Pädiatrie

Austrocknen verhindern

Akute Durchfallerkrankungen im Kindesalter erfordern schnellen Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts

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Von Thomas Herdegen | Die akuten infektiösen Durchfallerkrankungen (Enteritis, Gastroenteritis) gehören zu den häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Die Anfragen der Eltern in der Apotheke erfordern oftmals schnelle Beratung, auch um die Zeit bis zu einer ärzt­lichen Hilfe zu überbrücken. Das wichtigste und vor­rangige Therapieziel ist der Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolytverlust durch eine hypotone orale Re­hydratationslösung (ORL) und eine frühzeitige normale Ernährung.

Die akute infektiöse Enteritis (Gastroenteritis) ist in Europa eine Erkrankung, die zwar im Gegensatz zu Entwicklungsländern nur sehr selten tödlich endet, aber zu häufigen ambulanten Arztbesuchen und stationären Krankenhausaufenthalten führt. Problematisch an dieser Erkrankung ist ein potenziell schwerer Verlauf, der eine Klinikeinweisung erforderlich machen kann, verbunden mit hohen Behandlungskosten auf der einen und einem erhöhten nosokomialen Infektionsrisiko auf der anderen Seite.

Die akute infektiöse Enteritis

Definiert ist die akute infektiöse Enteritis durch

  • die Abnahme der Stuhlkonsistenz (breiige oder sogar flüssige Stühle) und/oder
  • die Zunahme der Stuhlfrequenz mit mehr als drei Stühlen pro Tag.

Ursachen, Häufigkeit und Verlauf

Bei Kindern unter fünf Jahren sind knapp die Hälfte der akuten infektiösen Enteritis durch Rotaviren bedingt, 30% durch Noro- oder Adenoviren. Bei den restlichen 20% bzw. 5% sind bakterielle Erreger oder Parasiten nachweisbar.

Die akute infektiöse Enteritis ist sehr häufig. Im Durchschnitt ist ein Kind unter drei Jahren zweimal im Jahr von einer akuten infektiösen Enteritis betroffen, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat. Immerhin muss noch jedes sechste Kind im 4. und 5. Lebensjahr einmal pro Jahr ärztlich behandelt werden.

In den meisten Fällen klingen die Durchfälle innerhalb von sieben Tagen ab. Dauern sie länger als 14 Tage, handelt es sich um eine protrahierte Diarrhö.

Die Gefahren

Neugeborene und Säuglinge haben bezogen auf ihr Gewicht einen viel größeren Extrazellulärraum als Erwachsene (30% versus 20%), im Vergleich zum Plasmavolumen befindet sich zwei- bis dreimal soviel Flüssigkeit im Extrazellulärraum. Die relativen Flüssigkeitsverluste sind bei Kleinkindern größer (und entwickeln sich schneller) als beim Erwachsenen, weil bei Kindern

  • das Atemminutenvolumen (Flüssigkeitsverdunstung)
  • die Körperfläche im Vergleich zum Körpervolumen (Verlust durch Schwitzen und Fieber) und
  • die Stoffwechselrate

erhöht sind. Der Wasserumsatz ist bei Neugeborenen dreimal so hoch. Die tägliche Flüssigkeitszufuhr beträgt bei einem reifen Säugling 10 bis 15% seines Körpergewichtes, beim Erwachsenen nur noch 3 bis 5%.

Der Verlust an Flüssigkeit ist die zentrale Gefahr einer akuten infektiösen Enteritis. Je jünger das Kind, desto größer das Risiko einer Dehydratation. Bei Kleinkindern kann der Flüssigkeitsverlust durch Durchfall und Erbrechen das Dreifache des Blutvolumens betragen. Dabei wird Flüssigkeit aus dem Inter- und Intrazellulärraum in die Gefäße verschoben, es entwickelt sich eine Exsikkose.

! Mit einer frühzeitigen und ausreichenden oralen (!) Gabe einer Rehydratationslösung lassen sich in den allermeisten Fällen Komplikationen und die stationäre Einweisung vermeiden. Der Durchfall sollte dann nach zwei bis sieben Tagen aufhören, das Erbrechen sollte nach wenigen Stunden bis maximal zwei Tagen sistieren.

