Foto: DAZ/diz

Handel im Wandel

Wie werben andere Geschäfte und was lässt sich davon auf Apotheken übertragen? Das ist vereinfacht ausgedrückt die Idee, die hinter dem Projekt Cool Hunter steckt, das die Duale Hochschule Baden-Württemberg Ende des letzten Jahres unter Anleitung von Professor Andreas Kaapke durchführte. 53 Studierende waren drei Tage lang als „cool hunters“ in 22 europäischen Metropolen unterwegs, um neuartige und überraschende Ideen, Trends und Highlights im Einzelhandel zu entdecken und ihre Übertragbarkeit auf deutsche Apotheken auszuloten. Zwölf Ideen schafften es auf die Shortlist. Ende Januar präsentierten die Studierenden die Ergebnisse einer Jury, die die drei Besten prämierte. | Von Peter Ditzel

Kapitel 1

Coole Ideen

Unterwegs in Europas Metropolen auf der Suche nach Marketing-Ideen für Apotheken

Foto: DAZ/diz

Großes Gruppenfoto Sponsoren, Professoren und die BWL-Handel-Studierenden der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die am Projekt Cool Hunter beteiligt waren.


Möglich wurde dieses Projekt mit großzügiger Hilfe der Noweda-Stiftung, die für Reise- und Unterkunftskosten der Studierenden aufkam. Wilfried Hollmann, Vorstandsvorsitzender der genossenschaftlichen Noweda-Pharmagroßhandlung, unterstützte dieses Projekt sehr gerne, wie er sagte, weil er sich viele Impulse für die deutsche Apotheke aus den gesammelten Ideen verspricht. Auch die Duale Hochschule Baden-Württemberg zeigte sich für das Projekt aufgeschlossen und stellte Mitarbeiter und ein Filmteam zur Verfügung, die sich um Planung, Organisation und Dokumentation kümmerten. Die DAZ konnte das Projekt begleiten und war zusammen mit Professor Kaapke in drei Städten, London, Amsterdam und Paris, mit dabei, um die Studenten auf ihrer Jagd zu begleiten.

Die besuchten StädteAmsterdam Barcelona Berlin BrüsselBudapest DublinEdinburgh GenfHelsinki IstanbulKopenhagen LondonMailand OsloParis PragRiga RomStockholm WarschauWien Zürich

Das Projekt Cool Hunter

Den BWL-Handel-Studierenden wird an der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg im 5. oder 6. Semester ein Integrationsseminar angeboten, das beispielsweise dazu genutzt werden kann, Fallstudien zu bearbeiten oder besondere Methoden der Marktforschung oder Unternehmensplanspiele anzuwenden. Apotheken-Ökonom Prof. Dr. Andreas Kaapke, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg lehrt, nutzte das Integrationsseminar für ein Cool Hunter-Projekt. Die Idee kommt aus den USA. Dort werden private Endverbraucher von Marktforschungsunternehmen eingesetzt, um innovative Ideen aufzuspüren und auf andere ­Unternehmen zu übertragen. Die Konsumenten werden mit Smartphones und Kameras ausgestattet, um die neuen oder vermeintlich neuen Ideen zu fotografieren und zu dokumentieren.

Foto: DAZ/diz

Erste Ergebnisse werden abgefragt: Professor Kaapke (li.) trifft Studierende in Paris.


Kaapke übertrug diese Idee auf die BWL-Studierenden. Sie sollten in europäischen Großstädten nach Ideen für den Einzelhandel suchen und dann in einem zweiten Schritt überlegen, ob sie auf die Apotheken übertragen werden können. Um die Studierenden auf die Apotheken einzustimmen, erhielten sie im Vorfeld der Cool-Hunter-Tour die wichtigsten Basisinformationen zur Apotheken-Branche, beispielsweise: Welche Aufgaben haben Apotheken, welchen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen die Apotheken in Deutschland, welche berufspolitischen Ziele verfolgen die Apotheken.

Dann schwärmten vom 25. bis 27. November 2014 insgesamt 53 Studentinnen und Studenten in Zweier-Teams (26 Teams) in 22 europäische Großstädte aus, auf der Jagd nach coolen Ideen und dem Zeitgeist auf der Spur: Welche überraschenden Handelsstandorte gibt es? Was zeigt sich Neues im Ladenbau und -layout, bei der Warenpräsentation (Regale, Warenträger), in der Kommunikation (Werbung, Plakatierung, Verkaufsförderung), im Bereich Events und Promotions, im Deko- und Schaufensterbereich? Jedes Team sollte mindestens 20 Ideen aufspüren, so dass am Ende 520 Ideen zusammenkamen.

Für Ansporn sorgte ein intern ausgeschriebener Wettbewerb: Eine Jury aus Studenten und Hochschullehrer destillierte aus den von allen Teams in einem mehrstufigen Verfahren eingedampften Ideenpool die zwölf besten Ideen heraus und setzte sie auf eine Shortlist. Die Studierenden, deren Idee es bis auf diese Liste geschafft hatte, präsentierten ihr Projekt dann einer zweiten fünfköpfigen Jury (Wilfried Hollmann, Noweda, Stefan Heine, Noweda; Prof. Dr. Andreas Kaapke, Duale Hochschule; Manuela Fath, Duale Hochschule; Peter Ditzel, DAZ), die die drei besten Ideen auswählte.

