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Abschied von Davos

Wehmütige Stimmung und interessante Vorträge beim 44. Winter-Pharmacon

DAVOS (jb/wes) | Seit 1971 gibt es den „Winter-Pharmacon“, die internationale Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer, als Pendant zur Sommer-Fortbildung im Südtiroler Meran. Und seit 1971 fand sie im Schweizer Ski- und Luftkurort Davos statt. Fand – denn der 45. Winterkongress wird in Schladming in der Steiermark stattfinden. Und so lag ein Hauch von Wehmut über der diesjährigen Veranstaltung.
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Das wissenschaftliche Programm widmete sich in diesem Jahr unter der Überschrift „Der junge und der alte Patient“ den beiden Lebensabschnitten ganz am Anfang und am Ende des Lebens.

So begann der Kongress unter der Moderation von Frau Prof. Ulrike Holzgrabe mit dem allerersten Teil des menschlichen Lebens, der Zeit im Mutterleib. Prof. Dr. Holger Stepan erklärte, welch immense Verantwortung die Mutter bereits während der Schwangerschaft für die spätere Gesundheit oder Krankheit des Kindes trägt.

„Wer ist schuld an der Generation Mops?“

So führt sowohl Mangel- als auch Überernährung zu unphysiologischen Veränderungen des intrauterinen Milieus. In der Annahme, dass die Ernährungssituation nach der Geburt so fortbesteht, kommt es zu einer Umprogrammierung des gesamten Stoffwechsels. Dabei wird die Aktivität einzelner Gene verändert. Obwohl das Genom an sich dabei unverändert bleibt, gibt es Hinweise, dass diese Veränderungen über mehrere Generationen bestehen bleiben. Diese primär zum Überleben notwendige Maßnahme wird dann zum Problem, wenn sich die Ernährungssituation nach der Geburt normalisiert. Das geänderte Programm läuft weiter ab. Daraus resultiert eine erhöhte Disposition für bestimmte Krankheiten und Übergewicht im Verlauf des weiteren Lebens.

Welche schweren Folgen das hat, zeigt Prof. Martin Wabitsch vom Kompetenznetz Adipositas. Aufgrund der irreversiblen Fehlprogrammierung des Stoffwechsels seien 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die sich therapeutischen Maßnahmen zur Bekämpfung ihres Übergewichts unterziehen, therapieresistent.

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Hochmotiviert sich fortzubilden: Die Vorträge waren zu jeder Tageszeit und bei schönstem Wetter gut besucht.

Kinder sind eine inhomogene Gruppe

Daher sei allgemeines Umdenken dahingehend gefordert, dass diese Kinder nicht selbst schuld an ihrer Körperfülle sind und es eben mit gesunder Ernährung und ein bisschen mehr Bewegung nicht in jedem Fall getan ist. Die Gesellschaft sei gefordert, einen Weg zu finden, mit den übergewichtigen und adipösen Jugendlichen und Kindern umzugehen. Als Stichworte fielen „ein faires Umfeld“ ohne Diskriminierung und Ausgrenzung, sowie dass für diese Jugendlichen Zukunftsperspektiven zu schaffen seien, beispielsweise geeignete Ausbildungsplätze. Da man aber mittlerweile wisse, wann und wo die Weichen für spätere Gewichtsprobleme gestellt werden, komme die größte Bedeutung der Prävention zu.