Klinische Symptomatik

Nach einer variablen Inkubationszeit von 24 Stunden und einer Woche entwickeln sich zumeist wässrige Durchfälle (nur gelegentlich Blutbeimengungen). Fieber und Erbrechen können eine akute infektiöse Enteritis begleiten oder ihr vorangehen, aber auch fehlen. Die entscheidenden kritischen Symptome hängen vom Ausmaß der Dehydratation ab, also vom Wasser- und Elektrolytverlust (Tab. 1). Gefürchtet sind

  • metabolische Azidose,
  • Hypoglykämie,
  • Bewusstseinsstrübung und Krämpfe,
  • Kreislaufschock und Nierenversagen.
    Dehydratation
    gering mittel schwere
    Gewichtsverlust < 3% 3 – 8% > 9%
    Allgemeinzustand gut, wach unruhig, müde apathisch, bewusstlos
    Durst normal durstig-gierig trinkt schlecht oder unfähig
    Herzfrequenz normal evtl. erhöht beschleunigt;bei Verschlechterung bradykard
    Atmung normal normal bis vertieft tiefe (Azidose-)Atmung
    Augen normal eingesunken tief eingesunken
    Tränen vorhanden vermindert keine
    Schleimhäute feucht trocken ausgetrocknet
    Hautfalten verstreichen sofort verstreichen langsam bleiben stehen
    Extremitäten normal warm kühl kalt und zyanotisch
    Urinproduktion normal bis vermindert vermindert minimal

Das Dehydratationsausmaß abschätzen. Die Inspektion, Gewichtsmessung und der Vergleich mit dem Normalzustand ermöglichen rasch eine Abschätzung der Situation. Hilfreich sind standardisierte Fragebögen, die von den Eltern leicht ausgefüllt werden können und auch relevante Parameter erfassen wie Medikamenteneinnahme, Auslandsaufenthalte oder generell Möglichkeiten einer infektiösen Exposition abfragen.

! Ein Erregernachweis im Stuhl oder gar Blutuntersuchungen sind meist nicht notwendig und werden nur durchgeführt, wenn das Ergebnis eine therapeutische Konsequenz hat.

! Der Nachweis von Viren beeinflusst nicht das therapeu­tische Vorgehen.

! Die Bestimmung von Elektrolyten ist ebenfalls in den meisten Fällen nutzlos, da sich an der Volumensubstitution nichts ändert.

Laboruntersuchungen sind jedoch angebracht bei persistierendem Durchfall, Frühgeborenen, Immunschwäche oder Blut im Stuhl.

Vorbeugung

Einige Maßnahmen beugen einer akuten infektiösen Enteritis vor.

Allgemeine Hygiene

wie Händewaschen nach dem Toilettengang oder Windelwechsel

Impfung gegen Rotaviren:

in den USA führte die Impfung seit 2006 zu einem dramatischen Rückgang der schweren Rotavirus-Infektionen. Trotz Diskussion um ein erhöhtes Darminvaginations-Risiko empfiehlt die STIKO weiterhin die Impfung (s. Kasten).

Diskussion um Rotavirus-Impfung: STIKO hält an Empfehlung fest, Frankreich nimmt sie zurück

In Frankreich hat der „Haut Conseil de la Santé Publique“ die Empfehlung zur Impfung gegen Rotavirus-Gastroenteritis im Rahmen der Grundimmunisierung von Kindern zurückgenommen. Hintergrund war das Bekanntwerden von zwei Todesfällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung. In einer Stellungnahme vom 12. Mai 2015 erklärte die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), dass sie an ihren Empfehlungen festhalte. In enger Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) überprüfe man fortlaufend die Sicherheitsaspekte. Sowohl die STIKO als auch das PEI weisen allerdings noch einmal auf die wichtigsten Inhalte der Empfehlung hin: Danach muss die Impfserie frühzeitig begonnen und rechtzeitig abgeschlossen werden. Wichtige Hintergrundinformationen gibt die im Folgenden auszugsweise wiedergegebene Stellungnahme des PEI vom 11. Mai 2015.