Wie Kaapke im Rahmen der Präsentation der Ideen anmerkte, war er sehr positiv überrascht, was die Hunters aus den europäischen Metropolen zusammengetragen haben. Natürlich sei da die eine oder andere Idee dabei, die vor dem Hintergrund der heutigen, auch rechtlichen Situation (noch) nicht oder nur mit Blessuren auf die Apotheke übertragbar sei oder von den Apotheken vermutlich auch nicht gewollt sei. Aber das sollte nicht im Vordergrund des Wettbewerbs und der Ideensammlung stehen. Möglicherweise veränderten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen und es könnte in vier oder fünf Jahren andere Bedingungen herrschen, die neue Marketingformen ermöglichten.

Große Erwartungen hatte auch Wilfried Hollmann, Vorstandsvorsitzender der Noweda, in dieses Projekt gesetzt, wie er anlässlich der Ideen-Präsentation anmerkte. Er hoffe auf viele Ideen, die man heute, morgen oder zu einem späteren Zeitpunkt auf die Apotheke übertragen könne.


Der Link zum Film

Foto: DAZ/diz

Die drei vom Film-Team der Dualen Hochschule und Manuela Fath (re.) von der Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing.

Ein Film-Team der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, begleitete die Cool-Hunter-Teams in London, Amsterdam und Paris und hielt die Suche nach neuen Ideen in einem kurzen Video fest.

Die Impressionen von der Cool-Hunter-Tour finden Sie hier:

https://www.youtube.com/watch?v=xbib-knCmVM

Die zwölf besten Ideen

Die Damen-und-Herren-Apotheke.

Eines der beiden Londoner-Teams, die Studierenden Anselm und Lietz, ließ sich von den Eindrücken leiten, dass es in vielen Geschäften üblich ist, die Waren zielgruppenspezifisch und vor allem geschlechterspezifisch zu präsentieren. Bekleidungsgeschäfte, Schuhgeschäfte, Boutiquen, Läden für Accessoires – sie alle haben getrennte Abteilungen für Herren und Damen. Liegt es da nicht nahe, diesen Ansatz erst recht in den pharmazeutischen Bereich zu übertragen? Könnten da nicht Apotheken punkten, die beispielsweise ein Sortiment anbieten, das auf Männer oder Frauen zugeschnitten ist? Nicht nur für das Sortiment könnte dies Vorteile bieten, sondern vor allem für die Beratung in der Apotheke, wo es bisweilen um Tabu- oder frauenspezifische Themen (Wechseljahre, Schwangerschaft, Hautalterung) geht. Frauen, so die Studierenden, würden bei solchen heiklen Themen eher eine Damen-Apotheke aufsuchen, insbesondere auch Frauen aus anderen Kulturkreisen. Aber auch Männer mit geschlechtsspezifischen Gesundheitsproblemen (Erektionsstörungen, Haarausfall) würden eine Männer-Apotheke vorziehen, glauben die Studierenden. Zur praktischen Ausgestaltung ist denkbar, dass eine Apotheke beispielsweise zwei räumlich getrennte Abteilungen für zielgruppenspezifische Aufgaben hat, für den Notdienst jedoch allen offensteht.

Foto: DAZ/diz

Herren- und Damen-Abteilungen in Warenhäusern – warum eigentlich nicht in Apotheken?


Der Care-A-Van.
Aus Edinburgh brachten die Studierenden Schott und Link die Idee eines „Care-A-Van“. Die Stadt-Mission der schottischen Stadt fährt mit einem Lieferwagen und Transporter zu den Obdachlosen, um sie vor Ort mit Essen, Trinken, Kleidung und Ratschlägen zu versorgen. Die Studierenden übersetzten diese Idee in eine rollende Apotheke, die z. B. mit einem ausgewählten Sortiment an rezeptfreien Arzneimitteln und apothekenüblichen Produkten des Randsortiments vor allem die Landbevölkerung in Gegenden mit geringer Apothekendichte versorgen könnte. Unabhängig davon, dass politische Kreise diese Idee in Deutschland bereits zur Diskussion gestellt haben und auf Ablehnung gestoßen sind, fanden die Studierenden Gefallen an der mobilen Apotheke. Als Zielgruppen der rollenden Apotheke kommen ältere Menschen, mobilitätseingeschränkte Personen und Kranke infrage. Eine Apotheke, die einen solchen Apothekenwagen betreibt, erweitere dadurch ihr Einzugsgebiet, habe Wettbewerbsvorteile und biete ein Mehr an Service, so die Studierenden. Für die Apotheke sei ein solcher Lieferwagen mit einem mittleren Investitionsaufwand und mit Unterhaltungskosten für das Fahrzeug verbunden. Außerdem seien ein großer zeitlicher Aufwand, eine gute Planung und Organisation notwendig. Die Vorteile aus Kundensicht seien deutlich: Einkaufsmöglichkeiten und Belieferung vor Ort, Service für Patienten mit Dauermedikation.

Eine weitere Idee: Über eine Spendenaktion „Kauf 1, zahl 2“ könnten Kunden beispielsweise ein OTC-Arzneimittel in der Apotheke zweimal kaufen, eines für sich und das zweite spenden. Sind genügend Arzneimittel zusammengekommen, könnte sich die rollende Apotheke vor einer caritativen Einrichtung oder Tafel aufstellen und die gespendeten Arzneimittel an Bedürftige und Obdachlose abgeben.