Ein weiteres Thema waren die Schwierigkeiten, die eine Arzneimitteltherapie bei Kindern mit sich bringt. So sind Kinder eine extrem inhomogene Gruppe, die von Frühgeborenen bis zu Jugendlichen reicht. Sie unterscheiden sich nicht nur in offensichtlichen Punkten wie Körpergröße und Gewicht, auch Parameter wie Ausscheidung, Enzymaktivität und Resorption sind anders als bei Erwachsenen und unterliegen im Laufe der ersten Lebensmonate und –jahre großen Veränderungen. Die richtige Dosis des richtigen Wirkstoffs zu ermitteln stellt daher eine Herausforderung dar. In der Praxis sind häufige Fehldosierungen die Folge. Die Tatsache, dass bei vielen Wirkstoffen weder Studien noch Zulassung für die pädiatrische Anwendung vorliegen – 40 Prozent aller Arzneimittel-Anwendungen im Kindesalter sind „off label“ – erleichtert die Sache nicht. Mit diesen Problemen sind sämtliche pädiatrischen Fachdisziplinen konfrontiert. Näher eingegangen wurde auf die Schmerztherapie, die Antibiotikatherapie sowie die Kinderdermatologie.

Herausforderung Pharmakotherapie im Alter

Im zweiten Teil des Kongresses, moderiert von Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, drehte sich alles um die Pharmakotherapie des älteren Menschen. Prof. Dr. Roland Hardt aus Mainz beleuchtete die Probleme der Polymedikation im Alter aus ärztlicher Sicht, wo die veränderte Pharmakodynamik und -kinetik sowie die Gefahr von Interaktionen durch die Einnahme mehrerer Präparate zu berücksichtigen sind. Daher sieht Dr. Hildtrud von der Gathen die Arzneimitteltherapiesicherheit als eine der großen demografischen und politischen Herausforderungen und gab praktische Tipps wie sich Apotheker hier als „Anwalt des Arzneimittels“ einbringen können. Eine Brücke zum ersten Teil schlug Dr. Wolfgang Kircher aus Peißenberg mit der Aussage, dass Kleinkinder und ältere Menschen die vergleichbare feinmotorische Fähigkeiten hätten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Folglich könne ein alter Patient gar nicht in der Lage sein, eine kindergesicherte Verpackung zu öffnen, vor allem nicht, wenn zusätzlich zu feinmotorischen Einschränkungen visuelle und kognitive kommen. In bekannter Manier gab er praxisnahe Tipps, wie Apotheker anwendungsbezogene Probleme verschiedener Arzneiformen lösen können. Weitere Vorträge thematisierten die Pharmakotherapie von Erkrankungen, die typischerweise in höherem Lebensalter auftreten – Morbus Parkinson, Osteoporose, Demenz sowie Zustände, die eine Therapie mit oralen Antikoagulanzien erfordern – und die damit verbundenen Herausforderungen. Der Kreis vom Anfang des Lebens bis hin zum Tod schloss sich dann mit einem Vortrag von Dr. Birgitt van Ooorschot aus Würzburg über das Wesen der modernen Palliativmedizin und den Wandel, der sich in den letzten Jahrzehnten in dieser Fachdisziplin vollzogen hat.

Nach einer spannenden Woche, die sich der medizinischen und pharmazeutischen Praxis des Alterns gewidmet hatte und in der mehrfach von den Medizinern unter den Referenten der zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter gut gefüllte Saal lobend erwähnt wurde – das würden sie von ihren Kollegen anders kennen – gab der letzte Vortrag des Pharmacon noch Einblicke aus der biomedizinischen Altersforschung: Unter dem Titel „Was bedeutet eigentlich Altern?“ ging es um die molekularen Mechanismen des Älterwerdens.

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Wohin soll die Reise für die Apotheker gehen? BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer (2. v. l.), der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer Mag. Max Wellan (3. v. l.) und Dominique Jordan (r.), Präsident des Apothekerverbands PharmaSuisse.

Grenzüberschreitende Zukunftsdiskussion

Neben der Wissenschaft hat die „berufspolitische Veranstaltung“ einen festen Platz im Pharmacon-Ablauf: Donnerstagnachmittag, anstelle der Vorträge, werden berufs- und standespolitische Fragen behandelt. Bisher konnten die Teilnehmer im Vorfeld ihre Fragen schriftlich einreichen, Vertreter der Bundesapothekerkammer (BAK) und der ABDA antworteten. Doch dieses Jahr wurde dieses jahrelang eingeübte Muster durchbrochen. Zeit und Ort blieben gleich, aber der Ablauf war völlig anders: BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer diskutierte mit seinem österreichischen Amtskollegen Mag. Max Wellan und dem Schweizer „Apotheker-Präsident“ Dominique Jordan über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Apothekenwesen der drei Nachbarländer – und darüber, wohin die Reise für die Apotheker gehen soll (siehe auch AZ 2014, Nr. 7).

