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Das soll die Heimbewohner schützen – nicht die Apotheken

Heimversorgungsvertrag: Urteil des Oberlandesgerichts Celle

BERLIN (ks) | Ein Heimversorgungsvertrag bietet Apotheken wenig Schutz. Nach einem aktuellen Urteil können sie sich nicht darauf verlassen, dass Kündigungsfristen zu ihren Gunsten eingehalten werden. Ebenso wenig können sie erwarten, dass ihr Leistungsumfang während der Vertragslaufzeit gleich bleibt. (Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 11. November 2015, Az.: 4 U 61/15)

Ein Heimversorgungsvertrag zwischen einer Apotheke und einem Heimträger nach den Vorgaben des Apothekengesetzes (§ 12 a ApoG) bezweckt allein die sichere Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern. Apotheken bietet er hingegen kaum Schutz. Sie können sich weder darauf verlassen, dass Kündigungsfristen eingehalten, noch darauf, dass die von ihnen erbrachten Leistungen während der Vertragslaufzeit nicht auf andere (Vertrags-)Apotheken übertragen werden. Insbesondere können sie in solchen Fällen keinen entgangenen Gewinn beanspruchen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle in einem aktuellen Urteil entschieden.

Der Sachverhalt

Eine Apothekerin und eine Heimbetreiberin hatten im Jahr 2003 einen Heimversorgungsvertrag geschlossen („Mustervertrag gemäß § 12 a Apothekengesetz“). Darin hieß es unter ­anderem:

Präambel: „… Auch bleibt es dem Heimträger unbenommen, weitere Verträge gleichen Inhalts mit anderen öffentlichen Apotheken zu schließen.“

§ 4 Abs. 3: „Wird das Heim von mehr als einer öffentlichen Apotheke versorgt, gelten für die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der beteiligten Apotheken die in einer Anlage zu diesem Vertrag vereinbarten Be­stimmungen.“

§ 10 Abs. 2: „Der Heimträger informiert den Apotheker unverzüglich, wenn er Verträge zum gleichen Gegenstand mit anderen Apotheken abschließt.“

§ 12 Abs. 2: „Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Ende des Quartals.“

Im Jahr 2013 wünschte das Heim von der Apothekerin ein Angebot für eine Arzneimittelbelieferung inklusive kostenloser Verblisterung. Die Apothekerin sah sich angesichts ihrer Ressourcen zu dieser Leistung nicht in der ­Lage und teilte dies dem Heim am 30. September 2013 mit. Daraufhin kündigte die Heimträgerin den Vertrag mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 zum 31. Dezember 2013. Zum 1. Januar 2014 schloss sie einen Versorgungsvertrag mit einer anderen Apotheke.

Landgericht gab Apothekerin Recht

Die Apothekerin machte daraufhin Schadensersatz in Höhe von rund 17.000 Euro geltend – dies entspreche dem entgangenen Gewinn durch die nun nicht mehr mögliche Versorgung der Heimversorgung für die Dauer von sechs Monaten. Sie zog vor Gericht und bekam in der ersten Instanz auch 13.700 Euro Schadensersatz zugesprochen. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist zumindest auch dem Schutz des Apothekers dienen solle.

Die Heimträgerin ging gegen das Urteil in Berufung – mit Erfolg. Die klagende Apothekerin habe keinen Anspruch auf Ersatz eines entgangenen Gewinns, urteilte das OLG Celle. Dabei könne dahinstehen, ob die Kündigungsfristen überhaupt für die Apotheke gelten. Denn die Heimträgerin wäre auch ohne Kündigung berechtigt gewesen, eine andere Apotheke vollständig mit den Leistungen zu betrauen, die bis dahin die klagende Apothekerin übernommen hat. Und in diesem Fall, so das Gericht, hätte die Apothekerin wirtschaftlich genauso gestanden wie nach der Kündigung.

OLG: Kein Ausschließlichkeitsanspruch

Zu diesem Ergebnis kommen die Richter nach Auslegung des Mustervertrages. In diesem sei gerade nicht geregelt, dass das Heim für die Dauer der Vertragslaufzeit verpflichtet sei, Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte für die Heimbewohner ausschließlich bei der Klägerin zu beziehen (würde gegen § 12 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 ApoG verstoßen). Vielmehr könne der Heimträger schon nach der Präambel, „weitere Verträge gleichen Inhalts mit anderen öffentlichen Apotheken [zu] schließen“. Zudem bestimme der Vertag, dass der Heimträger den Apotheker „unverzüglich“ informiert, „wenn er Verträge zum gleichen Gegenstand mit anderen Apotheken abschließt“. Dies, so das Gericht, setze nicht voraus, dass der anderen Apotheke zunächst fristgerecht gekündigt werden müsse. Die Apothekerin habe kein schutzwürdiges Vertrauen, dass ihr Lieferumfang der gleiche bleibt wie bei Vertragsabschluss.

Schutzzweck des Heimversorgungsvertrags

Gestützt werde dieses Ergebnis durch Sinn und Zweck von Verträgen nach § 12 a ApoG: Dieser liege „allein darin, dass die Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten gesichert ist“. Geschützt seien also allein die Heimbewohner und mittelbar auch das Heim selbst, nicht aber die Apotheke. Diesem Sinn und Zweck dient nach dem Verständnis des OLG-Senats auch die Kündigungsfrist. Diese solle gerade verhindern, dass ein Heim „von einem Tag auf den anderen“ ohne Apotheke dasteht.

Davon ausgehend sieht das Gericht auch keinen Grund, warum das beklagte Heim „nicht auch berechtigt sein sollte, den bisherigen Lieferungsumfang vollständig, also zu 100%, auf eine dritte Apotheke zu verlagern“. Die Auffassung, der Apotheke müsse zumindest noch ein „relevanter Versorgungsbereich“ bleiben, kann es nicht nachvollziehen. Insbesondere sei unklar, wo eine Grenze zwischen einer „noch zulässigen Verlagerung des bisherigen Leistungsumfangs auf eine dritte Apotheke“ und einer „unzulässigen Verlagerung des bisherigen Leistungsumfangs auf eine dritte Apotheke“ gezogen werden soll.

Revision zugelassen

Da es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Mustervertrag handelt, könnten sich entsprechende Fragen auch in weiteren Fällen stellen. Daher hat das OLG die Revision zum Bundesgerichthof zugelassen. |

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