Darminvagination ist definiert als Einstülpung eines proximalen (oberen) in den distalen (unteren) Darmanteil. Zu den Risikofaktoren für das Auftreten einer Invagination gehören Virusinfektionen mit Vergrößerung der Peyer-Plaques, vermehrte Darmmotilität und anatomische Besonderheiten wie z. B. ein Meckel-Divertikel. Eine rasche Reposition durch den Arzt führt in der Mehrzahl der Fälle zur Heilung. Bei komplizierteren Verläufen kann eine Operation notwendig werden. Invagination ist eine insgesamt seltene Erkrankung, die insbesondere bei Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres vorkommt. Die Häufigkeit (Inzidenz) beträgt in Deutschland ca. 60 bis 100 Fälle auf 100.000 Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahres.

Erhöhtes Risiko vor allem nach der ersten Impfung?

Daten aus Beobachtungsstudien zur Sicherheit, die in mehreren Ländern durchgeführt wurden, zeigen, dass Rotavirus-Impfstoffe mit einem erhöhten Risiko für eine Invagination hauptsächlich innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung verbunden sind. In den USA und Australien wurden bis zu sechs zusätzliche Fälle pro 100.000 Säuglingen pro Jahr bei einer Hintergrundinzidenz von 33 bis 101 Fällen pro 100.000 Säuglingen (unter einem Alter von einem Jahr) pro Jahr beobachtet. Es gibt nur begrenzte Hinweise darauf, dass es ein gering erhöhtes Risiko nach der zweiten Dosis gibt. Es bleibt unklar, ob Rotavirus-Impfstoffe die Gesamtinzidenz der Invagination basierend auf längeren Nachbeobachtungszeiten beeinflussen.

Die Situation in Deutschland

In Deutschland wird die Rotavirus-Impfung seit August 2013 als Standardimpfung bei kleinen Kindern von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Dem Paul-Ehrlich-Institut sind bis heute aus Deutschland 82 Meldungen einer bestätigten Invagination in unterschiedlichem zeitlichem Zusammenhang mit einer Rotavirus-Impfung berichtet worden. In 68 Fällen konnte der Gesundheitszustand wiederhergestellt werden. Bei zwölf Kindern (neun männlich, drei weiblich) musste im Rahmen einer Operation eine partielle Darmresektion vorgenommen werden (ein Stück des Darms operativ entfernt werden). Bei fünf dieser Kinder lagen neben der vorausgegangenen Rotavirus-Impfung Risikofaktoren für eine Invagination vor: zweimal ein Meckel-Divertikel, einmal eine kongenitale mesenteriale Lücke, einmal ein Lymphom und einmal ein Tumor an der Bauhin’schen Klappe. Sieben Patienten entwickelten typische Zeichen und Symptome einer Invagination innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung, zwei Kinder zwischen dem 8. und dem 14. Tag nach der Impfung und je ein Kind 29, 37 und 48 Tage nach der Impfung.

In zwei weiteren Fällen war zum Zeitpunkt der Meldung der Gesundheitszustand noch nicht wiederhergestellt bzw. lagen keine Informationen über den Ausgang vor. Eine Invagination mit tödlichem Ausgang wurde nicht berichtet.

Risiko zwischen 6. und 12. Monat am größten

Die Häufigkeit von Invaginationen erreicht in einem Alter von 6,4 bis 12,5 Monaten einen Gipfel. Um das Risiko für eine Invagination gering zu halten, sollte daher das in den jeweiligen Fachinformationen empfohlene Alter für die Impfungen unbedingt eingehalten werden.

Für Rotarix®besteht die Grundimmunisierung aus zwei Dosen. Die erste Dosis kann ab einem Alter von sechs Wochen gegeben werden. Zwischen den einzelnen Dosen ist ein Zeitabstand von mindestens vier Wochen einzuhalten. Die Impfserie sollte vorzugsweise vor dem Alter von 16 Wochen verabreicht werden, muss aber auf jeden Fall bis zum Alter von 24 Wochen abgeschlossen sein.

Für Rotateq®besteht die Impfserie aus drei Dosen. Die erste Dosis kann ab Vollendung der 6. Lebenswoche, sollte jedoch nicht später als vor Vollendung der 12. Lebenswoche verabreicht werden. Ein Abstand von mindestens vier Wochen zwischen den einzelnen Dosen sollte eingehalten werden. Die Grundimmunisierung mit drei Dosen sollte vorzugsweise bis zur Vollendung der 20. bis 22. Lebenswoche abgeschlossen sein, jedoch nicht später als bis zur Vollendung der 32. Lebenswoche.