Foto: Schott, Link

Der Care-A-Van versorgt Bedürftige in Edinburgh – ein Vorbild für die rollende Apotheke?


Die Ghost-Box.
Ein technisches Gadget als Idee für die Warenpräsentation in der Offizin oder im Schaufenster fanden die Studierenden Steinberg und Voß in Kopenhagen: die Ghost-Box. In einem Glaskasten wird mittels Projektionsspiegeln und Hologramm-Technik ein virtuelles dreidimensionales Bild erzeugt, das ohne 3D-Brille oder andere Hilfsmittel betrachtet werden kann. Das Objekt, beispielsweise eine Produktschachtel, die sich in mehrere Richtungen bewegt, sich öffnet, entfaltet und wie von Geisterhand geführt im Raum schwebt oder mittels Touchscreen vom Betrachter gesteuert werden kann, zieht die Aufmerksamkeit der Kunden an. Die Technik könnte nicht nur zur Produktpräsentation eingesetzt werden, sondern beispielsweise auch, um komplizierte anatomische Sachverhalte, Körperfunktionen, Wirkweisen von Arzneimitteln etc. plastisch zu erklären. Vielleicht könnte auch ein komplettes Schaufenster als Ghost-Box gestaltet werden.

Apotheker im Fokus.

Der Chef einer Apotheke sollte stärker in der Apotheke präsent sein, meinen die beiden Studierenden Steinberg und Voß und brachten eine weitere Idee aus Kopenhagen mit: der Apotheker als Avatar, als künstliche Person oder grafisch animierte Figur. Gesehen hatten sie die Idee auf einem Flughafen, wo eine lebensgroße Puppe mit einem über Projektionstechnik animierten Gesicht die Menschen begrüßt und ihnen Ratschläge gibt. Auf die Apotheke übertragen könnte beispielsweise eine Schaufensterpuppe mit dem animierten Gesicht des Apothekenchefs als Avatar im Schaufenster oder in der Offizin stehen, die Kunden begrüßen oder Neuigkeiten aus der Apotheke wiedergeben. Der Avatar würde Sympathie und Charisma des Apothekers ausstrahlen, auf alle Fälle würde er Aufmerksamkeit erzeugen und den Apotheker präsenter wirken lassen. Eine weitere Idee, um die Person des Apothekers stärker hervorzuheben, könnten Warenergänzungsschilder sein, die mit einem Foto des Apothekenleiters versehen sind. So könnten besondere Produkte, die herausgestellt werden sollen, eine persönliche Empfehlung des Apothekers erhalten. Durch dieses Warenergänzungsschild, das einige weitere Angaben zum Produkt enthält plus Foto des Apothekers, wird die Aufmerksamkeit des Kunden gezielt auf solche ­Waren gelenkt, die dadurch einen Vertrauensvorschuss (Apotheker empfiehlt sie persönlich) erhalten.

Foto: Steinberg, Voss

Warenergänzungsschild für persönliche Empfehlungen und Hinweise

Präsentationen, die Appetit machen und Kauflust anregen – eine Patisserie in Paris.

Glimmerwelt Eingangsbereich zum Hollister-Shop in London, der „Marke der Schönen“.

Fotos: DAZ/diz

Alles frisch Ein Lieferwagen mit Früchten symbolisiert Frische und Landlust in der Foodabteilung von Le Bon Marché in Paris.

Alles edel Das Kaufhaus Galeries Lafayette in Paris mit Weihnachtsdeko aus funkelnden Schmucksteinen.

Videowände – ein Trend in der Schaufenster-Werbung in London, hier mit riesengroßen Stiefeln, die durch Regen wandern.

Tablet-Nutzung mal anders.

Die Studierenden Merkle und Kirchner sahen auf ihrer Cool-Hunter-Tour durch Rom in einem Bekleidungsgeschäft, dass sich Tablet-Computer nicht nur zum Lesen, Schreiben und Spielen einsetzen lassen. Der Shop nutzte die Tablets als Preisschilder, die in der Nähe der Warengruppen angebracht waren, auf denen die Kunden Zusatzinformationen abrufen konnten. Besonders witzig: Schaufensterpuppen trugen statt eines Kopfes einen Tablet-Computer, der den Preis oder Zusatzinfos abspielte. Auf die Apotheke übertragen könnten sich die Studierenden den Einsatz von Tablets in der Apotheke z. B. ebenfalls als Kopf auf einer Schaufensterpuppe vorstellen. Ein Clou wäre es, wenn dann ein Video auf dem Tablet abläuft, das großformatig beispielsweise den Kopf des Apothekenchefs oder einen seiner Mitarbeiter(innen) zeigt. Bei Werbung für Erkältungspräparate könnten Tablets Videos mit einem verschnupften Gesicht zeigen. Schließlich könnten zwei bis drei Tablets, auf kleinen (Tisch-)Ständern montiert, in der Apotheke beispielsweise im Bereich der Sitzecke aufgestellt werden. Auf ihnen könnten die wartenden Kunden Infos zu Gesundheitsfragen oder OTC-Arzneimitteln abrufen.

Foto: DAZ/diz

Tablets als Kopf von Schaufensterpuppen – mit Videos und Infos.


Das etwas andere Regal.

