde im Zusammenhang mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung umfassend in den Fachmedien berichtet (vgl. DAZ 2012, Nr. 14, S. 24). Gleiches gilt für den separaten Teeabfüllplatz, der unabhängig vom tatsächlichen Bedarf einzurichten ist. Dementsprechend erwarten die Pharmazieräte, dass diese Regelungen mittlerweile in den Apotheken umgesetzt sind. Im Rahmen der vorbereitenden Selbstinspektion sollte insbesondere überprüft werden, ob überlagerte und obsolete Drogen, Ausgangsstoffe und Reagenzien aussortiert und ordnungsgemäß entsorgt wurden. Die verkehrsfähigen Drogen und Ausgangsstoffe müssen mit Charge und Verfalldatum gekennzeichnet und ihre Qualität belegt sein (Zertifikat des Lieferanten und Eingangsprüfung). Ferner müssen alle Gefahrstoffe entsprechend den Regeln der neuen GHS-Verordnung gekennzeichnet sein, die diesbezüglich geltende Übergangsfrist ist abgelaufen.

Prüfungs- und Herstellungsprotokolle

Während die Protokollierung der Ausgangsstoffprüfung bereits seit Langem etabliert ist, kamen durch die ApBetrO-Novelle 2012 mit der Herstelldokumentation für Rezepturarzneimittel neue Aufzeichnungspflichten hinzu. Hier ist damit zu rechnen, dass der Pharmazierat nicht nur deren bloßes Vorhandensein, sondern auch ihre Konsistenz und Stringenz überprüft: Enthalten die Dokumente alle Pflichtangaben nach ApBetrO? Bezieht sich das Herstellungsprotokoll auf eine inhaltlich dazu passende Plausibilitätsprüfung? War die Identität aller Ausgangsstoffe zum Zeitpunkt ihrer Verarbeitung geprüft? Sind die dokumentierten Einwaagen plausibel und realistisch oder entsprechen alle Ist-Einwaagen bis zur vierten Nachkommastelle exakt den Solleinwaagen? Liegen für Defekturen zubereitungsspezifische Herstellungs- und Prüfanweisungen vor?

Auf einen wichtigen Aspekt sei noch gesondert hingewiesen: Die Freigabeunterschrift auf dem Herstellungsprotokoll ist gem. § 7 Abs. 1c ApBetrO die zwingende Voraussetzung für die Abgabe eines Rezepturarzneimittels. Es wird daher dringend davon abgeraten, die Herstellungsprotokolle eines Tages zu sammeln und am Abend auf einmal zu unterschreiben. Denn sollte eine, zu einem noch nicht unterschriebenen Herstellungsprotokoll gehörende Rezeptur dem Patienten bereits ausgehändigt worden sein, kann die Apotheke durchaus in Schwierigkeiten geraten.

Sonstige Dokumentation

Neben der Prüf- und Herstelldokumentation enthält die ApBetrO u.a. Vorgaben zur Dokumentation von Importarzneimitteln (§ 18 ApBetrO), Tierarzneimitteln (§ 19 ApBetrO) sowie zu den Verbleibnachweisen für Sera und Impfstoffe sowie Thalidomid, Pomalidomid und Lenalidomid (§ 17 ApBetrO). Darüber hinaus existiert noch eine Reihe spezialgesetzlich geregelter Vorschriften, die von der Apotheke ebenso zu beachten sind, wie beispielsweise die Abgabe von Gefahrstoffen nach der ChemVerbotsV, die Abgabe von Betäubungsmitteln nach der BtMVV oder die Anzeige über die Nutzung von Standardzulassungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Eine Übersicht aller pharmazeutischen Dokumentationspflichten findet sich in Mielke: Revision – Unterlagen zur Inspektion (s. Kasten Literatur-Tipps). Hinsichtlich der Arzneimittelrisiken bzw. der Behandlung nicht verkehrsfähiger Arzneimittel können auch die Aufzeichnung der veranlassten Überprüfungen, Maßnahmen und Benachrichtigungen (Rote-Hand-Briefe, AMK-Meldungen) kontrolliert werden.

Literaturtipps

Mielke, Revision - Unterlagen zur Inspektion. 62 S. Loseblatt, Euro 32,80. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart

Spegg/Schmidt, Apothekenbesichtigung. 511 S. Loseblatt, Euro 48,00. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart

Behrens, QM Basic

Behrens, QM in der Apotheke,

Dokumentations-System in der Apotheke

Haffner u.a., Normdosen

Scholz/Hörath, Gefahrstoffverzeichnis

Wessinger/Mecking, Vademecum

Ziegler, Arbeitshilfen Defektur

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Organisation

Die Überprüfung der Apothekenorganisation betrifft in erster Linie das QM-Handbuch nach § 2a ApBetrO (die entsprechende Übergangsfrist ist im Juni 2014 abgelaufen!) sowie den Hygieneplan nach § 4a ApBetrO. Sie umfasst jeweils Umfang und Umsetzung (siehe Tabelle).

Zur Apothekenorganisation im weiteren Sinne gehören auch die Vorratshaltung und Lagerung. Insbesondere ist die Einhaltung der vorgeschriebenen Lagertemperaturen (Raumtemperatur konstant < 25 °C bzw. Kühlschranktemperatur 2–8 °C) durch entsprechende Aufzeichnungen nachzuweisen. Das Notfalldepot muss vollständig sein (Liste vgl. § 15 ApBetrO) und Betäubungsmittel sicher verwahrt werden (nicht im Kommissionier-Automaten). Nicht verkehrsfähige Arzneimittel sind unverzüglich auszusondern.

Pharmazierat als Ratgeber

Zu erwarten, dass der Besuch des Pharmazierats Vorfreude auslöst, wäre wohl übertrieben, dennoch ist die Revision auch eine Chance, den eigenen Apothekenbetrieb mal wieder grundlegend zu durchleuchten und über die Zeit eingefahrene Prozesse kritisch zu hinterfragen. Davon profitiert Ihr eigener Betrieb und der Pharmazierat unterstützt Sie dabei. Denn mehr noch als Überwacher verstehen sich die Pharmazieräte als kollegiale Ratgeber. Nutzen Sie diese Gelegenheit, nehmen Sie bei Problemen oder Fragen frühzeitig Kontakt zu Ihrem Pharmazierat auf und lassen Sie sich beraten. Vieles lässt sich im Vorfeld klären und Sie können dem nächsten Revisionsbesuch gelassen entgegenblicken!

Autor

Dr. Andreas S. Ziegler ist DAZ-Redakteur, Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie und Lehrbeauftragter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist ein ausgewiesener Experte für die Apothekenbetriebsordnung sowie die Rezeptur- und Defekturherstellung in der Apotheke

E-Mail: aziegler@dav-medien.de

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