Darüber hinaus sollten Kinderärzte Eltern unbedingt darüber aufklären, dass eine Invagination im zeitlichen Zusammenhang mit einer Rotavirus-Impfung auftreten kann und wie man diese frühzeitig erkennt. Zu den Symptomen einer Invagination gehören krampfartige Bauchschmerzen, Nahrungsverweigerung, Erbrechen, ungewöhnliches Schreien und vor allem Absetzen von blutigem Stuhl. Schwere Verläufe können durch eine möglichst frühzeitige Behandlung vermieden werden.

Stillen.

Muttermilch schützt vor Infektionen, dies trifft auch für die akute infektiöse Enteritis zu.

Therapie

Die Ziele der Therapie sind

  • Regeneration der Enterozyten in der Darmwand,
  • Ersatz von Volumen und Elektrolyten sowie
  • Zufuhr von Nährstoffen.

Die akute infektiöse Enteritis ist in den meisten Fällen selbstlimitierend. Die symptomatische Behandlung beschleunigt diesen Gesundungsprozess bzw. verhindert die Progression von schweren Folgeschäden.

Leichte akute infektiöse Enteritis: ausreichende Flüssigkeitszufuhr durch Gabe der bisher üblichen Flüssigkeiten.

Mittelschwere akute infektiöse Enteritis: Gabe einer oralen Rehydratationslösung sowie anschließend eine altersgerechte Nahrung.

Basistherapie: die orale Rehydrierung

Nimmt ein Kind mehr als 3% seines Körpergewichtes ab, liegt eine mittelschwere Dehydratation vor (Tab. 1), die die Zufuhr einer ORL erfordert. Das Prinzip der oralen Rehydratation basiert auf der Funktion eines Co-Transporters von Natrium und Glucose in den Enterozyten. Dieser sGLT1-Transporter transportiert Natrium in Gegenwart von Glucose (oder Galactose) besser aus dem Darmlumen. Dabei folgt Wasser passiv dem Natrium. In den hypoosmolaren ORL ist das Verhältnis von Natrium und Glucose so optimiert, dass eine maximale Aufnahme von Natrium bzw. Wasser erreicht wird.

Berechnung der Menge. Die berechnete ORL-Flüssigkeitsmenge wird bei Kleinkindern über 3 bis 4 Stunden in kleinen Portionen gegeben. Das sind bei 3% oder 4% Verlust des Körpergewichtes 30 oder 40 ml pro kg Körpergewicht. Mit zunehmendem Alter (Schulkinder, Erwachsene) reichen kleinere Volumina pro kg KG.

! Beispiel: ein 10 kg schweres Kind dehydriert um 6%, es verliert also 600 ml. Diese werden über drei bzw. vier  Stunden mit je 200 ml bzw. 150 ml ORL pro Stunde ausgeglichen.

! Bei mehr als 90% der Kinder mit mittelschwerer Dehydratation kann eine orale Rehydratation erfolgreich durch­geführt werden.

! ORL enthalten ein optimales Verhältnis von Natrium und Zucker. Deshalb sollten ORL in Wasser gelöst und nicht mit Milch, Limonade, Cola oder Säften verabreicht werden.

Seit dem Jahr 2002 empfiehlt die WHO eine hypotone ORL, die maximal 75 mmol Natrium enthalten darf. In den europäischen und amerikanischen Industrieländern beträgt die Natrium-Konzentration 45 bis 60 mmol/l, da die viral bedingten Enteritiden im Vergleich zu den Cholera-Infektionen einen geringeren Salzverlust verursachen. Der Zusatz von Bicarbonat bzw. Citrat soll zum Ausgleich der metabolischen Azidose beitragen (Tab. 2).