Kosmetik- und Parfüm-Läden wie Kiehl’s machen es vor, wie Regale belebt werden. In Brüssel sahen die Studierenden Eidler und Erb, dass solche Läden auf einem modern gestalteten Regalbrett, das an exponierter Stelle des Verkaufsraums angebracht ist, die Kunden-Favoriten ausstellen: z. B. die drei oder fünf Parfüms oder Waren, die am meisten von Kunden gekauft werden. Eine weitere Variante: Das Regal präsentiert die Neuheit des Monats – ausgestellt und mit entsprechender Beleuchtung hervorgehoben wird eine Packung eines neuen Parfüms. Oder das Regal zeigt die zehn Top-Produkte, die in dieser Filiale oder in dieser Saison am meisten nachgefragt werden. Alle diese Ideen lassen sich mit wenig Aufwand auf die Apotheke übertragen: Präsentation von OTC-Präparaten, die Kundenfavoriten sind, saisonal stark nachgefragt werden oder neu sind, auf hervorgehobenen Einzelregalbrettern. Nach Meinung der Studierenden sind solche Präsentationen Eyecatcher, sie ziehen die Blicke der Kunden auf sich, lösen Impulskäufe aus, bringen Umsatzsteigerungen und Kundenbindung und sind zudem noch einfach anzubringen und zu geringen Kosten einsetzbar.

Win-win-Situation

Foto: DHBW Stuttgart

„Das Projekt Cool Hunters ist ein Paradebeispiel für die enge Zusammenarbeit der Wirtschaft mit der DHBW Stuttgart. Dieses aufwendige Projekt steht für eine einzigartige Win-win-Situation – unsere Studierenden durften in deutschen und europäischen Topstädten Praxis­erfahrungen im Rahmen einer komplex angelegten Studie machen und die Unternehmen können sich über interessante Ergebnisse einer internationalen Vergleichsstudie zum Thema Apotheken-Marketing freuen. Mein herzlicher Dank gilt der Noweda eG, namentlich Herrn Wilfried Hollmann, für die großzügige finanzielle Unterstützung und den Studierenden sowie den sie wissenschaftlich begleitenden Professoren für ihr großes Engagement.“

Prof. Dr. Bernd Müllerschön, Prorektor und Dekan Fakultät Wirtschaft

Foto: Eidler, Erb

Top 5-Regal zeigt die fünf meistgekauften Produkte dieses Ladens.


Madame Bonbon.

In Riga entdeckten die Studierenden Teichert und Eisele ein kleines exklusives Schuhgeschäft: Madame Bonbon. Das Besondere: Der Verkaufsraum ist gestaltet wie eine kleine Zweizimmer-Wohnung mit Wohn- und Schlafzimmer, Küche, Bad. Die für die Zimmer typischen Möbel – bei Madame Bonbon alles in Weiß – dienen zur Warenpräsentation; überall – auf dem Tisch, auf der Kommode, auf dem Bett – stehen oder liegen Schuhe. Die beiden BWL-Studentinnen übertrugen diese Idee auf die Apotheke und entwarfen eine „Loft-Apotheke“: ein größerer Raum, der nicht durch Wände unterteilt ist, aber durch entsprechende Möbel bestimmten Wohnungseinheiten zugeordnet werden könnte. So könnten beispielsweise im Bereich Wohnzimmer Regale mit Produkten stehen, dazu auch eine Sitzecke mit Couch, Sesseln und einem Tisch, auf dem Kundenzeitschriften liegen, sowie einem Fernseher, auf dem Produktwerbung läuft. Der Wohnzimmercharakter lädt zum Sitzen und zu einer Beratung mit Wohlfühlcharakter ein. Der Schlafzimmerbereich könnte ebenfalls mit passenden Produkten wie pflanzlichen Schlafmitteln, Massageölen, Vitaminen bestückt sein, der Badbereich zeigt Körperpflegemittel, Duschgels und ähnliches. Die Küchenecke wäre ebenfalls mit Waren bestückt, könnte aber auch für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel und als Kassenplatz fungieren. Um der Diebstahlgefahr vorzubeugen, sollte die Produktdekoration aus Leerpackungen bestehen, räumten die Studentinnen ein. In einem Zwischenstock über dem Loft, einer Art Mezzanin, stellten sie sich darüber hinaus ein gläsernes Labor vor, das vom Loft aus einsehbar ist, damit die Kunden vom Wohnzimmer aus die Herstellung von Salben beobachten können. Eine derartig aufgebaute Apotheke wäre innovativ und würde ein neues Einkaufserlebnis mit Wohlfühlcharakter bieten, gleichzeitig Kompetenz vermitteln und Kaufanreize bieten, zeigten sich die beiden Studierenden sicher.


Foto: Teichert, Eisele

Zweizimmerwohnung als Geschäft: Schuhe im Wohn- und Schlafzimmer bei Madame Bonbon in Riga.

Foto: DAZ/diz

Schuhpräsentation in Wohnzimmeratmosphäre auch in Amsterdam.


Produktverflechtung.

