Feuilleton

Gewürze in der TCM

Ein Überblick über ihre Duftstoffe*

Im 4. Nachtrag zur 8. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs, der Ende November 2015 ausgeliefert wurde, sind die Bezeichnungen von in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verwendeten pflanzlichen Drogen aufgelistet, für die eine Monografie im ­Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) existiert (S. 6813 f.). Damit sei hier die Frage gestellt, welche in Europa gebräuchlichen Gewürze und Teedrogen einerseits dem Arzneischatz der TCM angehören – wo sie bei Diagnosen wie Herz-Yin-Mangel, Loderndes Magenfeuer, Kälte im Dickdarm mit Qi-Stagnation angewendet werden – und andererseits in der Ph. Eur. beschrieben sind. Tabelle 1 gibt eine Übersicht.

Tab. 1: Ph. Eur.-Monografien von Gewürzen und Teedrogen, die zugleich TCM-Drogen sind, mit den Hauptinhaltsstoffgruppen ihrer ätherischen Öle.
Titel, lateinisch
Titel, deutsch
Ätherisches Öl
Absinthii herba
Wermutkraut
Mono- und Sesquiterpene
Allii sativi bulbi pulvis
Knoblauchpulver
Anisi fructus
Anis
Phenylpropane
Anisi stellati fructus
Sternanis
Phenylpropane
Aurantii amari epicar­pium et mesocarpium
Bitterorangenschale
(+)-Limonen* (Monoterpen)
Carvi fructus
Kümmel
Monoterpene
Cinnamomi cortex
Zimtrinde
Phenylpropane
Coriandri fructus
Koriander
Monoterpene
Croci stigma ad praeparationes homoeopathicas
Crocus** für homöopa­thische Zubereitungen
Monoterpene
Curcumae longae rhizoma
Curcumawurzelstock
Arylheptane, Sesquiterpene*
Foeniculi dulcis fructus
Süßer Fenchel
Monoterpene und Phenylpropane
Juniperi galbulus
Wacholderbeeren
Monoterpene
Lavandulae flos
Lavendelblüten
Monoterpene
Levistici radix
Liebstöckelwurzel
γ-Lactone
Melissae folium
Melissenblätter
Monoterpene, Phenylpropane
Menthae piperitae folium
Pfefferminzblätter
Mono- und Sesquiterpene
Piperis fructus
Pfeffer
Mono- und Sesquiterpene*
Piperis longi fructus
Langer Pfeffer
Mono- und Sesquiterpene*
Rosmarini folium
Rosmarinblätter
Mono-, Di- und Triterpene, Depside der Kaffeesäure
Salviae officinalis folium
Salbeiblätter
Monoterpene
Serpylli herba
Quendelkraut
Monoterpene
Thymi herba
Thymian
Monoterpene
Zingiberis rhizoma
Ingwerwurzelstock
Sesquiterpene

* bedeutet: ätherische Öle als Nebenprodukte; ** Safran

Für die folgenden Pflanzen der TCM sind (noch) keine Monografien in der Ph. Eur. zu finden: Basilikum, Dill, Muskatnuss und Paprika. Allerdings ist in der Ph. Eur. eine Monografie für Muskatöl (Myristicae fragrantis ­aetheroleum) enthalten.

Eigenartig und bemerkenswert ist der Umstand, dass – abgesehen von zwei Ausnahmen – die Stammpflanzen aller in der Tabelle genannten Drogen in ­unseren Gärten und Küchen zu finden sind:

  • Lavendel, Liebstöckel, Melisse, Pfefferminze, Quendel, Rosmarin, Salbei, Thymian und Wermut wachsen beispielsweise auf meiner Penthaus-Terrasse.
  • Anis, Fenchel, Ingwer, Knoblauch, Kümmel, schwarzer und weißer Pfeffer, Safran, Wacholderbeeren und Zimt sind alle unter den Gewürzen zu finden, die meine Frau zur Bereitung von schmackhaften Mahlzeiten benutzt.
Foto: Knobloch

Fenchel-Anis-Kümmel. Aus „Spectaculum Pharmazeuticum 2016“ von Apotheker Dr. Karl-Heinz Knobloch.

Die beiden Ausnahmen sind Curcumawurzelstock, der den Curry gelb bis gelb-orange färbt, und Langer Pfeffer, der – aus Indien kommend – in Europa schon lange vor dem schwarzen Pfeffer bekannt war, aber von diesem fast völlig verdrängt wurde.

