DAZ aktuell

DrEd bangt um sein Deutschlandgeschäft

Online-Arztpraxis will neue Vorschriften zur Verschreibungspraxis nicht hinnehmen

BERLIN (ks) | Ab August dürfen Apotheken keine Arzneimittel mehr abgeben, wenn das Rezept ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurde. Dies und mehr regelt die aktuell beschlossene AMG-Novelle. Die Bundesärztekammer begrüßt die geplante gesetzliche Klarstellung, die in London ansässige Online-Arztpraxis DrEd sieht dies erwartungsgemäß anders.

„Es ist richtig, dass die Bundesregierung der Verordnung verschreibungspflichtiger Medikamente über Online-Praxen einen Riegel vorschiebt“, erklärte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, nachdem das Bundeskabinett letzte Woche beschlossen hat, das Arzneimittelgesetz entsprechend zu ändern. Der Entwurf für das Vierte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften sieht eine Änderung in § 48 Arzneimittelgesetz (AMG) vor. Demnach soll eine Apotheke ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel grundsätzlich nicht abgeben dürfen, wenn vor der Verschreibung „offenkundig kein direkter Kontakt“ zwischen der verschreibenden Person und dem Patienten stattgefunden hat.

Abweichungen in begründeten Ausnahmefällen sind aber vorgesehen: insbesondere, wenn der Patient dem (Zahn-)Arzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich nur um die Wiederholung oder Fortsetzung der Behandlung handelt. Zudem soll das Bundesgesundheitsministerium mittels Rechtsverordnung bestimmen können, in welchen Fällen Ausnahmen bestehen sollen.

DrEd in Bedrängnis

Eine ganz andere Meinung zur Änderung hat die Online-Arztpraxis DrEd in London. Ihr würde mit der Regelung das Deutschlandgeschäft zerstört – und immerhin rund 8000 ihrer monatlich rund 30.000 Online-Sprechstundenbesuche kommen aus Deutschland. DrEds Geschäftsmodell ist es gerade, Patienten leicht Rezepte zu vermitteln. Und zwar in ausgesuchten Indikationen, vorzugsweise solchen, über die Patienten ungern sprechen, z. B. erektile Dysfunktion, Haarausfall oder Chlamydien. Auch bietet DrEd Verordnungen für Verhütungsmittel sowie Folgerezepte für Blutdruck- und Cholesterinsenker sowie Asthmamittel an. Neun bis 49 Euro kostet eine Onlinesprechstunde. Das ausgestellte Privatrezept kann sich der Patient entweder schicken lassen und selbst einlösen. Oder es wird direkt an eine Versandapotheke geleitet.

Europarecht verletzt?

Das Geschäftsmodell hatte die Große Koalition bereits vor Augen, als sie 2013 in ihrem Koalitionsvertrag versprach, klarzustellen, dass Voraussetzung für die Erstverschreibung von Arzneimitteln ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Schon damals hat DrEd das Vorhaben kritisiert – nun sieht es nicht anders aus. Jens Apermann, Sprecher der Online-Praxis, erklärt, dass mit der Änderung im Arzneimittelgesetz gegen Europarecht verstoßen werde. Auch ein juristisches Gutachten hierzu hat DrEd in der Tasche. Zum einen sehe die EU-Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung vor, dass bei telemedizinischen Behandlungen das Recht maßgeblich sei, in dem der behandelnde Arzt seinen Sitz hat – im Fall von DrEd also das britische, nach dem Verordnungen aus der Ferne kein Problem sind. Zum anderen sieht DrEd die Dienstleistungsfreiheit – eine der Grundfreiheiten des Binnenmarktes – eingeschränkt. Und eine Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes können die Hintermänner der Praxis natürlich nicht erkennen.

DrEd sieht für Apotheken Probleme

Nicht zuletzt sieht DrEd die deutschen Ärzte durch die Regelung eingeschränkt. Und auch die Apotheker sieht man bei DrEd durch das Gesetzesvorhaben beeinträchtigt: Sie müssten künftig jedes Rezept dahingehend hinterfragen, ob es als Folge eines physischen Arztkontaktes ausgestellt wurde. „Wie diese nicht honorierte Prüfpflicht bei einem Verordnungsvolumen von mehr als 850 Millionen Arzneimittelpackungen pro Jahr praktisch umgesetzt werden soll, lässt die Bundesregierung offen“, heißt es in einem Argumentationspapier. Die ABDA hatte in einer Stellungnahme zum ersten Referentenentwurf die beabsichtigte Neuregelung jedoch begrüßt. ­Allerdings hatte sie auch eine Umformulierung angeregt und gefordert, ­zumindest in der Begündung des Gesetzentwurfs Beispiele aufzuzählen, die einen „erkennbaren“ Verstoß (im Gesetzentwurf: „offenkundig“) begründen. Tatsächlich wurde der neue Satz 2 in § 48 Absatz 1 AMG für den Kabinettsentwurf nochmals neu formuliert, wenn auch nicht ganz nach dem Vorschlag der ABDA.

Sicher ist: Die geplante deutsche Regelung wird auf den Prüfstand kommen. DrEd kann nach ihrem Inkrafttreten Beschwerde bei der Europäischen Kommission einlegen. Diese hat den Einwänden dann nachzugehen. Oder aber ein Wettbewerber oder ein Wettbewerbsverein in Deutschland werden einen Rechtsstreit gegen DrEd in die Wege leiten. Wenn ein Gericht dann meint, hier gibt es Fragen, die der ­Europäische Gerichtshof klären muss, so wird es diesen anrufen müssen. |

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