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Arzneimittel und Therapie
Leitlinien-Update: Herzinsuffizienz
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
Obwohl sich die Herzinsuffizienz aufgrund verbesserter medikamentöser Therapiemöglichkeiten zu einer vermeidbaren und behandelbaren Erkrankung entwickelt hat, endet sie nach wie vor für die meisten Patienten tödlich. Während bei der systolischen Herzinsuffizienz (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF) bei typischer Symptomatik die Auswurffraktion (left ventricular ejection fraction, LVEF) auf unter 40% deutlich erniedrigt ist, sind bei der diastolischen Herzinsuffizienz (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF) neben einer Auswurffraktion ≥ 50% erhöhte Level von natriuretischen Peptiden und echokardiografische Hinweise auf eine diastolische Dysfunktion charakteristisch. Die aktualisierte ESC-Leitlinie differenziert zusätzlich eine „Mittelklasse“ von Patienten mit einer LVEF zwischen 40 und 49%, die ebenfalls erhöhte natriuretische Peptide und echokardiografisch strukturelle oder funktionelle Störungen des linken Ventrikels aufweisen (Heart Failure mid-range Ejection Fraction, HFmrEF). Den Leitlinienautoren zufolge soll durch diese neue Kategorie, in die immerhin 10 bis 20% aller Patienten fallen, die klinische Forschungsarbeit vorangetrieben werden. Denn die Prognose ist ebenso wie für die diastolische Herzinsuffizienz schlecht, da bis dato keine evidenz-basierten Diagnose- und Therapie-Empfehlungen etabliert werden konnten. Zur Behandlung der systolischen Herzinsuffizienz stehen dagegen verschiedene Therapieoptionen bereit, die im Folgenden näher erläutert werden.
Neue Wirkstoffkombination
Für die Behandlung der systolischen Herzinsuffizienz (HFrEF) gelten die vor knapp 30 Jahren in der CONSENSUS-Studie getesteten ACE-Hemmer zusammen mit Betablockern weiterhin als unbestrittener Standard. Bei Unverträglichkeit der ACE-Hemmer empfiehlt sich alternativ die Anwendung von AT1-Rezeptorblockern. Bei anhaltender Symptomatik wird ein Mineralcorticoid-Antagonist (Spironolacton oder Eplerenon) als dritter Wirkstoff zum Therapieregime hinzugefügt. Sind trotz Dreier-Kombination weiterhin Symptome vorhanden, kommt im nächsten Schritt der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) hinzu. Diese fixe Kombination von Valsartan und Sacubitril (Entresto®) hat basierend auf den Ergebnissen der PARADIGM-HF-Studie Eingang in die ESC-Leitlinien zur Behandlung der systolischen HF mit höchstem Empfehlungsgrad (Klasse 1) gefunden. Sacubitril hemmt über die Blockade von Neprilysin den Abbau natriuretischer Peptide, und Valsartan unterbindet durch die Blockade des AT1-Rezeptors eine Gegenregulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). In den USA wird ARNI sogar neben den First-line-Optionen (ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten) positioniert. Wird ein ACE-Hemmer gegen ARNI ausgetauscht, muss für mindestens 36 Stunden eine „Auswaschphase“ eingehalten werden, um das Risiko für Nebenwirkungen (u. a. Angioödeme) gering zu halten. Beim Austausch eines AT1-Rezeptorblockers ist eine Therapieunterbrechung nicht erforderlich.
Auf gleicher Stufe mit ARNI steht in den ESC-Leitlinien die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) durch biventrikuläre Schrittmacherstimulation. Die CRT sollte allerdings nur bei Patienten im Sinusrhythmus und bei Vorliegen eines kompletten Linksschenkelblocks mit einer QRS-Dauer ≥ 130 ms erwogen werden. Alternativ empfehlen die Autoren bei Patienten mit Sinusrhythmus, die trotz Betablocker-Therapie eine Herzfrequenz ≥ 70 Schläge/min aufweisen, den Einsatz von Ivabradin. Der Wirkstoff senkt die Herzfrequenz durch Inhibition des „Funny“-Kanals im Sinusknoten. Die drei genannten Therapieoptionen (ARNI, CRT, Ivabradin) sind auch additiv anwendbar. Um Symptome der Stauung und Volumenüberlastung zu kontrollieren, sollten Diuretika – in möglichst niedriger Dosis – bei allen Patienten eingesetzt werden. Die Gabe von Digoxin ist nur in therapieresistenten Fällen zu befürworten.
Calciumantagonisten vermeiden
Durch Komorbiditäten wird die Therapie verkompliziert. Die Leitlinie nennt in diesem Zusammenhang Wirkstoffe, die vermieden werden sollten. Dazu zählen unter anderem Glitazone, nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und die Calciumantagonisten Diltiazem und Verapamil. Der Renin-Antagonist Aliskiren kann aufgrund des Resultats der ATMOSPHERE-Studie bei systolischer Herzinsuffizienz ebenfalls nicht empfohlen werden. Bei Diabetikern wird explizit auf die Mortalitätssenkung durch Empagliflozin in der EMPAreg-Studie hingewiesen, eine konkrete Empfehlung wird jedoch nicht gegeben. Eindeutig positiv bewerten die Autoren eine Eisen-Substitution bei Anämie. Darüberhinaus werden die Möglichkeiten zur Prävention der Herzinsuffizienz betont und auf das Potenzial von ACE-Hemmern, Betablockern und Statinen verwiesen.
Kritik erhält die ESC-Leitlinie von dem Portal „Leitlinien-Watch“: Da durch die Einführung von ARNI ein Umsatz in Millionenhöhe zu erwarten sei, wäre eine Bewertung durch unabhängige Autoren angemessen gewesen. Der überwiegende Teil der Autoren gibt jedoch finanzielle Interessenkonflikte an. |
Quellen
ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. European Heart Journal 2016;37:2129–2200
Guideline for the Management of Heart Failure: A Report of the American College of Cardiology (ACC)/American Heart Association (AHA). J Card Fail 2016;22(9):659-669
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