DAZ aktuell

Pharma-Ärger mit Europa

Wettbewerbsnachteile für Hersteller von Phytos und stofflichen Medizinprodukten

ATHEN (diz) | Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Zubereitungen (Botanicals) wollen vom guten Image der Phyto-Arzneimittel profitieren und stoffliche Medizinprodukte sollen klinische Studien vorlegen – zwei Vorgänge auf europäischer Ebene, die den Herstellern dieser Produkte Sorgen bereiten. Über die Hintergründe dieser Vorgänge informierte der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) im Rahmen der Jahrestagung der europäischen Arzneimittelhersteller (AESGP) am 1. Juni in Athen.

So mancher Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln mit pflanzlichen Zubereitungen, den sogenannten Botanicals, möchte vom guten Image der Phytos profitieren. Sie versehen ihre Produkte mit von der EU zugelassenen nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) und präsentieren sich wie Arzneimittel. Die Health Claims-Verordnung, die 2006 verabschiedet wurde, regelt, welche Aussagen verwendet werden dürfen. Die Aussagen sind in einer geprüften Positivliste der EU aufgeführt. Sinn ist es, Verbraucher vor Irreführung zu schützen.

Derzeit überprüft die EU-Kommission die Anwendung der Health Claims-Verordnung bei Pflanzen und Pflanzenzubereitungen („Botanicals“). Allerdings wurde die Überprüfung der rund 2000 zur Diskussion stehenden Health Claims 2010 überraschend ausgesetzt. Es gebe, so heißt es, Indizien, dass nur in wenigen Fällen ein Gesundheitsbezug überhaupt belegt ­werden könne.

Dadurch allerdings sehen sich – vor allem mittlere und kleine – Phytohersteller benachteiligt. Sie haben ein ­Interesse daran, dass es klare Regeln gebe, so war vom BAH zu erfahren. Sie befürchten existenzgefährdende Wettbewerbsnachteile, denn ohne ­klare Regelungen für Health Claims drängen Hersteller von Botanicals auf den Markt, die dem Verbraucher den Eindruck vermittelten, ihre Präparate ­seien Arzneimittel. Sie bewerben ihre Nahrungsergänzungsmittel mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, ohne diese nun belegen zu müssen.

Der BAH fordert daher, dass im Sinne des Verbraucherschutzes verhindert werden müsse, Produkte mit nicht geprüften Gesundheitsaussagen dauerhaft auf dem Markt zu etablieren. Die EU müsse ihre gesetzlichen Aufträge erfüllen und die Health Claims-­Verordnung von 2006 konsequent ­umsetzen.

Medizinprodukte-Verordnung – übers Ziel hinaus

In den letzten Jahren wurde das Medizinprodukte-Recht kritisch hinterfragt, als kriminelle Machenschaften bei Hüftgelenken oder Brustimplantaten bekannt wurden. Die EU-Kommission nahm dies zum Anlass, dass Medizinprodukte-Recht zu reformieren. Doch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für eine neue Medizinprodukte-Verordnung, die voraussichtlich noch im Herbst 2016 verabschiedet werden soll, tut sich Ungemach für Arzneimittelhersteller auf.

Die von der EU überarbeitete Medizinprodukte-Verordnung sieht vor, dass auch weiterhin die stofflichen Medizinprodukte von der Verordnung erfasst werden, was durchweg begrüßt wird. Bei diesen stofflichen Medizinprodukten handelt es sich um solche Produkte, die vom äußeren Erscheinungsbild Arzneimitteln ähneln, die ihre Wirkweise aber gerade nicht auf pharmakologische, immunologische oder metabolische Art und Weise erreichen. Als Beispiel lassen sich hier bestimmte Lutschpastillen, Meersalznasenspray, Heilerde oder das Quellmittel Macrogol zum Abführen nennen. Bei diesen Produkten hatte die Europäische Kommission zunächst eine Klassifizierung der Produkte in die höchste Risikostufe III vorgesehen, was durch Überzeugungsarbeit der Verbände wie dem BAH verhindert werden konnte. Allerdings wird es dennoch zu einer Hochstufung aller stofflichen Medizinprodukte kommen, was nach Ansicht des BAH nicht nachvollziehbar ist. So werden beispielsweise Produkte, die im Magen-Darm-Trakt wirken und absorbiert werden, in die höchste Risikoklasse III eingestuft. Produkte, die auf der Haut, in der Nase oder der Mundhöhle angewendet werden, werden in Klasse II a eingestuft. Für die Hersteller stofflicher Medizinprodukte bedeutet dies, dass sie bei der Erstellung ihrer Unterlagen für das Inverkehrbringen mit ­einem nicht unerheblichen Mehraufwand rechnen müssen. Beispielsweise müssen für viele Produkte eigene klinische Prüfungen vorgelegt werden, obwohl die Produkte bereits seit Jahrzehnten ohne jegliche Sicherheitsbedenken auf dem Markt sind. Nach Ansicht des BAH ist dies nicht nachvollziehbar, wenn beispielsweise Macrogol in die gleiche Risikoklasse eingestuft werde wie Herzschrittmacher. Außerdem würde es zu Engpässen kommen, wenn der Altmarkt an Medizinprodukten nachzertifiziert werden müsste. Die zuständigen benannten Stellen, die die Unterlagen prüfen müssen, ­wären über Jahre ausgelastet – ganz abgesehen von den Kosten, die mit den Prüfungen auf die Firmen zukämen. Der BAH werde sich daher in der ­weiteren Ausgestaltung der Medizinprodukteverordnung dafür einsetzen, dass pragmatische Lösungen gefunden werden. |

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