Tab. 2: In Deutschland verfügbare Präparate zur oralen Rehydratation bei Kindern und Säuglingen - Beispiele [nach 2]. ESPGHAN = European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition
Empfehlung derESPGHAN Elotrans® Humana, Elektrolyt, Banane (ab 12. Monat) Humana, Elektrolyt, Fenchel (Säuglinge, Kinder, Erwachsene) Oralpädon® 240 Santalyt® Infecto­Diarrstop®LGG
Natrium (mmol/l) 60 90 60 60 60 60 60
Kalium (mmol/l) 20 20 20 18 20 20 20
Chlorid (mmol/l) 25 80 50 49 60 60 50
Bicarbonat (mmol/l) 0 0 0 0 0 0 0
Citrat (mmol/l) 10 10 10 10 10 10 10
Glucose (mmol/l) 74 – 111 111 86 87 90 90 111
Glucose (g/l) 13,3 – 20,0 20 16 16 16,2 16,2 20
Osmolarität (mOsml) 200 – 250 311 230 188 240 240 251

Keine Angst vor Erbrechen. Die Flüssigkeiten sollten als kleine Mengen mit einer 5-ml-Spritze oder einem Teelöffel verabreicht werden; bleibt das Erbrechen aus, können die Mengen erhöht werden.

! Verhindert Erbrechen die orale Rehydratation, wird über eine nasogastrale Sonde substituiert. Auch dieser Applikationsweg ist einer intravenösen Infusion überlegen.

! Nur bei einem von 25 Kindern ist eine intravenöse Rehydrierung aufgrund eines Therapieversagens erforderlich.

! Geschmacksstoffe und leichte Kühlung verbessern die Akzeptanz oraler Rehydratationslösungen.

! Ein wichtiges Ziel (- das in der Gesamtbetrachtung nicht übersehen werden darf -) ist auch, die Zahl der stationären Aufnahmen so niedrig wie möglich zu halten, um nosokomiale Infektionen zu vermeiden.

! Die intravenöse Therapie erfordert weniger Pflegeaufwand als die langsame orale Zufuhr bzw. Fütterung.

Nicht überlegen: die intravenöse Rehydrierung. Metaanalysen belegen, dass es für das Risiko einer Hypo- oder Hypernatriämie sowie für die Gewichtszunahme keine Rolle spielt, ob oral oder intravenös rehydriert wird. Im Gegenteil, die orale Zufuhr verkürzt die Dauer des Durchfalls um 6 h und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus um fast 30 h.

Was ist nicht zur Rehydratation geeignet? Ungeeignet zur oralen Rehydratation sind:

  • Cola-Getränke, die zu viel Zucker, zu wenig Natrium, evtl. kein Kalium enthalten und unter Umständen eine zu hohe Osmolarität besitzen.
  • Selbstgefertigte Mischungen, die nicht standardisiert sind und deren Herstellung oft mit Mischungsfehlern behaftet sind.

Risikopatienten

Kinder mit schwerer Symptomatik werden stationär überwacht. Risikopatienten sind Kinder, die in den letzten 24 h mehr als achtmal Stuhlgang hatten und/oder viermal erbrechen mussten und/oder jünger als sechs Monate sind.

Zufuhr von fester Nahrung bei Durchfall

Im Rahmen einer ausgeprägten akuten infektiösen Enteritis können sich ein körperlicher Verfall und eine Kachexie entwickeln. Im Gegensatz zur oralen Rehydratationstherapie gibt es keinen spezifischen definierten festen Nahrungsausgleich in Form eines Arzneimittels. ORL mit komplexen Kohlenhydraten, die von Reis oder Karotten ausgehen, sollen erst ab dem 5. Lebensmonat verabreicht werden bzw. wenn der Säugling schon Beikost bekommt.

Für die feste Ernährung gilt:

  • So bald wie möglich, spätestens 4 bis 6 h nach Beginn der Volumensubstitution, sollte die übliche Nahrung gegeben werden.
  • Säuglinge werden zwischen den ORL-Gaben gestillt. Spezialnahrung ist nicht erforderlich und sollte wegen möglicher Unverträglichkeit auch vermieden werden.
  • Die Enterozyten benötigen feste Nahrung, da sie über das Darmlumen und nicht das Blut versorgt werden.
  • Grundsätzlich wird die gleiche Nahrung, (Mutter-)Milch etc. zwischen der Verabreichung der oralen Rehydratationslösung gegeben wie vor der akuten infektiösen Enteritis.

Zu vermeiden sind

  • Nahrung und Getränke mit hohen Zuckeranteilen (z. B. Apfel- oder Birnensaft oder sehr süße Speisen),
  • längere Nahrungspausen über mehr als 4 bis 6 h,
  • kalorienreduzierte, fettarme Kost,
  • sog. Schonkost oder Aufbaukost.