Wie geschickt Produkte durch eine thematische Verflechtung präsentiert werden können, haben sich die Studierenden Kerner und Meng im feinen Pariser Kaufhaus Le Bon Marché abgeschaut. Hier wurden beispielsweise im Lebensmittelbereich die Fleisch- und Fisch­theke sowie der Wein- und Champagnerbereich thematisch passend um eine Verkostungstheke angeordnet, verbunden mit einer Restaurantabteilung. In Übertragung auf die Apotheke könnte dies bedeuten, Produkte passend zu einer bestimmten Indikation zu präsentieren. Eine nicht zu kleine Apotheke, so die Vorstellung der Studierenden, könnte mehrere Beratungsinseln einrichten, um die herum die thematisch unterschiedlichen Produktgruppen wie Erkältung, Kopfschmerz, Magen und Darm präsentiert werden. Für eine kleinere Apotheke wäre denkbar, die indikationsbezogenen Produktpräsentationen verschiedenen Wochentagen zuzuordnen; der Dienstag könnte beispielsweise der Erkältungstag sein, an dem in der Beratungsinsel Produkte gegen Husten, Schnupfen, Heiserkeit vorgestellt werden, vom Schnupfenspray über Hustentropfen bis hin zum Erkältungsbad. Die Studierenden gehen davon aus, dass dieses Konzept eine erhöhte Kundenzufriedenheit bringt und die Apotheke mit einer längeren Verweildauer der Kunden und mit steigenden Absatzzahlen belohnt.


Foto: DAZ/diz

Weinkeller gleich neben den Abteilungen für Fisch und Fleisch im Pariser Kaufhaus Le Bon Marché.


Schließ- und Automatenfächer. In Berlin entdeckten die BWL-Studentinnen Großhans und Hesse einen Handyladen, der seinen Kunden Schließfächer mit Stromanschluss anbietet, in denen sie ihr Mobiltelefon zum Akkuaufladen einschließen können. Das brachte die Studentinnen auf die Idee, eine Apotheke könnte Fächer in die Fassade einbauen, damit Kunden ihre vorbestellten Waren dort abholen können. Die Fächer könnten beispielsweise mittels Kundenkarte oder Code geöffnet werden. Als Variante könnten die Fächer auch – bei geschlossener Apotheke – als Ausgabefach für Waren dienen, die der Kunde z. B. über einen Touchscreen auswählt und dann über einen Automaten in das Fach gelegt werden. Die Bezahlung könnte über Kreditkarte, Kundenkarte oder über einen Bargeldautomaten erfolgen. Als Vorteile sehen die Studentinnen eine Erweiterung des Nachtdienstes, eine Profilierung der Apotheke, eine bessere Kundenbindung. Die Apotheke würde sich als fortschrittlich darstellen. Zu den Nachteilen sehen sie die hohen Anschaffungskosten und die Gefahr von Vandalismus.

Die Idee der Automaten-Apotheke lebt also weiter, auch wenn sie unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht möglich ist, wie der Versuch von Rowa mit dem Visavia-Beratungs- und Abgabe-Terminal zeigte.

Foto: Großhans, Hesse

Schließfächer als Handy-Ladestationen. Als Idee: Ausgabefächer für Arzneien nach Dienstschluss?


Mehr Transparenz für Apotheken.
Ein Jamie Oliver „Recipease“-Restaurant in London, Notting Hill, unweit des Hyde Parks, war Zündstoff für die Idee der Studierenden Maurer und Teske. Dieses Restaurant ist zum einen vollkommen transparent und von außen einsehbar. In der Mitte des Restaurants befindet sich die offene Küche. Mehr Transparenz könnte auch einen Imagewandel bei Apotheken einläuten, so die BWL-Studenten bei ihrer Präsentation. Heute wirkten Apotheken oft trist, farblos, sie strahlten eine kühle Atmosphäre aus und würden nur wenig zu Spontankäufen verlocken. Ein neues Storekonzept sei nötig. Sie stellen sich die neue Apotheke hinter einer großen Glasfront vor, die ohne störende Schaufenster oder Warenauslagen den Blick ins Innere freigibt. Wenn Warenträger, dann sollten sie von beiden Seiten offen sein, so dass sie den Blick über die Ware hinweg zulassen. Auch das Labor als separater Raum in der Apotheke sollte von Glaswänden umgeben sein, so dass die Kunden während ihres Aufenthalts in der Apotheke den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei den Labortätigkeiten zusehen können. Der Kassenbereich der Apotheke sollte bei dieser Apotheke in der Mitte des Raums liegen und von verschiedenen Seiten zugänglich sein. In der transparenten Apotheke finden sich keine HV-Tische mehr, sondern individuelle und persönliche Beratungsplätze und -inseln über den Raum verteilt. Eine solche Apotheke würde sich offen präsentieren, der Apotheke ein neues Image geben, zu einem neuen Kauferlebnis bei­tragen und die Kundenbindung erhöhen.


Apotheke im Container.

Ist zwar schon von einer Apothekenkooperation angedacht, aber die beiden BWL-Studierenden Mosandl und Kübler waren von der Idee, eine Apotheke in Container-Modulen unterzubringen und ihr dadurch eine gewisse Standort-Flexibilität zu verleihen, angetan. Inspiriert wurden sie von einem Bekleidungsstore in Barcelona, der seinen Laden innerhalb eines Einkaufszentrums in drei zusammengeschlossenen Schiffscontainern untergebracht hatte. Ein oder zwei solcher Container werden beispielsweise von dieser Firma auch schon mal an belebte Strandabschnitte gestellt, um während der Badesaison Bademode zu verkaufen. Eine Apotheke, die in Containern auf Steckmodulbasis untergebracht ist, hätte den Vorteil, dass sie beispielsweise auch temporär eingesetzt werden könnte bei Großereignissen wie mehrtätigen Open-air-Festivals, Volksfesten, Sportgroßveranstaltungen. Oder es könnten rasch Lücken in apothekenärmeren Regionen gefüllt werden. Und – was heute allerdings ebenfalls bereits gemacht wird – eine Modulapotheke könnte auch als Zwischenlösung bei einem Um- oder Neubau eingesetzt werden. Denkbar wäre auch, dass eine Großhandlung eine Modulapotheke auf Containerbasis anschafft und bei Bedarf ausleiht, so die Studierenden. Ihnen war allerdings bewusst, dass hier derzeit die Gesetzeslage, die behördlichen Genehmigungen und bürokratischen Anforderungen enorme Hindernisse darstellen.