Dabei könnte die Ausgangslage kaum unterschiedlicher sein: Während Österreich generell ein stark reguliertes Gesundheitssystem hat, in dem es keine Niederlassungsfreiheit gibt, dafür ein Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel, ist das Gesundheitswesen in der Schweiz weitgehend dereguliert. Die Apotheker sehen sich hier mit Fremdbesitz, Apothekenketten, Arzneimittelversand und dispensierenden Ärzten konfrontiert. Das zwinge die Apotheker dazu, um ihren Platz im Gesundheitswesen zu kämpfen, sagte Jordan. Das täten sie auf den drei Gebieten Gesundheitsvorsorge (hier wollen die Schweizer Apotheker beispielsweise Impfungen anbieten), Akutversorgung (bei der die Apotheker mehr Verantwortung bei der Erstmedikation übernehmen wollen) und der Versorgung chronischer Patienten (wo es bereits seit einigen Jahren einen Polymedikations-Check gibt, den die Apotheker honoriert bekommen). Bereits 2001 sei die Abgeltung von Beratungs- und Dienstleistungen neben die traditionelle Honorierung aus der Marge der Arzneimittel getreten.

Ganz anders sehe das in Österreich aus, wo das Selbstverständnis der Apotheker als Freier Beruf sehr stark ausgeprägt sei, sagte Wellan. Es gebe auch wenige Tendenzen zu einer Deregulierung – mit Ausnahme einiger unverbesserlicher Gesundheitsökonomen. Von diesen lasse er sich aber keine Leitbild-Diskussion aufdrängen, so Wellan. Ökonomen mögen zwar etwas von Preisen verstehen, aber sicher nicht von Werten, betonte er.Einig waren sich die drei Präsidenten darin, dass die Apotheken neue Angebote und Dienstleistungen einführen müssen – und dass diese gesondert honoriert werden müssen. Wellan und Jordan gaben zu bedenken, dass dies einen Paradigmenwechsel darstelle, an den sich Patienten wie Apotheker gewöhnen müssen. In der Schweiz habe es durchaus einige Zeit gekostet, bis die Apotheker bereit waren, bestimmte Beratungsleistungen, die bisher mit der Handelsspanne der Arzneimittel abgegolten waren, nun in Rechnung zu stellen. Die sinkenden Margen hätten sie aber letzten Endes dazu gezwungen, so Jordan. Und diese sinkenden Margen seien ein europaweites Problem.

Differenzen gab es darüber, ob neue Dienstleistungen immer von allen Apotheken angeboten werden müssen. Für Dominique Jordan ist das utopisch. Jedes neue Serviceangebot setze neue Kompetenzen voraus – es sei unmöglich, dass alle Apotheker alle diese Kompetenzen erwerben. Er verglich diese Entwicklung mit der Entstehung der Fachärzte in der Medizin.

In diesem Punkt widersprach ihm Kiefer. Er wolle an dem heutigen Grundsatz festhalten, dass jeder Patient in jeder Apotheke gleich behandelt wird. Die Menschen müssten sicher sein, dass ihnen in jeder Apotheke geholfen werden könne.

Dieser Grundsatz gelte in Österreich genauso, sagte Wellan, auch wenn sich das langsam ändere. In Zukunft müsse nicht mehr jede Apotheke alles können. Beispielsweise werde die Einführung des Medikationsmanagements in Österreich an eine Zusatzausbildung des Apothekers gekoppelt.