Sie verzögern die Gesundung und steigern das Risiko für protrahierte Durchfälle.

Antidiarrhoika

In den meisten Fällen ist die Verordnung von Antidiarrhoika nicht indiziert. Für einige Wirkstoffe konnte eine günstige Wirkung zusätzlich zur ORL gezeigt werden (Tab. 3).

Tab. 3: Medikamentöse Möglichkeiten bei akutem Durchfall im Kindesalter (Beispiele mit Zulassung)
Wirkstoff apothekenpflichtig verschreibungspflichtig
orale Rehydrata­tionslösungen ja
Racecadotril ab 18 Jahren ab 3 Monaten
Loperamid ab 12 Jahren ab 2 Jahren
Probiotika z. B. Saccharomyces boulardii ab 2 Jahren
Gerbstoffe z. B. Tannalbin® nicht apothekenpflichtig; ab 5 Jahren
Uzarawurzel Saft ab 2 Jahren, Tabletten ab 6 Jahren, Tropfen ab 12 Jahren

Sekretionshemmer. Racecadotril (Vaprino®, Tiorfan®) ist ein Inhibitor der Enkephalinase. Er hemmt die erhöhte Sekretion von Wasser nach viralen und bakteriellen Durchfällen innerhalb weniger Stunden. In klinischen Studien verkürzte Racecadotril die Durchfalldauer um 24 bis 30 h; außerdem verkleinerten sich die Stuhlvolumina (weniger Wasserverlust). Da es die Darmmotilität nicht beeinflusst, besteht kein Risiko für eine iatrogene Obstipation oder eine bakterielle Fehlbesiedlung wie unter dem µ-Opioidrezeptor-Agonist Loperamid. Racecadotril darf für Säuglinge ab drei Monaten verordnet werden und ist für Erwachsene auch als OTC-Präparat erhältlich. Zudem hat der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht die Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Kinder ab 12 Jahren befürwortet. Die dafür notwendige Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung ist jedoch noch nicht erfolgt.

Motilitätshemmer. Loperamid (z. B. Imodium®) hemmt die Motilität und hat keinen günstigen Effekt auf eine akute infektiöse Enteritis. Bei Kindern unter zwei Jahren ist er kontraindiziert. Für die Selbstmedikation steht Loperamid ab dem 12. Lebensjahr zur Verfügung. Die wesentlichen Kontraindikationen, die es zu beachten gilt, sind Ileus, Blähungen, Colitis ulcerosa, Blut und Schleim im Stuhl sowie eine Antibiotika-assoziierte Kolitis. Zu beachten sind eine Obstipation und eine mögliche bakterielle Fehlbesiedlung mit Symptomverschlechterung.

Probiotika. Der Nutzen und die Studienlage von Probiotika bei der akuten infektiösen Enteritis sind unklar bzw. widersprüchlich. Für einige Stämme konnte bei einer durch Rotaviren, nicht aber durch Bakterien, ausgelösten Enteritis eine Verkürzung der Durchfalldauer nachgewiesen werden. Im Handel befinden sich einige Probiotika wie Saccharomyces boulardii (z. B. Perenterol®, Perocur®, Omniflora® akut), Lactobacillus-Stämme (z. B. Lacteol®, Paidaflor®, Omniflora®, InfectoDiarrstop® LGG mono) und E.-coli-Stämme (z. B. Mutaflor®) (Tab. 3). InfectoDiarrstop LGG Pulver enthält neben den Bestandteilen für eine orale Rehydratationslösung gefriergetrocknete Lactobacillen (Tab. 2).

Die Leitlinien der Europäischen Gesellschaften für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung bzw. für Pädiatrische Infektionskrankheiten von 2014 stellen fest, dass Probiotika die Dauer der Diarrhö verkürzen (aber nicht die Zeit der Hospitalisierung) und die Symptome abschwächen, dies gilt für S. boulardii und L. rhamnosus. Synbiotika und Präbiotika werden nicht empfohlen.

Adsorbenzien und andere Antidiarrhoika. Wie Probiotika gelten Adsorbenzien und andere, auch pflanzliche Antidiarrhoika nicht als Therapeutika der ersten Wahl. Sie können aber eine orale Rehydratationstherapie unterstützen und bei leichter akuter infektiösen Enteritis auch als ausreichende Selbsttherapie angesehen werden.