Foto: Mosandl, Kuebler

Container-Shops als originelles Ladenlokal in einem Einkaufszentrum von Barcelona.


Die Feedback-Station.

Auf Flughäfen, in manchen Geschäften, in Restaurants oder sogar in Toilettenstationen gibt es sie schon: die Feedback-Stationen. Die Studierenden Schraa, Dröge und Wasiak haben solche Stationen in Dublin aufgespürt. Es sind meist kleine Terminals mit drei, manchmal auch vier oder fünf Smileys als Knöpfe: lachende, neutrale und mehr oder weniger verärgerte Smileys. Der Besucher oder Kunde kann beim Verlassen dieses Ortes mit einem einfachen Knopfdruck seinen Grad an Zufriedenheit ausdrücken, z. B. zum Service, zum Warenangebot oder zur Sauberkeit. Würde eine Apotheke eine solche Feedback-Station am Ausgang platzieren, hätten die Kunden auf einfachem Weg Gelegenheit, der Apotheke ihre Meinung zum Beispiel zur Beratung mitzuteilen. Eine solche Station benötigt nicht viel Platz, ist relativ kostengünstig. Die Nachteile: Die abgegebene Meinung kann aufgrund von nur wenigen Auswahlmöglichkeiten nicht sehr differenziert ausfallen, aber immerhin, der Kunde fühlt sich beachtet.


Foto: Schraa, Droege, Wasiak

Feedback-Station Zufrieden mit dem Service? Rückmeldung vom Kunden mit einem Knopfdruck auf den Smiley.


Die Gewinner

Foto: DAZ/diz

Die Gewinner (v.l.n.r.): Prof. Dr. Andreas Kaapke, die Drittplatzierten Fabian Merkle und Jonas Kirchner, der Sponsor Wilfried Hollmann, Noweda eG, die Gewinnerinnen Ann-Katrin Eisele und Janina Teichert auf Platz 1 und die Zweitplatzierten Sören Maurer und Marvin Teske.


Die Jury war sich einig: Da es viele gute Ideen gab, entschloss sie sich spontan, fünf Plätze zu vergeben, wobei allerdings nur die ersten drei einen Geldpreis erhielten. Auf den fünften Platz schaffte es die Damen-und-Herren-Apotheke, auf Platz vier die Idee der Ghost-Box. Mit dem dritten Preis und einem Preisgeld von 200 Euro wurden Merkle und Kirchner ausgezeichnet für ihre Idee des Tablet-Einsatzes auf Schaufensterpuppen. Den zweiten Preis und 300 Euro erhielten Maurer und Teske für die Idee der transparenten Apotheke. Auf Platz 1 wählte die Jury das Apothekenloft, inspiriert vom Schuhgeschäft Madame Bonbon. Die Studierenden Teichert und Eisele durften sich über 500 Euro als Preisgeld freuen. |


Kapitel 2 - Interview

Ohne die Schere im Kopf

Gespräch mit Wilfried Hollmann und Professor Kaapke über das Cool-Hunter-Projekt und neue Apothekenideen

Auf der Jagd nach neuen, ungewohnten Ideen für die Apotheke: Das Cool-Hunter-Projekt, das der Apothekenökonom Prof. Dr. Andreas Kaapke mit den BWL-Studierenden der Dualen Hochschule Baden-Württemberg durchführte, war etwas Besonderes. Querdenken war erforderlich. Marketing- Ideen von anderen Handelskanälen auf die Apotheke zu übertragen – dafür konnte sich auch der Vorstandsvorsitzende der Noweda, Wilfried Hollmann, begeistern, der das Projekt finanziell unterstützte. In einem gemeinsamen Gespräch erörterten sie, was es bringt, ohne die Schere im Kopf zu denken.

Foto: DAZ/diz

„Querdenker haben die Welt vorangebracht“, so Wilfried Hollmann im Interview.

Fotos: DAZ/diz; DHBW Stuttgart/Manuela Fath

Im Gespräch mit Studenten: Wilfried Hollmann (li.) und Professor Kaapke (re.)


DAZ:
Herr Hollmann, was war Ihre Motivation, das Cool-Hunter-Projekt finanziell zu unterstützen?

Hollmann: Die Idee des Cool Huntings hat mir von Beginn an gut gefallen. Gerade Apotheken sagt man nach, zu wenig über den Tellerrand zu sehen und sich eher nur im eigenen Dunstkreis zu bewegen. Apothekerinnen und Apotheker wagen zu selten einen Blick in andere Einzelhandelsgeschäfte. Von anderen lernen – das sollten sie viel öfter tun, sie könnten davon profitieren.