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„Danke Davos – Servus Schladming“

Ein großes Thema dieses Pharmacons war der bevorstehende Umzug nach Schladming. „Danke Davos – Servus Schladming“ stand auf großen Postern, die vor dem Vortragssaal aufgestellt waren, der neue Veranstaltungsort stellte sich in einem Werbefilm vor, auch Vertreter des Ortes waren extra nach Davos gereist, um für Schladming zu werben.

Gerüchte, dass der Winter-Pharmacon von Davos weggehen könnte – oder sogar ganz eingestellt werden soll – hatte man am Rand der Veranstaltung in den vergangenen Jahren immer wieder gehört. Sinkende Teilnehmerzahlen, das stetig zunehmende Durchschnittsalter und das generell hohe Preisniveau des Schweizer Skiorts, in den vergangenen Jahren verbunden mit einem sehr ungünstigen Wechselkurs des Schweizer Franken, wurden und werden als Gründe gegen Davos angeführt. Beim Veranstalter, der BAK, und der Werbe- und Vertriebsgesellschaft der Deutschen Apotheker (WuV) ist man überzeugt, dass der Weggang von Davos nach über vier Jahrzehnten ein richtiger und notwendiger Schritt ist.

Geteilte Stimmung

Viele Apothekerinnen und Apotheker, darunter auch langjährige Davos-Teilnehmer, stimmen dem zu. „Höchste Zeit“ sei es für einen Umzug, sagte eine Teilnehmerin, ein anderer hofft, dass das günstigere Preisniveau in Österreich mehr junge Apotheker anlockt – vielleicht sogar mit der ganzen Familie. Davos sei ein „Reizwort“, heißt es, es signalisiere: Seht her, was die Apotheker sich leisten können.

Andere Teilnehmer sehen das ganz anders. Vor allem Schweizer Apotheker, die zahlreich am Davoser Pharmacon teilnahmen, schließen einen Besuch in Schladming aus. Zu weite Anfahrt, zu schlecht erreichbar, heißt es. Warum man nicht wenigstens nach Vorarlberg gegangen sei, fragt eine Schweizer Kollegin. „Ich will nicht nach Schladming!“ ruft eine andere empört. Aber auch deutsche Kollegen möchten nicht mit „umziehen“: „Dann machen wir nächstes Jahr eben Urlaub in Davos, statt zum Pharmacon zu fahren“, sagt ein Apotheker aus dem Rheinland. Andere machen sich Sorgen, was passiert, wenn der Umzug nicht wie erhofft zu einer Verjüngung des Publikums führt. „Dann sind die älteren Kollegen auch weg, weil sie nicht mit nach Schladming gegangen sind“, befürchtet eine Apothekerin, „aber zurück nach Davos kann man auch nicht, weil der ‚Slot‘ im Kongresszentrum weg ist – dann ist der Winter-Pharmacon tot.“

Um den Pharmacon attraktiv zu halten, auch für die Schweizer, und um zukünftig auch Österreicher nach Schladming zu locken, soll der Winter-Pharmacon zum „wissenschaftlichen Leitkongress“ ausgebaut werden, heißt es in einer in Davos verteilten Pressemitteilung. Dazu wollen Bundesapothekerkammer, Österreichische Apothekerkammer und der schweizerische Apothekerverband PharmaSuisse beim wissenschaftlichen Programm zusammenarbeiten und namhafte Referenten empfehlen.

Veranstalter des Kongresses bleibe aber die Bundesapothekerkammer, teilte ein WuV-Sprecher auf Nachfrage mit, die WuV werde weiterhin die Organisation und Durchführung übernehmen. Es sei auch nicht geplant, den Pharmacon mit dem Fortbildungskongress der österreichischen Apotheker, der ebenfalls in Schladming stattfindet, zusammenzulegen.

In den kommenden Wochen werden wir die wissenschaftlichen Highlights des Pharmacon-Kongresses in loser Folge in der DAZ vorstellen.

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