Ebenso denkwürdig ist das Faktum, dass mit nur einer Ausnahme (Knoblauch) alle aufgeführten Drogen ätherische Öle enthalten. Wir gliedern sie in vier Gruppen, von denen wir jeweils die Strukturformel eines Prototyps abbilden (Abb. 1).

Abb. 1: Inhaltsstoffe ätherischer Öle.

Lineare Monoterpene (mit 2 × 5 = 10 C-Atomen) sind u. a. Citral a, Citral b, Citronellal, Geraniol, Linalool(e), Myrcen.

Zyklische Monoterpene sind viel zahlreicher; zu ihnen gehören Borneol, Carvacrol, (S)-(+)-Carvon, 1,8-Cineol, p-Cymen, Estragol, Fenchon, (R)-(–)-Limonen, Menthofuran, Menthol und Menthon, α-Pinen, β-Pinen, Sabinen, γ-Terpinen, Terpinenol(e), α-Thujon, β-Thujon und Thymol.

Sesquiterpene (mit 3 × 5 = 15 C-Atomen) sind vertreten mit: Artabsin, Curcumen, Hydroxypelenolid, β-Sesqui­phellandren, α-Tumeron und Zingiberen.

Zu den Phenylpropanen (d. h. Phenylpropan-Derivaten) gehören: trans-­Anethol, Cumarin, Estragol, Eugenol, Foeniculin, Zimtsäure, -aldehyd und -alkohol sowie Kaffeesäure (s. u.).

Der „Außenseiter“ Knoblauch enthält Alliin (Allylcysteinsulfoxid, Abb. 2), das manchmal fälschlich den ätherischen Ölen zugerechnet wird; nach enzymatischer Abspaltung der Aminosäure und des Sauerstoffs entsteht das Dimer Diallyldisulfid, das im Knoblauchpulver vorherrscht und dessen typischen Geruch bewirkt.

Abb. 2: Alliin im Knoblauch enthält Schwefel und Stickstoff.

Den Duft der Bitterorangenschale prägt das Monoterpen Limonen, während Flavonoidglykoside wie Neohesperidin und Naringin (Abb. 3) für den bitteren Geschmack verantwortlich sind.

In der Curcumawurzel findet sich neben Sesquiterpenen als dominierender Wirkstoff das Curcumin (Abb. 3), ein Di‑Phenylpropan-Derivat des Methans, das auch den Geschmacksträger des Curry darstellt.

Die typischen Wirkkomponenten des Liebstöckels sind γ-Lactone der ­Butylphthalsäure und ihre Derivate (Abb. 3).

Abb. 3: Inhaltsstoffe von Bitterorange (Naringin), Curcumawurzelstock (Curcumin), Liebstöckel (Butylphthalid) und Lamiaceen (Rosmarinsäure in Rosmarin, Melisse u. a.).

Die Kaffeesäure und ihre Derivate sind im gesamten Pflanzenreich weit verbreitet; ein Depsid der Kaffeesäure ist die in vielen Lamiaceen vorkommende, antimikrobiell wirkende Rosmarin­säure (Abb. 3).

Bleiben noch der Pfeffer und der Lange Pfeffer. Sie enthalten, abweichend von den anderen genannten Gewürzen, Alkaloide, hauptsächlich Piperin.

Fazit: Mit den Gewürzen und Gewürzpflanzen, die in europäischen Häusern und Gärten anzutreffen sind, könnte ein erfahrener chinesischer Arzt Dutzende von Erkrankungen behandeln. |



Literatur

Henry Johannes Greten. Checkliste Chinesische Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2009

Albert Y. Leung. Chinesische Heilkräuter, 4. Aufl. Eugen Diederichs Verlag, München 1995

Karin Bedrik. Westliche Heilpflanzen in der TCM, 3. Aufl. Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft, Uelzen 2010

Weici Tang, Gerhard Eisenbrand. Handbook of Chinese Medicinal Plants. Wiley-VCH, Weinheim 2011

Wolfgang Blaschek (Hrsg.). Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka, 6. Aufl. Wissenschaft­liche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2016

Horst Rimpler (Hrsg.). Biogene Arzneistoffe, 2. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 1999

Europäisches Arzneibuch 8. Ausgabe, mit den Nachträgen 1 bis 4


Autor

Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth,

Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe

www.h-roth-kunst.com

info@h-roth-kunst.com

* Frau Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe in Bewunderung ihrer verschiedenen Aktivitäten und in kollegialer Verbundenheit zum 60. Geburtstag gewidmet.

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