DAZ: Herr Kaapke, insgesamt 520 Ideen aus dem Einzelhandel spürten die Studierenden in den europäischen Metropolen auf und brachten sie mit nach Hause. Waren Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Wie viele Ideen waren brauchbar?

Kaapke: Mit dem Ergebnis war ich sehr zu frieden. Ganz klar, rund 200 der aufgespürten Beispiele waren nicht oder sind nur sehr eingeschränkt brauchbar. Aber mit dem Großteil der Ergebnisse lässt sich, zumindest in modifizierter Form etwas anfangen. Ich habe mir selbst die Ausbeute durchgesehen und mit den Studierenden auf die jeweils drei besten eingedampft. So ging keine Idee verloren.

DAZ: Wie die im Wettbewerb ausgewählten Ergebnisse zeigten, waren sehr innovative Idee dabei, aber auch Ideen, die in der Apothekerschaft zum Teil bereits in ähnlicher Form umgesetzt und ausprobiert werden, wie zum Beispiel die Apotheke im Container …

Hollmann: Bei aller Offenheit für Ideen, die Containerapotheke ist für mich akzeptabel als Übergangslösung, wenn eine Apotheke aus bestimmten Gründen ihre eigenen Räume nicht benutzen kann oder umbaut. Aber dem Ansehen des Berufes ist der Container doch nicht förderlich.

Kaapke:Da würde ich gerne dagegen halten: In bestimmten In-Locations und Standorten, an denen Regeln gebrochen werden, dort, wo eine besondere Klientel das Ausgefallene sucht, kann das Format einer gut gemachten Containerapotheke, die mit allem ausgestattet ist, was für eine Apotheke notwendig ist, genau die Antwort auf diesen Standort sein, nicht jedoch im normalen Umfeld. Eine Alternative an ausgefallen Standorten wäre, genau das Gegenteil zu machen, nämlich eine auf alt und ehrwürdig getrimmte Apotheke.

Hollmann: Wenn man eine Containerapotheke akzeptiert, dann könnte man auch eine rollende Apotheke für gut heißen. Wo ist da der Unterschied? Der Container steht nur etwas länger an einem Standort als eine rollende Apotheke.

Kaapke:Mein Ansatz war ein anderer: Ich gehe von einer dauerhaften Apotheke im Container aus – z. B. der Stahl-Container als hippes Gebäude. Der Container als mobile ­Lösung – da wäre ich auch dagegen.

Hollmann: Ein fester Standort mit Container-ähnlichem Aussehen – mit einer solchen Aufmachung kann man sich natürlich anfreunden. Nirgends steht geschrieben, dass Apotheken nur in einem Backsteingebäude liegen dürfen.

DAZ: Diese Diskussion zeigt, wie man querdenken muss. Aber die Studierenden haben nicht nur Standort-Ideen aufgespürt …

Kaapke:Das war in der Tat nur eine von vielen Ideen. Auch Preis- und Rabattaktionen, Kampagnen, Kommunikationsformen, Events, Kundenansprache und Verkaufsförderungsaktionen, Promotions – in allen Bereichen konnte man neue Formen entdecken. Ein Spielwarengeschäft in London hat beispielsweise vier bis fünf Mitarbeiter in den Laden gestellt, die als Animateure die Spielsachen vorführten. Das Geschäft war an einem normalen Wochentag knallvoll.

Hollmann:Natürlich kann der Apotheker nicht mit seinen Pillen in der Offizin jonglieren, aber die Idee, auf irgendeine Weise auf sich aufmerksam zu machen, wäre ein Ansatz.

Kaapke: Man könnte beispielsweise die Rezeptur mit Glaswänden umgeben, so dass sie von der Offizin aus einsehbar ist. Während gut frequentierter Tageszeiten der Apotheke könnte eine oder zwei PTA für die Kunden sichtbar Labor- und Rezepturarbeiten durchführen.

Hollmann: Und die Apotheke könnte diese Aktionen verbinden mit einem Hinweisschild „Wir fertigen ihre individuelle Rezeptur gern für Sie an“ oder ähnlich.

Kaapke:Von den Ideen, die die Studierenden mit einer erfrischenden Offenheit sammelten und mitbrachten, gab es auch für einen Apotheken-Ökonomen noch Beispiele, an die man erstmal nicht gedacht hat.

Hollmann:Das Interessante an diesem Projekt war, dass die jungen Menschen zunächst ohne Tabus und ohne die Schere im Kopf, ob die Idee für eine Apotheke taugt oder nicht, an das Einsammeln der Ideen herangingen. Das war für mich der Hauptsinn dieses Huntings. Als Branchen-Insider hätten wir womöglich viele der Events, Präsentationen und Einfälle von vornherein ausgeschlossen und als unmöglich abgetan. Wir erlauben uns nicht weiterzudenken, um eine neue Möglichkeit der Umsetzung zu finden.

DAZ: Apotheker schauen sich doch gerne andere Apotheken an …

Hollmann: Das ist richtig. Wenn ich mit Apothekerinnen und Apothekern unterwegs bin, werden sie wie magisch von anderen Apotheken angezogen. Eigentlich müssten sie, um sich neue Ideen zu beschaffen, vor anderen Geschäften Halt machen. Was macht das neue Schuhgeschäft, was bietet der Drogeriemarkt? Ich gehe gerne an Drogeriemärkten vorbei, schaue mir das Sortiment an, die Werbung. Eine neue Idee, die man entdeckt, kann letztlich Tausende von Euro wert sein.