Zu den Gerbstoff-haltigen Adsorbenzien zählt Tannalbin®, es darf bei Kindern unter 5 Jahren nicht ohne ärztliche Rücksprache angewendet werden.

Medizinische Kohle gilt als wenig wirksam, wahrscheinlich ist die Dosierung zu niedrig um eine effektive Bindung von Toxinen zu erreichen – sofern Toxine überhaupt freigesetzt werden.

Pektine aus der Schale von Äpfeln sind ein beliebtes Hausmittel, das zur Unterstützung der Rekonvaleszenz bei leichter akuter infektiöser Enteritis verwendet werden kann.

Uzara. Die Cardenolid-Glykoside aus der Uzara-Wurzel gelten als krampflösend und antisekretolytisch.

!

 Diese Wirkstoffe ersetzen nicht die orale Rehydratationstherapie, sie können aber zusätzlich gegeben werden.

Beratung in der Apotheke

  • Bei Hinweisen auf eine schwere akute infektiöse Enteritis wie Blut im Stuhl, Gewichtsverlust oder Zeichen von Austrocknung (Exsikkose) muss unverzüglich der Arzt aufgesucht werden.
  • Bei Kindern unter zwei Jahren sollte grundsätzlich der Besuch eines Kinderarztes angeraten werden.
  • Grundlage jeder (Eigen-)Therapie einer akuten infektiösen Enteritis ist die Volumensubstitution mit ORL und dann eine baldige Zufuhr fester Nahrung.
  • Adsorbenzien, Probiotika und Antiemetika können die Basistherapie unterstützen, aber nicht ersetzen. Lediglich bei einer leichten Erkrankung können sie ausreichend sein, wenn sich der Durchfall schnell normalisiert.
Foto: ABDA

Antiemetika

Der 5-HT3-Rezeptorantagonist Ondansetron (Zofran®) verringerte in mehreren Studien die Häufigkeit des Erbrechens und die Notwendigkeit für eine intravenöse Rehydrierung bei akuter infektiöser Enteritis. Jedoch erhöhte sich die Zahl der Durchfälle. Ondansetron wird bei Kindern unter 2 Jahren wegen fehlender Erfahrung nicht empfohlen.

Dimenhydrinat (Vomex®) ist ein H1-Blocker und das in Deutschland am häufigsten verordnete Antiemetikum bei Kindern. Entsprechend seiner antiemetischen Wirkung reduziert Dimenhydrinat das Erbrechen, aber – ähnlich wie Ondansetron – verkürzt es nicht die Durchfalldauer. Die verschreibungspflichtige intravenöse Gabe von Dimenhydrinat ist bei Früh- und Neugeborenen kontraindiziert.

Antibiotika

Es macht keinen Sinn, Antibiotika ohne echte Indikation zu verordnen. Zwingend indiziert sind Antibiotika unter anderem bei Infektionen mit Salmonella typhi, Vibrio cholera, Clostridium difficile, bei Frühgeborenen, Immundefizienz oder Sepsis. |

Literatur

[1] Akute infektiöse Gastroenteritis. AWMF online 2008; Nr. 068/003.

[2] Koletzko S, Osterrieder S: Akute infektiöse Diarrhoe bei Kindern. Dtsch Arztebl Int 2009;106:539-47

[3] Osthaus WA, Ankermann T, Sümpelmann R: Präklinische Flüssigkeitstherapie im Kindesalter. Pädiatrie up2date 2013; 1: 67-82.

[4] Guarino A, Ashkenazi S, Gendrel D et al. Guidelines for the management of acute gastroenteritis in children in Europe: update 2014. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014;59:132-52.

[5] Vecchio AL, Liguoro I, Bruzzese D et al. Adherence to Guidelines for management of children hospitalized for acute diarrhea. Pediatr Infect Dis J 2014;33:1103-8.

Autor

Prof. Dr. Thomas Herdegen, Studium der Medizin in Wien und Würzburg, Facharzt für experimentelle Pharmakologie, stellvertretender Direktor des Instituts für Experimentelle und klinische Pharmakologie an der Universität Kiel. Autor der seit 2009 laufenden DAZ-Serie Pharmakologisch.

Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Hospitalstraße 4, 24105 Kiel

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