Kaapke:Der große Vorteil der Studierenden: sie sind nicht durch die herkömmliche Apotheke vorgeprägt. Sie gehen mit vollkommen anderem Blickwinkel auf Ideensuche. Und sie hatten aufgrund dieser Semesterarbeit den Druck, in den Städten Ideen finden zu müssen. Sie sollten nur Ideen finden, Besonderes, Überraschendes, Komisches. Erst zu Hause sollten sie dann die Übertragbarkeit auf Apotheken prüfen.

Hollmann:Querdenker, Menschen, die gegen den Mainstream dachten und handelten, die das Undenkbare wagten – diese Menschen haben die Welt vorangebracht. Vor diesem Hintergrund ist es gut und richtig, wenn auch schräge Ideen gefunden wurden, über die die meisten heute noch spotten, aber einer erkennt vielleicht das Potenzial, das für die Zukunft darin steckt, und entwickelt die Idee weiter.

DAZ: Stichwort Zukunft. Herr Hollmann, Herr Kaapke, in welche Richtung muss sich die Apothekerin, der Apotheker verändern, um für die Zukunft gerüstet zu sein?

Hollmann: Heute und in Zukunft muss der Apotheker auf seinen Patienten zugehen. Das Motto des Perspektivpapiers zeigt den Weg: Näher ran an den Patienten. Er muss das Vertrauen des Patienten gewinnen, das Gespräch suchen. Der Patient muss das Gefühl haben, die Apotheke bemüht sich um ihn. Daher sehe ich auch die Gefahr des Online-Handels nicht allzu groß. Denn die persönliche Betreuung, das persönliche Gespräch kann nur die Apotheke vor Ort leisten. Wenn die Apotheke hier Sozialkompetenz zeigt, hat sie den Patienten gewonnen.

Kaapke:Verkaufstrainer drücken dies so aus: Jeder Mensch sucht eine Problemlösung und ein gutes Gefühl.

Hollmann:Was ich bestätigen kann: Menschen schauen nicht nur auf den Preis, sondern sie lassen sich auch von Gefühlen und Emotionen leiten. Wenn die Apotheke versteht, dem Kunden neben einer guten Beratung auch ein gutes Gefühl zu bieten, dann habe ich für die Zukunft keine Sorge.

DAZ: Was würden Sie Apotheken empfehlen, um die Kundenbindung zu erhöhen?

Hollmann:Eigentlich ist das relativ einfach: Die Apotheke sollte sich viel stärker in den Kunden hineinversetzen, mit dem Kopf des Kunden denken: Was möchte mein Kunde, welche Bedürfnisse hat er? Wenn ich merke, dass der Kunde nicht beraten werden möchte, darf ich ihn nicht zutexten. Wenn ich aber Verunsicherung spüre, muss ich ihn beraten, muss nachfragen und erklären. Die Kunst ist, die Erwartungshaltung des Kunden, der vor einem steht, zu treffen. Hierzu muss ich den Kunden schon beim Betreten der Apotheke beobachten, wie ist sein Habitus, wie gibt er mir das Rezept, ist er wortkarg?

Kaapke: In der Tat, es fehlt bisweilen am differenzierten Einfühlungsvermögen in den Kunden und die Beratung fällt schwarz-weiß aus, wie ich selbst schon feststellen musste: Entweder gibt‘ s kaum Beratung oder ich werde zugeschüttet. Aber ein paar kurze Nachfragen, mit denen mein Beratungsbedürfnis ausgelotet wird, vermisse ich in vielen Fällen. Was mir passierte: Auf meine Nachfrage, ob es zu meinem Präparat weiterführende Informationen gebe, erhielt ich zur Antwort: „Da gibt es eine gute Seite im Internet dazu“, was mich zur Antwort verleitete: „Dann kann ich es das nächste Mal gleich im Internet bestellen.“

DAZ: Mit dem Kopf des Kunden denken – eine Idee für mehr Erfolg?

Hollmann: Durchaus. Dies gilt auch für die Außenwirkung der Apotheke. Der Apotheker sollte seine Apotheke öfters mal von der anderen Straßenseite aus betrachten und versuchen, sie mit den Augen eines Kunden, eines Patienten zu sehen. Der Apotheker sollte sich notieren, was ihm gefällt und was nicht. Und er sollte die Aussagen im und am Schaufenster kritisch hinterfragen, ob sie noch stimmen, noch zeitgemäß sind.

Kaapke: Als ich an einem Apothekenschaufenster den Schriftzug „Linda“ sah, fragte ich in der Apotheke nach, ich würde gerne Linda sprechen. Die Mitarbeiterin konnte damit nichts anfangen. Im Ernst: Wenn Flyer, Poster und andere Werbematerialien in der Apotheke aufgehängt oder ausgelegt werden, sollten alle Mitarbeiter wissen, worum es sich handelt und Auskunft geben können. Das gilt auch für die Schaufensterdeko.

Hollmann:Die zentrale Botschaft könnte sein: Als Apotheker habe ich die Probleme meines Kunden zu lösen. Wenn man sich dies immer wieder vor Augen hält, dann dürfte man auf dem richtigen Weg sein.

DAZ: Herr Hollmann, Herr Kaapke, vielen Dank für das ­Gespräch. |

Grafiken: kerdazz, Jan Engel – Fotolia.com; Montage: DAZ/ekr


Kapitel 2 - Interview

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